Chronik.Ereignis1032 Die Herren von Pildek 01

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Baronie Pildek Anfang Ingerimm 1032 BF[Quelltext bearbeiten]

Auf dem Marktplatz von Pildek[Quelltext bearbeiten]

Autor: Von Scheffelstein

Der Bettler[Quelltext bearbeiten]

Schwer atmend wälzte sich Nado auf den Rücken, das schweißbedeckte Gesicht den Dachbalken des Stalles zugewandt. Lässig winkte er eine Fliege fort, die sich auf seiner Stirn niederlassen wollte. Dann richtete er sich auf einen Ellenbogen auf und wandte sich mit einem Lächeln dem Mädchen zu, das neben ihm im Stroh lag, goldhaarig, breithüftig und so schön, wie nur Rahja eine Frau erschaffen konnte.
Sacht strich der junge Mann eine Strähne aus dem Gesicht des Mädchens und versenkte seinen Blick in den hellbraunen Augen.
„Vinyaza“, sagte er, einer plötzlichen Eingebung folgend, „willst du meine Frau werden?“ Das Mädchen hob eine Augenbraue, dann lachte sie. Auch Nado lachte, glücklich, bis sie seine Hand zur Seite schob und sich aufsetzte.
„Mach dich doch nicht lächerlich“, sagte sie und zog sich das Kleid über den Kopf.
Nados Lächeln erstarrte. „Wie meinst du das?“
Sie stand auf und zupfte sich das Kleid zurecht, verdrehte die Augen. „Du bist ein Bauer, Nado. Und nicht einmal der Erbe eures Hofes. Du wirst dein Leben lang ein Knecht bleiben.“
Nado zuckte mit den Schultern und schüttelte ratlos den Kopf. „Na und?“
„Na und?“ Sie nahm ein Band zwischen die Lippen, zartrosa wie die Blüten eines Kirschbaums, strich sich mit beiden Händen das Haar zurück, um es geschickt mit dem Band zu verknoten. „Verstehst du nichts, Nado? Mein Vater ist der Zuchtmeister des Dillwisch-Gestüts Ihrer Hochgeboren. Meine Mutter diente der Baronin in jungen Jahren am Hofe. Und du ... du kannst nicht einmal Lesen und Schreiben ...“
„Du hast es mir beigebracht ...“
„Nado.“ Sie lächelte nachsichtig, als spräche sie mit einem Kind. „Ich werde heiraten. Aber nicht dich.“
Fassungslos starrte er sie an. „Aber warum nicht? Liebst du mich nicht?“
Sie sah zu ihm herab, noch immer mit diesem bedächtigen Lächeln auf den Lippen, so als überlege sie. „Doch. Schon.“
Er sprang auf. „Aber wenn du mich liebst, wieso willst du dann einen anderen heiraten?“
„Ach, Nado“, seufzte sie.
Er packte sie an den Schultern, starrte sie mit wildem Blick an. „Und wenn du einen anderen heiraten willst: Wieso schläfst du dann mit mir?“
Sie lachte wieder, versuchte sich aber von ihm zu lösen. „Glaubst du, ich gehe als Jungfrau in eine Ehe? Ich bin Almadanerin! Lass mich los jetzt.“
Doch er fasste sie fester. „Was ist: War ich dir nicht gut genug? Du sahst aber aus, als hätte es dir gefallen. Hat es das nicht?“
Wieder verdrehte sie die Augen, dann riss sie sich mit einem Ruck los. „Guck dich nur an: Du sprichst auch wie ein Bauer. Verstehe es einfach: Du bist kein Mann für mich, Nado, es tut mir leid!“ Eilig kletterte sie über einen Strohballen, dem Ausgang zu.
„Es tut dir leid? Es tut dir leid?“, rief er aufgebracht, aber sie drehte sich nicht mehr um. „Ja, es wird dir leid tun!“, brüllte er ihr hinterher. „Es wird dir leid tun, Vinyaza, hörst du mich?“


Er konnte den Blick nicht lassen von ihren Augen, die ihn unter langen Wimpern hindurch verführerisch ansahen, die Hände nicht von ihrem Körper, der ihn lockte. Der ihn noch immer lockte, den er noch immer begehrte und Nacht für Nacht mit seinem Schweiß bedeckte – in seinen Träumen nur, nur noch in seinen Träumen.
„Einen Taler, einen Taler für einen alten Mann.“
Der Griff um sein Handgelenk riss Nado unsanft aus seinen Gedanken.
„Verschwinde!“, knurrte er und blickte zurück in die Menge, suchte mit den Augen den Marktplatz ab, aber sie war verschwunden. Die sehnige Hand des Alten hingegen war noch immer da.
„Nur einen Taler“, krächzte der Mann und hustete.
Nado fühlte sich versucht, ihn grob von sich zu stoßen, aber etwas am Anblick des Mannes hielt ihn zurück. Der Alte sah nicht aus wie die übrigen Bettler der Gegend, kein dürres Klappergestell mit vom Hunger gezeichneten Augen. Nicht eine der vielen gebrochenen Gestalten, die durch das Feuer alles verloren hatten bis auf ihr erbärmliches Leben.
Furchtlos blickte der Alte ihn an, aus nur einem Auge, das rechte bedeckte eine lederne Augenklappe. Das grauweiße Haar hing bis zu seinem Kinn herab, staubig wie seine Haut, das Gesicht unrasiert und mit zahlreichen Narben bedeckt. Auch die breite Brust zierten Narben, und das Hemd, zerrissen und mehrfach geflickt, war nach Söldnerart geschnürt. Der Mann war ein Kämpfer, ein gefallener Krieger, vom Leben gezeichnet vielleicht oder vom Wein, dem er, das roch man, vor nicht allzu langer Zeit kräftig zugesprochen hatte.
Nado tat, was er nie tat, fasste in den Beutel mit dem Geld, das sie für die Schafe bekommen hatten, und zog eine Silbermünze heraus.
Der Mann griff nach dem Taler, jedoch ohne den Blick von Nados Gesicht zu nehmen. Mit erstaunlich kräftigem Griff zog er den jungen Mann zu sich heran. Der weinschwere Atem schlug Nado in die Nase, das trübe Auge des Alten ließ ihn nicht los.
„Wie heißt du, Junge?“
Der Bettler faszinierte ihn, er konnte nicht sagen, warum. „Maldonado“, sagte er schulterzuckend.
„Nado! Wo bleibst du nur?“
Nado wollte noch etwas sagen, etwas fragen, aber dann drehte er sich über die Schulter nach seinem Bruder um. „Ich komme ja.“
Er wandte sich wieder dem Bettler zu, der jetzt ein breites Grinsen auf den Lippen hatte.
„Nado, bei den Göttern, wir müssen zurück. Es wird noch ein Unwetter geben heute, und Mutter wird krank vor Sorge, wenn wir nicht vorher zu Hause sind.“
Nado seufzte innerlich. Wenn Batistar sich endlich eine Frau suchte, müsste er sich um die Mutter nicht sorgen wie eine Glucke um ein Küken, dann würde er vielleicht endlich ein Mann werden. Schon Ende zwanzig und noch ein Muttersohn!
„Ich muss gehen.“ Er nickte dem Bettler zu, der ihn losließ, und drehte sich um. Batistar hatte bereits die Kisten mit Honig und Obst auf dem Karren verladen, und Nado kletterte zu ihm auf den Bock.


Der Bettler steckte die Münze in eine Tasche des zerschlissenen Hemdes und blickte dem Karren nach, bis dieser den Pildeker Markt verlassen hatte. „Mein Junge, mein guter alter Herr, wo hast du nur überall deinen Samen gestreut?“, murmelte er, ehe er sich hustend aufmachte, um den Taler in Wein zu verwandeln.




Chronik:1032
Die Herren von Pildek
Teil 01