Chronik.Ereignis1043 Die einsame Rose von Culming 08

Aus Almada Wiki
Version vom 2. Juli 2022, 13:03 Uhr von León de Vivar (Diskussion | Beiträge) (kategorien)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Baronie Bangour, 30. Ingerimm 1043 BF[Quelltext bearbeiten]

Auf der Hacienda Falkenhügel in Mûr (nachmittags)[Quelltext bearbeiten]

Autor: RobanLoken

Yedra de Bejar kniff die Augen zusammen, als sie durch die offene, doppelflüglige Tür nach draußen auf die Terrasse trat. Das Praiosrund blendete sie und die Kühle des Steinbaus, welches sie gerade noch umgeben hatte, wurde von der Wärme der aufgeheizten Marmorplatten der Terrasse verdrängt. Sie blickte sich um und entdeckte ihre Tochter Corvara auf einer hölzernen Bank im Schatten eines großen Olivenbaums in eine Lektüre vertieft. Die schlanke, kleine Edeldame trug dem neben der Tür wartenden Knecht auf, ihr einen Vino und eine Kanne möglichst kühles Wasser zu bringen und steuerte die Bank an. Corvara zog die Beine an, um ihrer Mutter Platz zu machen, blickte jedoch nicht von der Zeitung auf als diese sich zur ihr setzte. Scheinbar gab es etwas Interessantes zu lesen in der neuen Ausgabe des Yaquirblicks.

Yedra ließ ihren Blick über das Eigengut schweifen, welches sich unter der Anhöhe ausbreitete, auf der die Hacienda Falkenhöh vor gut 80 Götterläufen als Baronsresidenz erbaut worden war. Die Stängel des sprießenden Getreides ließen die Felder hellgrün schimmern, während an den Rändern die Flecken von Pinien und Olivenhainen in dunklem Grün einen schönen Kontrast dazu bildeten. Möglicherweise eine gute Farbkombination für das kleine Musikzimmer?

„Bin ich froh, wenn dein Vater aus Punin zurückkehrt. Er scheint zuweilen Vergnügen an diesen Gerichtstagen zu haben, aber mich laugen die kleinlichen Zänkereien der Eigenhörigen aus.“

Die Baronsgattin neigte ihren Kopf, um an der Zeitung vorbei den Kopf ihrer Tochter zu sehen, aber deren Augen waren noch immer auf den Text geheftet.

„Dein Bruder macht seine Sache aber wirklich sehr gut“, versuchte sie es mit einer Spitze, denn sie wusste mit welcher Leidenschaft, mal mit Spaß und mal mit Ernst, die beiden Zwillinge konkurrieren. Heute schien jedoch nicht einmal das ihre älteste Tochter aus der Reserve zu locken.

„Ähm, kennst du eigentlich die Familia von Culming?“ war das einzige, das hinter der Lektüre zu hören war.

Yedra runzelte erstaunt die Stirn, was aber nur der Knecht sah, der soeben eine Zinnkaraffe und eine Kristallflasche mit Wein nebst einem Trinkglas auf dem Tisch vor der Bank abstellte. Als der Knecht eingegossen hatte und sich wieder entfernte, nahm sie sich das Glas und fixierte das Gesicht ihrer Tochter.

„Du kennst doch wohl die Familia von Culming! Cronrat Stordan, der Baron von Culming ist doch so alt wie dein Vater und…“

„Die meine ich doch nicht! Ich wollte wissen, ob du dich da besser auskennst. Ich meine, kennst du vielleicht eine Usanza da Selaque von Culming?“

„Usanza?“ die Baronsgattin nippte an dem verdünnten Wein. „Da Selaque von Culming, sagst du? Es gibt doch diese Junkerin in Blumenau…“

„Madalena“ half ihr Corvara aus. „Und Usanza ist ihre jüngere Schwester.“

„Wenn du das schon weißt, was fragst du mich dann?“

„Na ich meinte, ob du sie kennst und du vielleicht weißt wie die aussieht?“ Corvara legte die Zeitung jetzt offen ab und blickte ihrer Mutter mit ihren gold-grün funkelnden Augen und einem verschmitzten Lächeln ins Gesicht. So sah sie immer aus, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Yedra musste bei diesem Anblick unwillkürlich lachen.

„Hey, wieso lachst du?“ Corvara zog gespielt einen Schmollmund.

Yedra musste beim Anblick ihrer 26-jährigen Tochter noch immer lächeln. „Ist nicht böse gemeint, aber was hast du denn gelesen, weshalb du wissen musst, wie das Mädchen aussieht? Was geht wieder in deinem Kopf vor?“

„Jetzt sag schon: Weißt du, wie sie aussieht?“

„Also Domna Madalena ist schon eine hübsch anzusehende Frau. Etwa einen Kopf größer als ich, braune Haare und Augen. Aber als ich sie zuletzt sah, … schwer zu sagen wie viele Götterläufe das zurückliegt, da war ihre Schwester glaube ich noch fast ein Kind. Ja, ich glaube da liegen einige Jahre zwischen den Beiden und wie die Domnatelle Usanza heute aussieht ist mir leider unbekannt, mein Schatz… Und was hast du jetzt da gelesen?“

„Na hier steht: die Familia von Culming, vertreten durch Domna Madalena von Culming, Junkerin von Blumenau, sucht nach einer geeigneten Partie für die Edle Domnatella Usanza von Culming. Und sie selbst schreibt auch dass sie sehr tierlieb ist. Bestimmt mögen die Hunde sie auch! Und wenn sie auch noch gut aussieht…“ Corvara biss sich leicht auf ihre linke Unterlippe und sah ihre Mutter herausfordernd an.

„Lass mal sehen“ Yedra nahm sich die Zeitung und überflog die Annonce der Familia. „Ah, hier steht doch auch sie suche einen Mann…“

„Aber sie schreibt auch von einer Verbindung vor den Göttern. Da könnte sie auch Rahja meinen…“

Auch wenn Yedra wusste, dass Corvara schon immer auch dem weiblichen Geschlecht zugewandt war, überraschte es sie doch, dass ihre Tochter in Gedanken womöglich auch ein Rahja-Bündnis mit einer Frau in Betracht zog – und nicht nur zeitweilige Gespielinnen zum Vergnügen. Und sie wusste auch, dass es schwer war, ihre Kinder von etwas abzubringen, wenn diese sich mal etwas in den Kopf gesetzt hatten. Mit einer etwas ernsteren aber einfühlsamen Stimme fragte sie deshalb nach. „Ist es das was du dir vorstellst? In einer solche Verbindung könntet ihr womöglich keine legitimen Erben zeugen…“

Jetzt war es an Corvara in Lachen auszubrechen. „Und Vater würde da sicher an die Decke gehen.“

„Dass er keine Enkel von dir erwarten könnte, wäre sicher kein leichtes Thema“ meinte Yedra leichtfertig und malte sich aus, wie ihr Mann wohl reagieren würde.

„Ja, ich wäre aber nicht die erste Baronin, die eine Frau an der Seite hat.“ Corvara lehnte sich etwas zu ihrer Mutter. „Ich habe gehört, dass die ehemaligen Baroninnen von Dubios, Domna Eshila und ihre Nachfolgerin Domna Siam auch den Ritt auf einer Stute dem auf einem Hengst bevorzugt haben.“

„Wieso Stuten?“

Yedra und Corvara zuckten zusammen als plötzlich Salvestro hinter ihnen aufgetaucht war. Blut schoss in Corvaras ansonsten milchig weiße Wangen und malte dort heiße Kreise.

„Wieso sollte man Stuten Hengsten vorziehen?“ Salvestro rutschte neben seine Schwester auf die Bank, schnippte sich ein Staubkorn von der Schulter und schnaubte abfällig. Sichtlich amüsiert schüttelte er den Kopf. „Schwesterchen, tue mir den Gefallen und versuche es mit einer deiner verweichlichten Stuten. Das will ich sehen!“

Während sich Corvaras Augen weiteten und ihr Mund unwillkürlich aufklappte, war Salvestros Blick jedoch war auf den Yaquirblick gerichtet, den er ihr aus der Hand nahm und betrachtete. Sie schluckte angestrengt. Etwas hilflos blickte Corvara zu ihrer Mutter. Salvestro schaute hoch. „Als könntest du damit durchkommen.“

Unter Corvaras Auge zuckte ein Muskel. Wusste ihr Bruder über ihre Vorlieben Bescheid und deutete eben an, dass er sie gerne dabei beoba… - nein. Sie verbat sich allein den Gedanken. „Wie bitte?“, erwiderte sie – jedoch klang ihre Stimme leiser und weniger erbost als sie es eigentlich vorhatte.

Salvestro verdrehte die Augen. „Ernsthaft? Wovon träumst du nachts?“

Oh bei den Zwölfen! Corvaras Finger krallten sich in ihren Rock. Sie war kurz davor, ihrem Bruder an den Hals zu springen. Dass er die Chuzpe hatte, sie so damit aufzuziehen – vor Mamá.

„Mit einer deiner Stuten zum Pferderennen. Mach dich nicht lächerlich. Deine Stute könnte meinem Hengst im Rennen niemals gleichkommen.“

„Pferderennen?“, echote Corvara irritiert und biss sich im nächsten Moment auf die Zunge, weil sie wusste, dass sie gerade einen Fehler begangen hatte.

Ihr Bruder zog die Augenbrauen zusammen und fragte nach einem Augenblick Stille: „Wovon habt ihr gesprochen, wenn nicht von dem Rennen?“

„Natürlich von desgleichen“, sagte Yedra. „Was für eine törichte Frage.“ Die Frau beugte sich zu ihrem Sohn hinüber und zupfte an der Zeitung.

Salvestro hielt die Zeitung jedoch fest. „Und da willst du teilnehmen?“ Sein Blick verriet, dass er das für keine gute Idee hielt. Dennoch atmete Corvara erleichtert aus.

„Warum auch nicht?“, funkelte sie dann zurück. „Neulich in den Norbaster Hügeln habe ich dich doch um Längen geschlagen.“

Salvestro verzog das Gesicht. „Da hat mein Gaul ja auch gelahmt, hatte sich an einer Fessel verletzt. Das zählt gar nichts! Vielleicht sollten wir uns beide anmelden. Dann wissen wir, wer von uns der bessere Reiter ist.“

„Ja, vielleicht sollten wir das!“, giftete Corvara zurück.

„Na dann ist das ja gesetzt.“ Salvestro grinste siegessicher. „Und darf ich die Damen jetzt zu den Pferden begleiten, oder auf was warten wir hier noch?“

„Reite doch schon mal voraus, mein Sohn“, schlug Yedra vor. „Wir müssen uns noch über die Einrichtung des Musikzimmers unterhalten“.

„Wie es den Damen beliebt.“ Salvestro erhob sich, verneigte sich kurz und spazierte mit dem Yaquirblick in der Hand in die Hacienda zurück.

„So hatte ich das nicht geplant.“ Corvaras Blick war nicht zu deuten.

„Du musst dich ja nicht anmelden“

„Und ihm den Eindruck vermitteln, ich würde mich nicht trauen oder hätte Angst? Niemals!“

„Dann lass uns doch alle Stuten ansehen. Vielleicht ist Blea ja eine Option. Die ist schnell und spitzig.“

„Ja, und dann wird geübt. Der wird noch sehen, was ich kann“.

Salvestro musste grinsen, als er auf seinem Rappen auf dem Waldwachter Stieg in Richtung Bangour ritt, gefolgt von einigen Knechten und Mägden und einem ihrer Hunde. Natürlich war ihm klar gewesen, über was gesprochen wurde. Als hätte seine Schwester ihre ständig wechselnden Gespielinnen in der vergangenen Tristeza verheimlichen können. Außenstehende wussten zwar so gut wie nichts darüber, was sich hinter den Mauern des Familienanwesens abspielt, doch ihm entging so leicht nichts. Den Yaquirblick hatte er jedoch nicht nur für die Anmeldung zum Selkethaler Pferderennen mitgenommen. Ihn faszinierte doch auch diese Usanza von Culming. Wenn seine Mutter Recht hatte, dürfte sie in etwa in seinem Alter sein. Zwar hatte er noch keinen Druck, sich schnell zu verheiraten, aber was schadete es denn, sich die interessierte Domnatella genauer anzuschauen? Neben den Rahjafreuden sollte ja auch sonst viel stimmen, wenn man sich für einen Bund vor den Göttern entscheidet. Vater war noch für die Rahja-Feiertage für Geschäfte in Punin. Ohne Grund alleine gen Blumenau zu reiten kam nicht in Frage. Einen Brief per Bote mit einer freundlichen Antwort zu schicken wäre auf jeden Fall möglich. Aber vielleicht würde die mysteriöse Domnatella ja auch beim Pferderennen zugegen sein…