Chronik.Ereignis1036 Besuch im Vanyadâl 33
Mark Ragathsquell, 10. und 11. Tsa 1036 BF
Castillo Quazzano, am Abend des 10. Tsa
Autor: SteveT
"Meister Praiolob! Draußen ist eine Reiterin am Tor. Sagt, sie sei eine Streiterin des Fürsten. Sie will zwei Wagen haben, um eine hochgestellte Verletzte hierher bringen zu können - und wohl auch einige Tote zum Begraben ...", berichtete Selanus, der junge Torwächter, dem altgedienten Secretair des Großinquisitors.
Dieser nahm seine Vinsalter Sehgläser ab und legte mit tadelndem Blick seinen Gänsekiel beiseite. Praiolob, der selbst vor über vierzig Jahren die niederen Weihen des Götterfürsten empfangen hatte, schätzte solche unwillkommenen Unterbrechungen und Überraschungen gar nicht. Er arbeitete gerade an einer kalligraphisch anspruchsvollen Abschrift eines Breviers von der Hand der Fürstprima und Sonnengebieterin Praiana höchstselbst - einer direkten Ahnin seines Herrn, weshalb sich dieses kostbare Werk auch in Amando Laconda da Vanyas Privatbesitz befand und für den Sonnentempel zu Ragath dupliziert werden sollte. Gerade gestern hatte sich Hochwürden Tsaya di Lacara vor ihrer Abreise noch nach dem Stand der Abschrift erkundigt, und nun störte der Jüngling wegen solcher Nichtigkeiten.
"Sag Ihr, wir haben hier keine Wagen! Nur die Pferdesänfte seiner Eminenz, mit der der Illuminatus aber gerade in Selaque weilt. Sie soll bei den Bauern in Grioli fragen, die haben sicher irgendwelche Mistkarren. Der Koch soll ihr etwas Suppe geben, wenn sie vorher etwas essen möchte. Und jetzt lass mich weiter arbeiten!" Er nahm den Gänsekiel wieder auf. Als ob diese gräfliche Soldateska, die vor vier Tagen das halbe Schloss auf den Kopf gestellt hatte, nicht genug Unbill gewesen wäre ...
"Äh ... äh ... verzeiht, Euer Gnaden. Aber es handelt sich bei der Blessierten möglicherweise um Domna Belisetha - die Schwester unseres Herrn! Ich habe das nicht so genau verstanden ...", gestand Selanus und starrte schamhaft zu Boden, wo er - wie ein junger Gaul von einem Bein auf das andere tretend - müßig sein Schuhwerk vernutzte.
"Waaas? Und das sagst du erst jetzt, törichter Einfaltspinsel? Die Diener sollen meinen Mantel und mein Maultier bereithalten. Die Reiterin möge mich zu der Verletzten führen. Und vier Knechte sollen uns mit Decken begleiten. Los, los! Hol' sie alle aus den Betten!"
Im Grafenwald, am Abend des 10. Tsa
Autor: Der Sinnreiche Junker
Schwer atmend ließ Condottiere die Zipfel des Umhanges sinken. Sein abgehackter Atem zeigte sich als helle Wolke vor seinem Antlitz im fahlen Licht des Madamals. Glücklicherweise war die alte Dame nicht allzu schwer, doch das nächtliche Stapfen durch den Schnee forderte dennoch seinen Tribut. "Wechsel", keuchte er, und der bei ihm verbliebene Gardist übernahm nun die Rolle des Zugtieres.
"Wie lange kann es wohl dauern zwei Wagen anzuspannen?", murrte der Mann, und der Baron und Junker war geneigt ihm beizupflichten. So langsam sollte wirklich Hilfe vom nahen Quazzano eintreffen, zumindest aber die geschickte Gardistin zurück sein, um selbige wenigstens anzukündigen. Oder war die Reiterin auf der kurzen Wegstrecke womöglich den gleichen Wegelagerern zum Opfer gefallen, wie zuvor die Familia da Vanya samt den sie begleitenden Harmamunder Reisigen? Wobei man seit Menschengedenken nichts mehr von Briganteros in der Mark gehört hatte. Konnte es sich um eine Falle Domna Morenas handeln? Keinen Wimpernschlag glaubte er ihre Geschichte von vorhin, dass sie die da Vanyas längst auf den Weg geschickt hatte, ehe die Taube ihres fürstlichen Onkels eingetroffen war. Andererseits hatte er die Capitana flüchtig gekannt, sodass niemand sagen konnte, man hätte einfach irgendwelche Toten in Harmamunder Waffenröcke gesteckt, um das Ganze wie einen Unfall aussehen zu lassen.
Nachdenklich strich er sich über das unrasierte Kinn, wie er es gerne tat, wenn er nachdachte. Unwillkürlich stellte er fest, dass seine Rechte sich ganz automatisch an den Griff des Degens gelegt hatte. Mierda, wo war er da nur wieder hinein geraten? Vielleicht hatte Rondrigo vom Eisenwalde recht, und man sollte diese Angelegenheit wirklich ein für alle mal klären. Sein Blick fiel auf die in Umhänge gewickelte Domna Belisetha, die noch immer ohne Bewusstsein war, und lediglich ab und an, wenn doch durch die Schneedecke einmal ein Schlagloch oder eine Baumwurzel zu spüren war, ein leises Stöhnen von sich gab.
Er wusste nicht einmal was er sich wünschen sollte. Er hob den Kopf und blickte einen Moment ans Firmament, so als hoffte er, dass die Götter ihm ein Zeichen geben würden. Doch hatten schon frommere Menschen als Hernán von Aranjuez vergeblich auf einen Fingerzeig aus Alveran gehofft. Da ertönte plötzlich das Wiehern eines Rosses in nicht allzu weiter Ferne. Der Schnee musste den Hufschlag gedämpft haben...
Autor: Steve T
"Ich hoffe, Ihr führt uns nicht in die Irre, junge Frau", ermahnte Meister Praiolob die junge fürstliche Gardereiterin, die ihm und seinem Grautier vorausritt. "Mit solchen Dingen spasst man nicht! Ich habe ein wichtiges Buch für die Heilige Kirche abzuschreiben, auf das man bereits in höheren Weihegraden wartet und außerdem gehe ich zur Nachtzeit nie in den Wald! Es ist gefährlich! Bei dieser Witterung kommen hungrige Bären und Berglöwen aus dem Gebirge herab, um sich im Flachland Nahrung zu suchen - von menschlichem Räubergesindel gar nicht zu sprechen!"
"Räuber? Bären? Berglöwen?", wiederholte einer der vier Diener flüsternd zu seinen Kameraden, die dem alten Secretair des Illuminatus nur widerwillig gefolgt waren, der sie aus den Betten hatte holen lassen. "Ich sage, wir sollten besser umkehren, so lange wir noch können! Nur Narren gehen nachts im Winter in den Wald!"
"Dom Hernán von Aranjuez, der uns anführt, trug mir auf, Hilfe herbeizuholen, um eine verletzte alte Edeldame und die Gefallenen eines Kampfes zu bergen, die wir hier im Wald vorgefunden haben. Ich hätte eigentlich zwei Wagen herbei holen sollen ..." rechtfertigte sich die Gardereiterin.
"Wie ich schon sagte, meine Tochjter - wir habven auf dem Schloss keine Wagen, denn wir sind ja keine Bauern, die ihre Ernte einholen müssen oder dergleichen. Seine Eminenz bevorzugt das Reisen in einer Pferdesänfte, manchmal reitet er sogar noch ein Stückchen selbst. Im Dorfe Grioli hättet ihr vielleicht Wagen bekommen - aber der Ort untrersteht nicht uns, sondern teils dem Hause Ragathsquell, teils den Harmamunds. Wo ist denn nun Euer Anführer, der Euch zu uns geschickt hat?"
Er verstummte, als die junge Reiterin die Hand hob. Auch die marrschierenden Diener hinter ihm blieben stehen und hielten den Atem an. Da kam ihnen jemand in der Dunkelheit entgegen!
"Dom Hernán? Seit Ihr es, Commandant?", rief die Reiterin vorsichtig, eine Hand an ihrem Säbel. Auch Meister Praiolob tastete nach dem langen Messer, dass er zur Sicherheit, versteckt unter seinem Mantel, mitgenommen hatte.
Autor: Der Sinnreiche Junker
Der Angerufene hatte die Hand ohnehin schon am Degengriff, und routiniert griff sich die Linke die Scheide und drehte sie ein wenig zur Seite, sodass er problemlos die schlanke Klinge einen Spann weit ziehen konnte. Während Hernán von Aranjuez nach rechts vom Weg trat, ließ nun auch der bei ihm verbliebene Gardist die Mantelzipfel los und postierte sich links des Weges, es mit seinem Schwert seinem Befehlshaber gleichtuend.
Aus Macht der Gewohnheit wollte erfahrene Condottiere schon nach der Parole rufen, als ihm einfiel, dass sie gar keine abgesprochen hatten. So rief er schlicht: "Harmamund?", und Augenblicke später ertönte hinter der Biegung ein freudiges "Harmamund!" aus dem Halse der Gardistin.
"Na endlich, den Göttern sei Dank", murmelte Hernán von Aranjuez, zweifellos erleichtert, dass ihm somit etwaige Entscheidungen, über die er soeben noch nachgegrübelt hatte, abgenommen waren. "Beeilt Euch, die Domna muss endlich ins Warme!", rief er. Und ein Medicus wäre gewiss auch kein Fehler, bei aller Schlachtfelderfahrung hatten sie Belisetha da Vanya letztlich nicht mehr Behandlung angedeihen lassen können, als es ein betrunkener Feldscher vermocht hätte.
Als sein Blick freilich auf die kleine Gruppe fiel, erstarrte er. Für einen Moment blinzelte er ungläubig, dann verzog sich sein Gesicht vor Zorn. "Wo zum Henker sind meine verlangten Wagen!?", brüllte er, und auch wenn den Degen zurück in die Scheide stieß und die Hand vom Griff nahm, mochte der eine oder andere Neuankömmling schlucken, als der Baron und Junker mit ebenso schnellen wie wütigem Schritt auf sie zu stapfte.
Autor: Steve T
"Mäßigt Euch, mein Sohn!", antwortete Meister Praiolob ganz ruhig, der seine beiden Hände hob, die Handflächen Dom Hernan zugewandt - zum einen um zu zeigen, dass man unbewaffnet war, zum anderen aber auch um jenem zu verdeutlichen, dass solche Krakeelerei unangebracht war. "Wie ich der jungen Domnatella hier schon sagte, verfügen wir über keine Wagen. Ein Schloss ist kein Bauernhof! Lasst mich die Verletzte in Augenschein nehmen, Herr Baron. Es hieß, sie sei womöglich die Schwester unseres Herrn?"
Er schaute prüfend vom Magnaten zum Gardisten, der etwas - oder vielmehr jemand - hinter sich hergezogen hatte und trat dann zwischen sie, um die größtenteils unter Umhängen versteckte Liegende zu betrachten. Nach einem kurzen Moment des Rätselns, erkannte er die markante Nase und die Stirnfalten Domna Belisethas, die sie mit seinem Herrn Dom Amando gemeinsam hatte. Ihr Gesicht war, obschon sie augenscheinlich ohnmächtig war, eine Maske des Schmerzes. Hastig winkte er den vier Dienern zu, die ihn begleitet hatten. "Herbei, ihr Burschen! Helft diesem Mann! Jeder nimmt eine Ecke des Umhangs und hebt sie dann vorsichtig auf eine unserer mitgebrachten Decken, denn dieses Tuch ist völlig durchnässt. Wir müssen sie umbetten und dann nach Quazzano tragen. Es ist Domna Belisetha, die Schwester Seiner Eminenz!"
Er blickte zum Dubianer Baron: "Wo habt Ihr sie in diesem Zustand gefunden und was ist ihr widerfahren?"
Autor: Der Sinnreiche Junker
Hernán von Aranjuez blinzelte ungläubig, den Mund halb geöffnet, als ihn dieser Praios-Pfaffe dergestalt abkanzelte und einfach an ihm vorbei schritt. Glücklicherweise knirschte der Schnee unter dessen Schuhen ganz ähnlich wie die Zähne des Condottiere, sodass dieser seinen Zorn weitestgehend unbemerkt herunter schlucken konnte.
"Nur eine kurze Wegstrecke den Wald hinein. Sie und ihre Bedeckung wurden scheint's überfallen", erklärte er kühl, mit dem Daumen über die Schulter in die Richtung zeigend, aus der sie gekommen waren. "Dort liegen auch noch mehrere Gefallene, welche noch der Bergung bedürfen. Domna Belisetha war als Einzige noch am Leben, sodass wir uns so gut es geht sogleich auf den Weg gemacht haben."
Mit offensichtlicher Skepsis verschränkte er dann die Arme vor der Brust. "Ihr wollt sie doch nicht ernsthaft tragen?", schüttelte er dann auch kühl das Haupt. "Wer weiß, wie viele Knochen sich die Domna gebrochen hat. Sie muss flach liegen, die Glieder ruhig gestellt. Daher haben wir sie ja auf dem Umhang gezogen, statt sie darin zu tragen. Und darum habe ich auch nach einem Wagen verlangt, welcher, wenn Ihr Eure göttergefälligen Pflichten getan hättet, längst unterwegs sein könnte, völlig gleich woher. Wenn die Domna das nicht überlebt, dann geht das auf Euch."
Autor: Von Scheffelstein
Die junge Gardereiterin schien sich, zwischen weltlicher und kirchlicher Macht hin und her gerissen und angesichts des nicht zur Zufriedenheit ausgeführten Auftrags, unwohl zu fühlen. "Verzeiht, Euer Hochgeboren, Euer ... Gnaden? Lasst mich in dieses andere Dorf eilen und nach einem Wagen oder zweien fragen. Es geht hier schließlich um das Leben der Domna. Und die Seelen der Toten im Wald. Commandante?", warf sie dem Dubianer einen fragenden Blick zu.
Autor: Der Sinnreiche Junker
"Gewiss kennt sich ein jeder Eurer Leute hier in der Gegend besser aus", wandte sich der Baron und Junker an den Geweihten aus Quazzano. "Außerdem...", fuhr er mit Blick auf die umgebettete Domna Belisetha vermeintlich allgemein, jedoch mit hörbar spitzem Unterton fort: "...scheint in diesem Landstrich ja die Autorität gräflicher oder fürstlicher Waffenröcke nicht viel zu gelten. Nicht, dass man uns abermals ein paar Decken schickt, denn der bestellten Wagen, und so weitere kostbare Zeit verloren geht..."
Autor: Steve T
"Seid Ihr auch Heiler, Herr Baron?" fragte Praiolob mit skeptischem Blick und wandte sich dann an die diensteifrige junge Gardistin: "Nein, meine Tochter! Das würde zu lange dauern! Wir tragen Domna Belisetha schnellstmöglich heim nach Quazzano - ich werde zum Himmelsfürsten und zu seiner heilkräftigen Schwester Peraine beten, dass sie die Domna wohlbeschützen mögen und gleich bei Sonnenaufgang wird eine Taube zum Sonnentempel nach Ragath fliegen, dass man uns den besten Heiler der Stadt schicken möge! Seine Exzellenz, der Großinquisitor, wird gleichsam morgen früh aus Selaque zurück reisen, da sich die Vorfälle auf Castillo Albacim nunmehr wohlgefällig geklärt haben."
Er sah zu, wie die vier Diener übervorsichtig die greise Junkerin vom völlig durchnässten Umhang auf eine der mitgebrachten Decken umlagerten. "Was mir aber Rätsel aufgibt und Sorge bereitet, Herr Baron: Domna Richeza von Scheffelstein, die Großnichte Seiner Eminenz, ist vor über einer Woche nach Harmamund gereist, um Domna Belisetha heim zu geleiten, von der es hiess, sie würde dort.... nun ja, möglicherweise gegen ihren Willen als Gast festgehalten. Nun aber kehrt Domna Belisetha schwer verwundet von dort zurück und von Domna Richeza fehlt jede Spur. Auch von Domna Rifada übrigens, der Nichte meines Herrn, und diese wollte - wenn ich es mir genau überlege - unter anderem zu Euch!"
Autor: Der Sinnreiche Junker
"Seid Ihr es denn?", giftete der Condottiere, der in seiner militärischen Laufbahn gewiss den einen oder anderen Knochenbruch gesehen hatte. Doch hob er dann entschuldigend die behandschuhten Hände. Das Ganze war nun in der Verantwortung des Geweihten, und wenn die greise Domna verstarb, oder ihre alten Glieder noch krummer zusammen wuchsen denn zuvor, so würde es nicht Hernán von Aranjuez sein, der dafür Rede und Antwort zu stehen hätte.
So wendete er sich lieber dem anderen Thema zu: "Dom Boraccio verfolgt mit seinen Mannen die vom Schauplatz des Überfalls wegführenden Spuren. Nachdem Domna Richeza nicht unter den Gefallenen war, stammen diese wohl unter anderem von ihr. Was Domna Rifada betrifft...", zuckte er mit den Schultern "...so suchte sie mich tatsächlich Anfang des Mondes auf Aranjuez auf. Ich weiß nicht, wohin sie sich hernach wendete, doch besuchte sie wohl jüngst besagten Dom Boraccio in Khahirios."
Autor: SteveT
Castillo Quazzano, am Morgen des 11. Tsa
"Praios zum Gruße!", nickte Rohaja von Ragathsquell dem Knecht zu, der ihr das schwere, eisenbeschlagene Schlosstor geöffnet hatte. Der junge Bursche trug eine weiße Kutte, aber die Junkerstochter war sich keineswegs sicher, ob er möglicherweise ein Novize der Suprema oder doch nur ein weltlicher Laiendiener aus dem Schlossgesinde war, denn viele - wenn nicht sogar fast alle - Bewohner Quazzanos trugen Weiß. Heute sah sie durch das offenstehende Tor im kleinen gepflasterten Schlosshof aber auch andere Farben - sehr bunte Farben sogar. Waren das Landsknechte, die sich dort am Brunnen lärmend unterhielten? Jedenfalls sahen die rauen Gesellinnen und Gesellen ganz so aus. Überhaupt standen erstaunliche viele Menschen und Pferde im Hof.
Rohaja wollte nicht unhöflich sein und wandte ihre volle Aufmerksamkeit wieder dem Türöffner zu, der sie argwöhnisch von Kopf bis Fuß musterte. Sie trug zwar edle Kleidung und ritt ein edles Ross - aber mit ihrer dicken Beule mitten auf der Stirn und dem um die gebrochene Nase gebundenen Verbandstuch musste sie ja wie eine maskierte Brigantin auf ihn wirken.
"Mein Name ist Rohaja von Ragathsquell - Tochter des Junkers Talfan von Ragathsquell. Mein Vater ist ein enger Vertrauter und Gefolgsmann von Dom Amando Laconda! Könntet Ihr Seiner Eminenz ausrichten, dass ich in einer hochgradig dringlichen Angelegenheit vor Seiner Eminenz vorsprechen muss! Es betrifft die Sicherheit ganz Ragathsquells und insbesondere auch die der hiesigen Dominie, da gestern Nacht hier im Grafenwald schlimme Dinge geschehen sind - wie Ihr unter anderem an mir sehen könnt", sie wies auf ihr geschwollenes Gesicht.
"Ich bedaure", schüttelte der Lakai den Kopf, "aber Seine Eminenz ist ins Bosquirische gereist. Es kamen gestern Nacht schon andere Magnaten an, die ihn ebenfalls zu sprechen wünschten." Er wies auf die bunt gekleideten Bewaffneten, die gerade die Treppe zum Haupthaus des Schlosses emporstiegen. "Wenn es Euch genehm wäre, könnt Ihr Euer Anliegen aber Meister Praiolob vortragen - dem Secretair Seiner Eminenz, der Eure Mitteilung nach der Rückkehr unseres Herrn diesem vortragen wird." Er deutete auf einen weißharigen alten Mann, gehüllt in einen dicken Wintermantel, der im Hof mit einem Hünen von einem Mann mit einer Augenklappe und einem anderen, schwarzgekleideten Mann mit dunklem Bart sprach. Alle drei zogen bittere Mienen und diskutierten über etwas, was ihnen nicht besonders zu gefallen schien.
"Ja!", nickte Rohaja. "Ich werde mein Anliegen dann dem Herrn Secretair vortragen, so dieser in Abwesenheit von Dom Amando hier die Befehlsgewalt inne hat. Die Sache kann nämlich nicht warten!"
Sie führte ihr Pferd in den Hof und trat mit einem angedeutetem Kratzfuß vor den alten Geweihten und seine beiden Gesprächspartner hin.
Autor: Der Sinnreiche Junker
Als alter Soldat war es Hernán von Aranjuez gewohnt, dann zu schlafen, wenn Zeit dafür war. Und die Tage, wo man ihm die fehlende Ruhe und mangelnde Frische im Antlitz angesehen hätte, waren auch schon seit einigen Götterläufen vorbei. Dennoch ertappte er sich just in diesem Moment, als er die Augen zusammen kniff, um die neuangekommene Reiterin zu fixieren, dass die Stimme ihres Gastgebers nur noch gedämpft an sein Ohr klang, so als hätte er sich Bausch hinein gesteckt, bis das Gespräch seiner Aufmerksamkeit schließlich gänzlich entglitt. So langsam machte sich der Schlafmangel der letzten Tage wohl doch bemerkbar.
Ein kurzes Blinzeln später aber waren seine Gedanken wieder im Hier und Jetzt, und er nickte der jungen Frau zu, welche nun hinzu getreten war. "Ihr seid eine der Töchter Dom Talfans, nicht wahr?", stellte er nach einem Nicken knapp fest. Gelegentlich war er bei dem alten und zur Völlerei neigenden Junker von Ragathsquell geladen gewesen, und durfte neben ausgesuchten Speisen auch dessen stolze Kinderschar bewundern. Nachdenklich strich er sich über das unrasierte Kinn: "Domnatella Rohaja?", riet er auf gut Glück. Die beiden ragathsqueller Zwillinge hatten beim letztjährigen Grafenturnier teilgenommen, und insbesondere Rohaja von Ragathsquell war ihm in Erinnerung geblieben, nachdem sie zunächst die Gemahlin seines Vetters Hillero, Simanca di Juantilla, und anschließend diesen selbst aus dem Sattel gehoben hatte. Unter den Schwellungen freilich war nicht wirklich zu erkennen, um welche der beiden Domnatellas es sich handeln mochte.
Autor: Steve T, Boraccio D'Altea, Der Sinnreiche Junker
"Ganz recht!" strahlte Rohaja und neigte abermals das Haupt, erfreut und erleichtert, dass man sie trotz ihrer Blessuren noch erkannte. "Ich bin froh, Euch hier zu treffen, Dom....Hernán!?" Der Mann war ein Bekannter ihres Vaters und schon ab und an auf Ragathsquell zu Gast gewesen. Sie konnte sich aber nur an seinen Vornamen erinnern, da Vater viel zu viele Magnaten kannte. Dennoch war es gut, ihn zu sehen und somit bereits einen Bürgen und Fürsprecher zu haben.
"Seine Gnaden Praiolob", übernahm Hernán von Aranjuez die Vorstellung des Adlatus des Großinquisitors und des Dritten im Bunde: "Und Dom Boraccio D'Altea, der Cronvogt von Khahirios".
Missmutig betrachtete Boraccio D'Altea die neu angekommene junge Frau, störte sie doch die Besprechungen über das weitere Vorgehen. Seine Laune war bereits nicht die Beste, als er in der vergangenen Nacht die Suche nach Domna Richeza ob des Wetters und der fortschreitenden Erschöpfung seiner Leute erfolglos abbrechen musste. Zähneknirschend hatte er Befehl gegeben Castillo Quazzano aufsuchen, wo ihnen trotz der späten Stunde noch Unterkunft gewährt worden war.
Als er freilich den lädierte Zustand der jungen Frau bemerkte, wurde seine Neugier geweckt und er bemühte sich um einen weniger grimmigen Gesichtsausdruck, auch wenn das freilich bei seinen zahlreichen Narben und seinem gegenwärtigen Gemütszustand nur von wenig Erfolg gekrönt war. Da Dom Hernán anscheinend mit der Domna bekannt war beschloss zunächst ihm das Wort zu überlassen, und nickte der Domnatella lediglich zum Gruße zu.
"Verzeiht meinen unerwarteten Besuch, ihr Herren! Aber mein Bruder Eslam wird seit einigen Tagen vermisst und auf der Suche nach ihm wurden meine Schwester und ich gestern Zeugen zweifacher Mordtat - und das auf dem Grund und Boden dieser Dominie, gleich dort drüben am Rand des Grafenwaldes! Zwei üble Schergen kamen bei Einbruch der Dunkelheit aus dem Wald geritten. Einer davon erschoss grundlos einen der meine Schwester und mich begleitenden Diener mit der Armbrust - einen treuen Lakaien, der meinem Vater seit über 12 Jahren diente. Daraufhin wurde der mörderische Schütze von seinem eigenen Cumpan erschlagen - einem unheimlichen Riesen, der einen Helm mit großen Stierhörnern trug. Er spaltete seinem eigenen Cumpan mit solcher Wucht den Schädel, dass man hätte meinen können, er zerteile einen überreifen Kürbis. Ein schrecklicher Anblick! Um den Rückzug meiner Schwester und unserer übrigen Diener in den Weiler Grioli dort drüben zu decken, stellte ich mich dem uns nun angreifenden Unhold in den Weg. Ich bin inzwischen eine passable Kämpferin, wie Ihr wisst, Dom Hernán - aber der Kerl schlug mit solch unerklärlicher Kraft zu, dass mir schon bei der ersten Parade mein eigenes Rapier ins Gesicht geprellt wurde... wie Ihr mir unschwer ansehen könnt. Gestern Nacht, während wir in Grioli nächtigten, schlugen dann unsere Hunde an und die Diener fanden eine besinnungslose, halb erfrorene Frau im Schnee, die ihrer Gewandung nach von edler Geburt zu sein scheint. Von meinem Bruder Eslam aber fehlt weiter jede Spur. Deshalb bin ich hier - um die Hilfe Seiner Eminenz zu erbitten eigentlich. Aber wenn Ihr uns helfen könnt, Eslam zu finden, Dom Hernán, so würde Euch Vater dies niemals vergessen!"
Der Baron und Junker runzelte die Stirn, und wechselte einen vielsagenden Blick mit den beiden anderen Männern. "Wie es scheint, seid Ihr nicht die Einzigen, die gestern Nacht diesen Spitzbuben zum Opfer fielen, Domnatella Rohaja. Nicht weit von hier wurde ein ganzer Trupp Harmamunder Gardisten in einem Hinterhalt ausgemordet. Die Verfolgung verlief ob Dunkelheit und aufkommendem Schneetreiben ergebnislos.", setzte er die junge Ragathsquellerin ins Bilde.
Wiederum strich er sich nachdenklich über die Bartstoppeln. "Ein riesiger Kerl mit Stierhörern sagt Ihr?" Erst letztes Jahr war Aldea von Harmamund als prominentes Oberhaupt eines Stierkultes enttarnt worden, doch war der Condottiere wohl wie alle anderen davon ausgegangen, dass seinerzeit der gesamte Zirkel ausgehoben worden war. "Mir scheint, wir sollten Verstärkung von den umliegenden Castillos und aus Ragath an uns ziehen, und den ganzen Grafenwald auf den Kopf stellen. Wusste denn die halb erfrorene Frau etwas Erhellendes zu berichten?" Ein kurzer Seitenblick galt dem Aracener, der gewiss dieselbe Idee hatte, um wen es sich dabei handeln mochte.
Autor: Boraccio D'Altea
Die Worte der jungen Frau ließen den Aracener aufhorchen. Er schritt auf sie zu und schien sie für einen Moment mit seinen kräftigen Händen packen und schütteln zu wollen, besann sich aber im letzten Moment eines Besseren. Nichts desto troz starrte er sie nun mit seinem verbliebenen gesunden Auge intensiv an "Die Frau, die Ihr gefunden habt .. wie sah sie aus? Klein, nicht mehr ganz jung und trotzdem ein Abbild Rahjas? Lebt sie? Wo befindet sie sich jetzt? So sprecht doch!!" In seinem vernarbten Gesicht spiegelten sich Hoffnung, Sorge und Ungeduld.
Autor: SteveT
Rohaja erkannte den hünenhaften Mann nun wieder - auch wenn ihre Erinnerungen an die Zeit, die sie nach ihrem Niederschlag gestern Nacht im Schnee gelegen haben musste, äußerst vage waren, so erinnerte sie sich doch, an sein narbenreiches, einäugiges Gesicht, als sie schließlich schummrig und mit hämmernden Kopfschmerzen aus der Bewusstlosigkeit erwacht war. "Sie ist in der Taberna in Grioli, zu der Ihr mich gestern Nacht habt geleiten lassen! Ja, sie war recht klein, wenn ich mich recht erinnere, älter wie ich und ja, wohl durchaus als ziemlich ansehnliche Frau zu bezeichnen, wenn sie nicht blau vor Kälte gefroren gewesen wäre. Meine Schwester und die Diener haben sie vor dem Kamin gebettet, in der Hoffnung, dass sie auftaut und ihre Lebensgeister zurückerlangt.Kennt Ihr sie denn oder wisst Ihr zumindest, um wen es sich bei ihr handelt?"
Sie blickte zu Dom Hernan und dem Adlatus des alten Da Vanya: "Und habt Ihr etwas von meinem Bruder Eslam gehört oder gesehen? Fast eine Woche fort zu bleiben, ohne Vater darüber zu informieren, ist eigentlich nicht seine Art. Ich befürchte langsam sehr, dass er auch den Halsabschneidern in die Hände gefallen sein könnte, die mich angriffen und vor denen möglicherweise auch die Frau im Schnee auf der Flucht war."
Autor: Der Sinnreiche Junker
Hernán von Aranjuez schüttelte bedauernd das Haupt. "Ich fürchte nicht, Domnatella. Wir kamen erst gestern Abend von Burg Harmamund herüber." Der Secretarius hingegen furchte die Stirn, so als müsste er angestrengt nachdenken: "Der junge Dom Eslam war hier, und zwar am...am...vor fünf Tagen." Abermals überkam ihn Ärger, als er daran dachte, wie kürzlich die halbe Gräfliche Wehr auf Quazzano eingefallen war, und es volle drei Tage gedauert hatte, bis es gelungen war die Soldaten wieder loszuwerden. Der junge Anführer hatte allerlei Ausflüchte gebraucht, um das Abrücken seiner Truppe wieder und wieder hinaus zu zögern, bis man schon damit rechnen musste, dass Ragath die inoffizielle Besetzung der Anlage befohlen hatte. Dann jedoch, als ihnen wohl die Vorwände ausgingen, waren die Reisigen des Grafen friedlich von dannen gezogen. "Er traf in Begleitung eines ganzen Aufgebots gräflicher Soldaten hier ein, hat Quazzano jedoch noch am selben Tage alleine wieder verlassen. Vielleicht weiß ja der Befehlshaber jener Truppe, wohin Euer Bruder wollte. Ein junger Bursche aus Ragath, sein Name war Cronbiegler, Salvestro...nein, Servando, ja, Servando Cronbiegler."
Autor: SteveT
"Wirklich?", fragte Rohaja von Ragathsquell hoffnungsvoll und erötete dann ob ihrer eigenen dummen Nachfrage. Praioten waren nicht dafür bekannt, Unwahrheiten zu äußern. "Aber was sollte mein kleiner, nichtsnutziger Bruder mit einem gräflichen Aufgebot zu schaffen haben?", rätselte sie mit verwirrtem Gesichtsausdruck. "Und von diesem ... Servando Cronbiegler? ... habe ich meinen Lebtag noch nicht gehört. Doch, Moment - halt! Zwei gräfliche Gardereiter, die ins Flussbett der Harma gestürzt waren, wurden vor ein paar Tagen bei uns auf Ragathsquell versorgt."
Sie blickte wieder zu Dom Hernán und ihrem nächtlichen Retter. "Wenn Ihr es wünscht, können wir zusammen hinüber nach Grioli reiten, damit Ihr die Frau in Augenschein nehmen könnt, die wir gestern Nacht halberfroren im Schnee gefunden haben. Ich weiß im Moment nicht recht, was dringlicher ist: Meinen Bruder zu finden oder jenen Mordsgesellen das Handwerk zu legen, denen wir gestern Nacht begegnet sind." Sie deutete einen Knicks vor Meister Praiolob an: "Seid bedankt für Euren Hinweis! Er gibt mir erste Hoffnung - auch wenn noch nichts gewonnen ist!"
Autor: Der Sinnreiche Junker
Ein Stirnrunzeln beim Condottiere zeigte, dass die Ausführungen des Praioten nicht nur von der jungen Ragathsquellerin interessiert aufgenommen wurden. Servando Cronbiegler, dieser niedriggeborene Popanz, der sich für einen Ritter hielt, weil ihm Rondrigo vom Eisenwalde irgendwelche Flausen in den hohlen Kopf gesetzt hatte. Auf dem Mist des alten Castellans war dann wohl auch jene Unternehmung gewachsen, und Hernán von Aranjuez konnte nicht umhin ein gewisses Maß an Schadenfreude zu empfinden, dass sie offenbar unverrichteter Dinge wieder hatten abziehen müssen. Doch darum konnte er sich später kümmern. „Wir wären Euch sehr verbunden, wenn Ihr uns dorthin führen könntet, Domnatella“, wechselte er kurz einen Blick mit dem ihn beinahe um Haupteslänge überragenden Cronvogtes, dem gewisslich ebenso daran gelegen war, nach der alten da Vanya auch die Scheffelsteinerin in der Obhut Quazzanos zu wissen.
„Hernach möchtet Ihr mich vielleicht nach Ragath begleiten, um jenen Servando Cronbiegler zu befragen. Ich bin gewiss, dass sich auch Seiner Hochwohlgeboren Castellan, der wack’re Dom Rondrigo, für diese Mordbuben interessieren wird.“ Im Geiste feilte der Baron und Junker bereits an einem Plan, wie er diese Angelegenheit nutzen konnte, um seinen Rivalen schlecht aussehen zu lassen. „Vielleicht hat sich ja der Aufenthalt Eures Bruder bis dahin geklärt. Ansonsten wird Dom Rondrigo die Suche nach ihm gewisslich in seine Planungen mit einbeziehen.“ Zweifellos würde der alte Ritter einen solchen Überfall keinen Tagesritt von Castillo Ragath entfernt als persönliche Beleidigung erachten. Eine seltene Gelegenheit, wo sie einmal einer Meinung waren, wiewohl Hernán von Aranjuez mittlerweile zu dem Schluss gekommen sein musste, dass die Übeltäter längst über alle Berge waren.
Autor: Boraccio D'Altea
Dom Boraccio wippte ungeduldig auf seinen Zehen und her. "Also, machen wir uns den Weg? Falls es sich bei der mysteriösen Frau im Schnee nicht um Domna Richeza handelt, dann sollten wir schleunigst weiter im Wald nach ihr suchen. Das sollten wir außerdem auf jeden Fall tun und versuchen Spuren diese heidnischen Kultisten sicher zu stellen. Wenn sich wieder blutsaufende Barbaren in diesen Landen rumtreiben so sollten wir das schnellst möglich im Keim ersticken. Ein neuerlicher Feldzug in die Berge wird unserem Fürsten kaum gefallen."
Die Taberna von Grioli, wenig später am 11. Tsa
Autor: Der Sinnreiche Junker
"Nach Euch, Domnatella", nickte Hernán von Aranjuez in Richtung der Eingangstüre. Wahrscheinlich hatte man sie von drinnen schon gesehen, doch schien es ihm nichtsdestotrotz sinnvoller, der Ragathsquellerin den Vortritt zu lassen. Nicht, dass man drinnen im Schankraum beim Eintreten irgendwelcher Fremden noch erschreckte, wenngleich ihre Bedeckung deutlich die Farben des Fürsten bzw. die des Cronvogtes von Khahirios zeigte.
Seine Zügel hatte er einem der Reisigen übergeben, die allesamt in ihren Sätteln sitzen blieben. Allzu lange wollte man sich hier schließlich nicht aufhalten, immerhin galt es womöglich noch nach dem vermissten Eslam von Ragathsquell zu suchen - die Magnatenehre gebot es, dass er seinem Nachbarn hierbei behilflich war - und womöglich auch dem Hinterhalt auf den Grund zu gehen, dem die Harmamunder Gardisten zum Opfer gefallen waren.
So reihte sich der Baron und Junker nachdenklich auch hinter Boraccio D'Altea ein, als man auf die Türe der Taberna zustapfte. Sollte sich dort drinnen tatsächlich Richeza von Scheffelstein befinden, wäre es womöglich kein Fehler, wenn es nicht Hernán von Aranjuez war, der als Erstes hinter Rohaja von Ragathsquell die Taberna von Grioli betrat. Vor der Türe angekommen stampfte der Condottiere einige Male mit hellem Klingeln seiner Silbersporen auf, um Schnee und Schmutz von den Stiefeln zu lösen. Mit der Routine des alten Soldaten vergewisserte er sich dabei, dass er seine Klingen rasch zur Hand hätte, sollte es Not tun. Die Linkhand saß hinten an seinem Gürtel wo sie sitzen sollte, und der Degen hatte sich problemlos einen Spann aus der Scheide ziehen und wieder zurückstoßen lassen. "Wohlan", klang seine Stimme durchaus optimistisch bei der Aussicht, dass das Ende dieser leidigen Geschichte womöglich absehbar war.
Autor: von Scheffelstein
Efferdane beugte sich über die schlafende Frau, fasste sie vorsichtig am Arm und sprach sie an, aber sie atmete leise und rührte sich nicht. Kurz war die junge Frau versucht, die andere zu wecken, aber vielleicht war es besser, wenn diese sich ausschlief. Efferdane legte ihre Hand auf die Stirn der Frau, in der das schwarze Haar klebte. Das Fieber war zurückgegangen, aber im Gesicht und an Händen und Füßen waren noch immer rotblaue Kältewunden zu sehen.
Der Wirt hatte auf ihre Anweisung hin und nach Angaben eines der Diener einen Sud aus Zwiebeln und Eichenrinde gekocht. Efferdane schlug die Hemdsärmel der Frau hoch, tauchte ein Tuch in die Schüssel und begann, die brandigen Stellen mit dem lauwarmen Sud abzuwaschen. Besonders schlimm hatte es einen der Finger getroffen, an dem ein goldener Ring steckte, mit dem Efferdane unbekannten Wappen einer Windmühle. Vorsichtig zog Efferdane den Ring über die Wunde und steckte ihn an einen unversehrten Finger, um die Wunde zu behandeln. Überall dort, wo sie Metall am Körper getragen hatte, hatte die Kälte der Haut besonders zugesetzt: Im Nacken, wo die Ösen des Kleides, das sie getragen hatte, sich als rote Ringe abzeichneten, und auch über dem Brustbein, wo ein Ring an einem Band einen Abdruck hinterlassen hatte. Vorsichtig hob Efferdane das Schmuckstück an, hängte es über die Schulter der Frau, um rieb den Sud über Hals und Brustbein der Schlafenden. Ihr Blick fiel auf den Ring – auch dieser zeigte ein Wappen, und ehrfürchtig nahm die junge Frau ihn zwischen zwei Finger. Dieser Ring war deutlich breiter als der am Finger der Frau, schwerer und von besonders prächtiger Machart. Und er zeigte das Wappen der Grafenfamilia, jedenfalls das der Gräfin. Ob die Frau eine der Grafentöchter war?
Ein Stöhnen der Frau ließ Efferdane zusammenfahren. Die Hand der Frau zuckte vor; kurz berührten sich ihre Finger, als sie Efferdane den Ring entzog und hastig unter ihr Hemd zurückstopfte.
"Verzeihung!", murmelte die junge Ragathsquellerin. "Ich ... wie geht es ..." Aber sie kam nicht dazu, die Frage zu Ende zu stellen, denn abermals zuckte sie zusammen, als die Tür zur Schankstube krachend aufflog und ein kalter Windhauch hereinfuhr.
Efferdane fuhr herum und sprang dann mit einem erschrockenen Schrei auf. Im Türrahmen stand ein bärtiger Mann mit nabenversehrtem Gesicht und einer Klappe über dem rechten Auge. Seine massige Gestalt füllte den ganzen Türrahmen aus; er war bewaffnet und gerüstet. Efferdanes Waffe lag auf ihrem Bett im Obergeschoss, da wo sie ihr nichts nützte. Mit zitternder Hand zog die junge Frau ein brennendes Scheit aus dem Kamin und stellte sich in verzweifeltem Heldenmut vor die kranke Frau. "Keinen Schritt weiter!", rief sie mit furchtsamer Stimme. Vielleicht würde der Graf ihr ihren Mut vergolden. Falls sie diese Begegnung überlebte ...
So sehr hatte Efferdane sich erschrocken, dass sie ihre Schwester erst gar nicht bemerkte, die der Hüne nachdem diese die Tür geöffnet hatte, einfach beiseite geschoben hatte.
Autor: Boraccio D'Altea
Ungeduldig und voller Sorge schob der Condottiere die junge Frau, die sie her geführt hatte, beiseite, die gebotenen Etikette ignorierte er einfach. Eine junge Frau befand sich ebenfalls im Raum, sie hatte sich über eine Personen gebeugt und sprang auf, als sie herein traten. Ihr Gesichtszüge kamen ihm vage bekannt vor, aber er führte den Gedanken nicht zu Ende, denn die junge Frau riss einen brennenden Holzscheit aus dem Feuer und schien sie angreifen zu wollen. Seine Reflexe, in Jahrzehnten auf dem Schlachtfeld trainiert, übernahmen die Kontrolle und bevor das Mädchen seinen Holzscheit recht erheben konnte, hatte die Klinge seines Reitersäbels bereits die Scheide verlassen und die Spitze zielte bedrohlich auf ihre Kehle. Die unerwarte Geschwindigkeit und Präzision, mit der er seine Waffe gezogen hatte, ließen keinen Zweifel aufkommen, dass Boraccio D'Altea keine Mühe haben würde den tödlichen Stoß auszuführen. Aber stattdessen befahl er mit befehlsgewohnter Stimme, die keinen Widerspruch duldete: "RUNTER damit, Mädchen!! SOFORT!!"
|