Chronik.Ereignis1036 Besuch im Vanyadâl 35

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Kaiserlich Selaque, 12. Tsa 1036 BF

Auf der Straße zwischen Selaque und Schrotenstein, vormittags

Autor: Lindholz

Wieder einmal geriet die Kolonne ins Stocken. Mit einem Seufzen schlang Amaros den Mantel enger um sich und lenkte Azucar neben den vordersten Wagen. Erfreulicherweise hatte er sein Ross in den Stallungen der Reichsvögtin aufgefunden und wieder in Besitz genommen. Mit dem edlen Tier hätte er schon längst Schrotenstein erreichen können, doch es widerstrebte ihm, in diesen Landen wieder alleine zu reisen. Die Wagen, begleitet von acht Männern und Frauen im Dienste der Praioskirche, würde kein götterfürchtiger Mittelreicher angreifen - dessen war er sich gewiss. Und so fühlte auch er sich wesentlich geschützter. Dieser Schutz mochte ihn Tage kosten, aber nicht sein Leben. Ein Blick nach hinten verriet dem jungen Zauberer, wie sehr sich die edlen Tempelritter damit abquälten, einen der schwer mit den Gütern der da Vanyas beladenen Wagen aus einem Schlammloch zu befreien, in das die linke Seite abgedriftet war. Der vorderste der Wagen bereitete dem kleinen Trupp deutlich weniger Probleme - trotz des nicht unerheblichen Gewichts seines unfreiwilligen Passagiers.

"Noch etwas Geduld, Euer Hochgeboren, ich bin sicher, auf die Mannen seiner Eminenz wird auch in diesem Fall verlass sein und ihr werdet Ragath sicher erreichen", erklärte Amaros von Lindholz als das feiste Gesicht der Reichsvögtin sichtbar wurde, "Ich hoffe, Ihr seid der beschwerlichen Reise und meiner Anwesenheit noch nicht überdrüssig."

"Spart Euch Eure höhnischen Worte. Der Fürst der Götter wird eines Tages über Euer verdorbenes Blut richten und im Angesicht seiner Wahrheit wird Eure verräterische Zunge verdorren wie ein Blatt im Herbst." Praiosmin von Elenta hatte ihren Hochmut schnell wieder gefunden, nachdem sie dem gestrengen Blick des Großinquisitors entkommen war.

"Wie Ihr meint, Euer Hochgeboren", gab Amaros zurück, "Doch ich frage mich, ob Ihr ein milderes Urteil zu erwarten habt; in dieser Welt wie in der nächsten."

Die blitzenden Schweinsäuglein verschwanden wieder hinter den dicken Vorhängen des Gefährts und dem jungen Adligen blieb nichts als schweigend abzuwarten, wenn er nicht mit einem Faltenwurf zu reden gedachte.


Autor: SteveT

"Pssst! Colonello! Ich glaube, sie kommen!"

Boronello von Kupfertann, der Hofjunker der zur Zeit Wachdienst hatte, winkte Filippo di Lacara zu, er möge zu seinem verdeckten Aussichtspunkt kommen, von dem aus man mehrere Meilen des Briesacher Höhenweges einsehen konnte - einer gewundenen Passstraße zwischen dem gleichnamigen Ort am Schwarzen See in Schrotenstein und dem Kaisergut Selaque, die die meiste Zeit über den Kamm der Hügelkuppen der Ausläufer des Raschtulswalls führte.

Der ehemalige Commandante des kaiserlichen Banners der Hofjunker, der dieses auch heute noch - oder vielmehr gerade jetzt - befehligte, da es offiziell unehrenhaft aufgelöst worden war und viele seiner ehemaligen Mitglieder nunmehr in kaiserlicher Ungnade standen, lief gebückt zu seinem Gefolgsmann hinüber und spähte mit ihm durch die Zweige des Dickichts, das sie komplett verbarg. Tatsächlich näherte sich aus der Richtung in die Boronello zeigte eine kleine Kolonne aus vier Reisewagen, jeder davon von zwei Rössern gezogen. Zwei Personen ritten dem Wagenzug voraus, eine weitere Person - diese mit einer bannerbewehrten Lanze bewaffnet - folgte ihm hintendrein.

"Juanito!", winkte Filippo di Lacara auch seinen Vetter zu sich, damit er die Wagenkolonne ebenfalls in Augenschein nehmen konnte. "Wie dein Cumpan prophezeit hat ... es scheinen nur wenige Wachen zu sein", grinste Filippo vorfreudig.

"Hm, ich glaube auf jedem Kutschbock hockt neben dem Kutscher ein Goldfass in Eisen", bremste Juanito ein wenig seine Vorfreude.

"Und ist der eine der Reiter, der vorneweg reitet, nicht möglicherweise ein Magus? Sein Stecken sieht so merkwürdig aus", argwöhnte Boronello.

"Ein Magus bei einem Wagenzug der Heiligen Suprema ... wo hat man sowas schon gehört?", lachte ihn Azzato von San Owilmar aus, der ebenfalls dazugekommen war.

"Vieles ist sehr seltsam dieser Tage!", entgegnete Boronello ernst.

"Wir werden sie uns direkt unter uns greifen!", entschied Colonello Filippo und deutete mit einem Kopfnicken auf das Wegstück, das unter ihnen lag. Azzato musste zugeben, dass die Stelle für einen Hinterhalt perfekt gewählt war. Auch wenn die Hofjunker früher bei den gemeinen Gardisten den Ruf eines "Gecken-Regiments" genossen hatten, das vor allem Repräsentationszwecken diente und in das man nur mit äußerst blauem Blut aufgenommen werden konnte, schienen doch so einige mit militärischer Bildung darunter zu sein. Sie konnten versteckt aus einem Tannenwäldchen, zwanzig Schritt über der Straße, hangabwärts angreifen, während es direkt hinter beziehungsweise jenseits der Straße vierzig Schritt steil bergab ging. Keiner der Wagen konnte also auf der Flucht die Straße verlassen.

"Bereitet unsere hübschen Schneebretter vor, die wir wie einen Firunschlag in sie hinein donnern lassen werden!", befahl Filippo seinen Leuten.

"Was? Seid Ihr verrückt?", fragte Azzato entsetzt, dem dieser Teil des Plans ganz neu war. "Schneebretter könnten die Wagen den Abhang hinunter reißen! Denkt daran, dass ich meine Herrin befreien will - ich will nicht ihre Überreste drunten im Tal aufsammeln."

"Genau das ist aber mein Plan!", grinste der Colonello. "Die Wachen stürzen ja mit ab! Mich interessieren nur die Schätze auf den Wagen. Deine Herrin wollte uns fangen und hängen lassen! Wenn sie den Wagensturz und Überschlag überlebt, dann bringe sie besser schnell in Sicherheit, ehe sie meinen Leuten und mir in die Hände fällt! Die Schätze interessieren uns mehr - aber wenn ich die bosquirische Jungfer in die Finger kriege, dann ergeht es ihr schlecht, Compadre!"

Azzato blickte entsetzt zu Juanito, aber der zuckte nur mit den Achseln und nickte dabei zu den Worten seines Vetters: "Wir haben alle einen Eid geschworen. Einjeder für das Banner - das Banner für einjeden. Du weißt ..."

Einen kurzen Moment dachte Azzato daran, die Sache auffliegen zu lassen und zum Beispiel Lärm zu machen, ehe die Wagen heran waren. Aber letztendlich waren die Wachen der Suprema, die seine Herrin zu ihrem sicher verhängnisvollen Prozess eskortierten, noch mehr seine Feinde als diese Gesetzlosen und Vogelfreien. Vielleicht ging die Sache ja gut aus, sollten sie sich die Schätze der verfluchten Da Vanyas holen. Er selbst würde von Domna Praiosmin für ihre Befreiung reich belohnt werden, wenn man erst wieder diese Pfaffen aus Albacim hinaus gejagt hatte.

Azzato zog sein Rapier und ging neben Juanito in Position. Auch alle anderen der verfehmten Hofjunker verteilten sich an die Stellen im Wald, die ihnen der Colonello zugewiesen hatte. Aus viel Schnee, Steinen und Schlamm hatten sie tatsächlich mannshohe Kugeln geformt, die wohl Firunschlägen gleich, den Hang hinunter gerollt werden sollten. Dom Filippo hob seine behandschuhte Linke als Zeichen, noch zu warten, bis die Wagen wirklich fast direkt unter ihnen waren. Azzato hoffte, irgendetwas von Domna Praiosmin zu erblicken, um wenigstens zu wissen, welchem der schweren Planwagen er sich zuwenden sollte. Er sah nichts von ihr, wohl aber jemand anderes, den er beim Näherkommen erkannte - der eine Bursche, der dem Zug vorausritt, war das nicht tatsächlich jener naseweise Magus aus dem Yaquirtal, den seine Herrin wohlweislich eingekerkert hatte? Wieso aber sollte ausgerechnet die Inquisition einen Zauberer befreit haben?

Ehe er den Gedanken zu Ende führen konnte, senkte der Colonello ruckartig seine Hand und die ersten beiden Schneebretter krachten hangabwärts, den Kutschen entgegen.


Autor: Lindholz

Der Hang war unter der Schneeschicht, die ihn bedeckte, bewachsen, doch das Strauchwerk konnte das Gemisch aus Geröll und Schnee nicht aufhalten. Die schmalen Zweige und mickrigen Stämmchen gaben unter der herabrasenden Masse nach oder wurden gar mitgerissen und setzten so weitere Erde und Schnee frei. Als die ersten Warnrufe erschallten und Amaros von Lindholz den Kopf den Hang hinauf wandt, hatte sich der Einflussbereich der Schneebretter schon enorm verbreitert. Mit voller Wucht traf die Naturgewalt die ersten beiden Wagen der Kolonne und riss den hinteren der beiden, ohne an Fahrt zu verlieren, den Abhang hinab. Die Laute der in Panik geratenden Pferde klangen schrill und vermischten sich mit den Schreien der Menschen. Der Kutscher versuchte noch, mit einem beherzten Sprung zu entkommen, doch er konnte auf den in Bewegung befindlichen Boden keinerleich Halt finden und wurde ebenso von der Tiefe verschluckt. Auch um die Kutsche der Reichsvögtin war es kaum besser bestellt: Langsam aber stetig wurde das Gefährt zur Seite gedrückt und befand sich bereits in einer gefährlichen Schräglage. Die kräftigen Zugtiere stemmten sich gegen ihr Schicksal, mehr der Panik als der Peitsche des Fuhrmannes folgend, und brachten das Gespann schließlich in ein fragiles Gleichgewicht, das jedoch durch jede noch so kleine Bewegung des Untergrundes zerstört zu werden drohte.

Der Magier nahm sich aber nicht die Zeit, den Ausgang dieses Schicksalskampfes abzuwarten. Er trieb sein Pferd an, dem Einflussbereich der Schneemasse zu entkommen und hätten ihm nicht die Rufe der Kirchenkrieger und sein Instinkt schon darauf hingewiesen, so bestätigten ihm spätestens seine Augen, dass dieser Zwischenfall kein Werk der grimmigen Laune Firuns war: Dort oben bewegten sich Menschen - nein, keie Menschen - gottloses Gesindel! Was war nur mit den Bewohnern dieser Lande geschehen, das sie nur die Sprache der Faust zu sprechen schienen und darüber gar die Gebote der Zwölfe vergaßen? Amaros konnte später darüber philosophieren! 'Ich werde hier nicht sterben!', schwor er sich und hieb Azucar die Sporen in die Flanken. Mochten sie ihn feige nennen, doch lieber versuchte er, Hilfe zu finden, statt hier in falschem Heldenmut sein Leben zu lassen. Irgendwo in Schrotenstein musste es doch noch rechtgläubige Frauen und Männer geben!


Autor: SteveT

"Attencion!", rief der Hofjunker Girolamo von Valposruh, der die Lawine buchstäblich ins Rollen gebracht hatte. "Einer will Reißaus nehmen!" Er deutete auf den entfleuchenden Amaros von Lindholz.

Einer der Hofjunker nahm seinen Bogen vom Rücken, zog einen Pfeil aus dem Köcher und zielte auf den Fliehenden, aber Azzato von San Owilmar fiel ihm in den Arm. "Lasst ihn reiten! Umso besser für uns, denn ich erkenne den Kerl! Er ist ein Zauberer, den meine Herrin wegen Schwarzhexerei eingekerkert hatte. Warum man sie wie eine Gefangene in einen Wagen pfercht, der Zauberer aber frei einen Wagenzug der Suprema anführen darf, weiß nur der Ober-Pfaffe allein..."

"DRAUF!", brüllte Filippo di Lacara, der ihm gar nicht zugehört hatte, weil er seinen Männern voran den Abhang hinunter stürmte. "Schnappt euch das Gold und alles, was euch sonst von Wert erscheint! Keine Gnade mit denen, die euch aufhalten wollen!"

Dom Azzato und Juanito di Dubiana beeilten sich, ihm zu folgen.

"Ein Hinterhalt!", schrie der Kutscher von Domna Praiosmins Kalesche, die - von einer großen Schneekugel getroffen - mit anderthalb Rädern über dem steilen Abgrund hing. Der Kutscher sprang auf der anderen Seite vom Kutschbock herunter, direkt vor die Füße von Azzato und Juanito, die schneller, als ihnen lieb war, den Abhang herab geschlittert kamen. "Was wird das, ihr Briganten-Pack? Ihr wisst wohl nicht, dass ich einen Passagier für den Großinquisitor höchstpersönlich fahre? An eurer Stelle würd ich ganz schnell ..."

"Halt's Maul!", unterbrach ihn Azzato und rammte dem gurgelnd rückwärts taumelnden Mann seinen Linkhand bis zum Heft in den Hals. Dummerweise prallte der dumme Tropf dabei gegen die Kutsche, die sich noch weiter über den Abhang neigte. Die beiden vorgespannten großen Kaltblut-Rösser wieherten panisch, eines stieg auf die Hinterbeine.

"Hau die Geschirrseile der Pferde durch!", rief Juanito di Dubiana seinem Cumpadre zu, der den grässlich verletzten Kutscher grob am Wams von dem Wagen wegzerrte und ihm mit einem Rapierstich den Rest gab.

"Schützt die Wagen!", brüllte der Ordensritter Ucurio von Ragath, der für gewöhnlich die Leibgarde Seiner Eminenz Amando Laconda da Vanyas befehligte.

Dummerweise war er hier an diesem Ort der einzige Ritter des Bannstrahlordens. Die anderen Wachen waren lediglich ungeweihte Laien-Waffenknechte der Suprema oder sogar nur Büttel von Burg Albacim, die der Großinquisitor zur Bewachung des Zuges abkommandiert hatte. Entsprechend dumm stellten sie sich auch im Kampfe an, während die Angreifer trotz ihrer langen Haare und Bärte und ihres zerlumpten Äußeren allesamt erfahrene Fechter zu sein schienen.

"Holla, ihr da! Zu mir!", rief Dom Azzato drei jungen Maiden und Burschen im grünen Waffenrock Selaques am Ende des Wagenzuges zu. "Helft mir, Eure Herrin zu erretten!"

"Dom Azzato?", rief eine von ihnen erleichtert, froh im Kampfgetümmel ein vertrautes Gesicht zu entdecken. Vielleicht mussten sie hier doch nicht alle sterben, sondern es gab irgendwie einen Ausweg.

"Kämpft! Verteidigt die Wagen, ihr Elenden!", brüllte Ucurio von Ragath mit der Stimme, die befiehlt, der sich hoch zu Ross von zwei Seiten durch Filippo di Lacara und einen weiteren Hofjunker bedrängt sah. Ein anderer warf ihm ganz unritterlich aus kürzester Entfernung einen Ball aus Schnee, Eis und Stein ins Gesicht, und der kurze Moment der Unachtsamkeit genügte Filippo di Lacara, um dem Gerüsteten sein Rapier durch die ungepanzerte Armbeuge in den Leib zu stechen.

Gierig riss er die Tür der zweiten Chaise auf, während seine Gefolgsleute auf den vom Pferd stürzenden Ordensritter einstachen, bis er sich nicht mehr rührte und den Schnee um sich herum blutrot färbte. Im Inneren der Chaise fand Filippo mehrere Truhen und kleinere Schatullen vor. Vorfreudig grinsend riss er die erste davon auf - aber was war das? Sie enthielt Bücher, nichts als zehn oder zwölf ledergebundene Bücher in einer Sprache, die er nicht kannte. Er öffnete wütend die nächste Truhe - darin war zumindest ein güldenes Weihrauchpendel und ein Gürtel in der gleichen Farbe mit diesen Sphärenkugeln daran, wie sie die Praiospfaffen trugen. Vielleicht von Wert - aber wie sollte er so etwas in einem der Dörfer der Umgebung zu Geld machen?

Filippo di Lacara konnte seine Enttäuschung nicht verbergen. "Orksch! Was ist das für ein wertloser Scheißdreck, den die transportieren, als wären es die Kleinodien des Almadanerkönigs?" Der dritte Wagen enthielt nur Möbelstücke und zwei große Gemälde, die eine Gruppe dummglotzender Personen zeigte, die ihm völlig unbekannt waren - vermutlich war dies diese unselige Da-Vanya-Sippe, von denen Juanitos Cumpadre gesprochen hatte. Wütend stach er mit dem Rapier ein paar Mal in die Gesichter der abgebildeten Personen - wenn sie für ihn keine verwertbaren Schätze zu bieten hatten, dann sollten sie selbst an ihrem Plunder auch keine Freude mehr haben.

"Colonello!", rief ihn Radamel di Siguenza zu sich, der sich den vierten und letzten Wagen vorgenommen hatte. "Seht Euch das an!" Er schleppte eine güldene Monstranz, das Bildnis eines hockenden Greifens, so groß, dass der Großteil von Radamels Oberkörper dahinter verschwand. Und das alles offenbar aus purem Gold! Filippo di Lacara pfiff anerkennend durch die Zähne: "Nicht gerade unauffällig das Ding. Aber von dem Gold allein könnten wir alle ein Jahr lang in den besten Gasthäusern des Horasreichs leben! Jemand soll dir tragen helfen, das Vieh nehmen wir auf alle Fälle mit!"


Autor: SteveT

Etwa eine Meile weiter östlich näherte sich eine geschwinde Reiterin auf dem Briesacher Höhenweg, die aus der entgegengesetzten Richtung kam, aus der des namensgebenden Dorfes in Schrotenstein. Rifada da Vanya mühte sich, ihre Fassung wiederzufinden, die ihr mit der Nachricht vom Tod ihrer Tochter und Erbin abhanden gekommen war. Aber es gelang ihr nicht.

Trotz ihres aufgewühlten Zustandes war sie allerdings nicht benebelt genug, um nicht zu bemerken, dass sie verfolgt wurde. Irgendwer folgte schon kurz nach ihrem Aufbruch aus Norderwacht ihrer Spur mit einem Abstand von ein bis zwei Meilen. Wann immer sich der Höhenweg auf einen der namensgebenden Hügel von teilweise beträchtlicher Höhe hinauf schwang, konnte sie von oben auf der Hügelkuppe ihren Verfolger oder ihre Verfolgerin im schneeweißen Talgrund sehen. Ob es ein von den Harmamunds gedungener Mörder war? Es war ihr im Moment einerlei - sie gehörte rondraseidank nicht zu den Hänflingen, denen schon ein einzelner Gegner Sorge bereiten musste. Erst musste sie Praiosmin in die Finger kriegen! Sie hoffte, dass sie Amandos Nachricht an Lucrann richtig deutete und dass man sie auf diesem Weg zum Hoftag gen Ragath schaffte.

"Nur das Blut kann sühnen, was das Blut verbrach!", rezitierte sie im Geist die uralte Losung, die sie wie jede gute Almadanerin schon mit der Muttermilch aufgesogen hatte.

Es war zwar schon ein paar Jahre her, seit sie diesen Weg das letzte Mal genutzt hatte, aber wenn sie ihr Orientierungssinn nicht betrog, dann war sie bereits wieder im heimatlichen Selaque. Mit einem Male bemerkte sie, dass sie nicht nur verfolgt wurde, es kam ihr auch ein einsamer Reiter entgegen, der dafür, dass der kurvenreiche Pfad vereist und rutschig war und oftmals an steilen Abhängen entlangführte, viel zu schnell unterwegs war. Rifada zog ihr Bastardschwert und verstellte ihm mit ihrem Pferd den Weg. Umso näher er kam, umso mehr kam ihr etwas an ihm bekannt vor. War das nicht ... ja, das war doch dieser Yaquirtaler Magus von Stand, der mit einer Nachricht für Richeza auf ihrem Castillo aufgetaucht war, als diese ganze neuerliche Malaise ihren Anfang genommen hatte. "Ihr, Dom ...?" Sein Name war ihr entfallen, da sie damals nicht damit gerechnet hatte, ihn noch ein weiteres Mal zu treffen. "Was sucht Ihr noch immer hier in unserem Landstrich? Und vor allem: Habt Ihr sonst noch jemanden gesichtet? Vielleicht einen größeren Zug auf dem Weg vom Markt Selaque hierher?"


Autor: Lindholz

"Domna Rifada, welch Glück, dass ich Euch treffe!", rief Amaros von Lindholz der adligen Reckin zu und brachte sein Roß zum Stehen, welches mehr als dankbar ob dieses Umstands zu sein schien. "Der Wagenzug, von dem ihr sprecht, ist keine Meile von hier in einen Hinterhalt geraten. Wegelagerer, keine Barbaren aus den Bergen, doch mit ebensowenig Respekt vor der Kirche. Ich bin auf dem Weg, um in Schrotenstein Bericht zu erstatten und Hilfe zu ersuchen."


Autor: von Scheffelstein

Der Wind hatte zugenommen und blies Abelardo Mansarez von Leuendâl direkt ins Gesicht. Obwohl er sich ein Wolltuch um Nase, Mund und Hals geschlungen hatte, stachen feine Eiskristalle in seine Haut, die vom verharschten Boden aufstoben. Trotz der Kälte rann der Schweiß dem alten Kämpen den Nacken hinunter. Die Vanyadâlerin war beinahe ohne Pause geritten, und selbst, als sie gerastet hatte, hatte er sie nicht eingeholt, da er die Spur verloren hatte und erst im Morgengrauen auf ihr Lager gestoßen war. Er selbst hatte kaum geschlafen, nur einmal war er im Sattel eingenickt und erwacht, als er vom Pferd zu rutschen begann. Die Müdigkeit brannte ihm in den alten Knochen, aber er hatte nicht aufgeben wollen, zu wichtig erschien es ihm, die Fehde nicht auf die Grafschaft übergreifen zu lassen, ja, selbst: die nächste Bluttat möglicherweise ganz zu verhindern.

Keuchend hielt Abelardo einen Moment inne und beschirmte die Augen mit der Linken. Da, weiter oben auf dem verschneiten Weg, sah er die Junkerin. Sie hatte ihr Pferd angehalten und sprach mit einem Reiter. Abelardo trotzte der Erschöpfung und trieb sein Ross erneut zur Eile an.