Chronik.Ereignis1037 Der fürstliche Cronrat 02

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Junkergut Tyras, 2. Rondra 1037 BF[Quelltext bearbeiten]

Auf Al'Tyras[Quelltext bearbeiten]

Autor: Der Sinnreiche Junker

Rasdan di Vascara stocherte lustlos in seinem Essen herum. Seine Laune war noch immer durch das Fiasko von vor einigen Tagen getrübt gewesen. Zunächst war er durchaus guten Mutes gewesen, ließ man einmal den Zorn auf diesen Puniner Pfeffersack und seine horasische Buhle beiseite. Und natürlich auf ihren Rotzlöffel von einem Sohn, der seine Fellachen, seine Schutzbefohlen mit der Steinschleuder traktiert hatte. Sicher, es war ein Rückschlag für seine Ambitionen gewesen, aber der Kaufherr war schließlich nicht der einzige Cronrat. Er hatte durchaus noch andere Eisen im Feuer.

Schnell war ihm freilich aufgegangen, dass der Ratsherr womöglich ganz ähnlich empfinden mochte, und nicht nur nicht seinen Einfluss zu seinen Gunsten geltend machen würde, sondern im Gegenteil womöglich zu seinem Schaden. Endgültig die Laune verhagelt hatte ihm die gestrige Ankündigung seines Lehnsherrn, ihm heute einen Besuch abzustatten. Wusste er bereits Bescheid? War der Vivar sogleich nach Ragath, Heldor oder Aranjuez geeilt, um sich am tiefschwarzen Rockzipfel des Condottiere auszuweinen?

Wie so oft war die Bedeckung des Aranjuezer beinahe groß genug gewesen um die Zitadelle von San Telo ein zweites Mal zu stürmen, doch hatte sein Lehnsherr ihm zu des Rinderjunkers großer Erleichterung sogleich mitgeteilt, dass er noch weiter zu ziehen gedachte. So entfiel die Notwendigkeit sich Gedanken zu machen, wo auf dem Gutshof man so viele Bewaffnete hätte unterbringen sollen, und das Loch in der Börse der Familia würde auch überschaubar bleiben.

"Mundet es Euch nicht, Dom Rasdan?", erkundigte sich sein Lehnsherr anderen Ende der Tafel, derweil er ein besonders gutes Stück vom Rind mit seinem Dolch aufspießte.

Der Hausherr musste schlucken. Sein Gast hatte bislang nichts zum eigentlichen Grund seines Besuches gesagt. Nach dem Austausch der üblichen Höflichkeiten hatte er sich kurz frisch gemacht, sich von Rashida di Vascara herum führen lassen, und nun saßen sie vor beinahe geleerten Tellern, ohne dass auch nur mit einem einzigen Wort jener Vorfall erwähnt worden wäre. Selbst als der Junker wohlweislich seine Schwester unter einem fadenscheinigen Grund von der Tafel aufgescheucht hatte, und nur ihr noch halb gefüllter Teller zurückgeblieben war, hatte sein Lehnsherr keine Anstalten gemacht das Thema anzuschneiden.

Hernán von Aranjuez sah kurz auf seinen noch nicht gänzlich geleerten Teller, zuckte dann mit den Schultern und genehmigte sich einen Schluck Wein. "Also", meinte er endlich. "Was könnt Ihr mir über den Besuch Dom Amandos berichten?"

Der Gefragte kaute auf seiner Unterlippe herum. Was sollte er sagen? Erwartete sein Lehnsherr ein Geständnis? Eine Entschuldigung? "Sein Besuch war kurz und unerfreulich", begann der Junker sicherheitshalber erst einmal eher allgemein.

"Ahja", stellte der Aranjuezer ohne mit der Wimper zu zucken fest.

"Hat etwa Dom Amando...?", setzte sein Gegenüber an, jedoch wurde er unterbrochen: "Was glaubt Ihr, Dom Rasdan, war eines der ersten Dinge die ich getan habe, als ich die Regierung der Baronie übernommen hatte?"

Rasdan di Vascara verstand nicht recht, und zuckte nach kurzem Nachdenken worauf sein Gesprächspartner wohl hinaus wollte mit den Schultern. Dieser beantwortete seine eigene Frage: "Ich habe mich mit den Wirten gutgestellt. Nein, lacht nicht darüber, ich meine es ernst. Die wenigsten Reisenden schaffen die Strecke Punin-Ragath oder vice versa an einem Tag. Sie alle kehren entlang der Reichsstraße ein. Das heißt, dass die Wirte zu den am besten informierten Menschen der gesamten Baronie zählen. Was wiederum bedeutet, wenn ich der am besten informierte Mensch meines Lehens sein möchte, halte ich mich am besten an diese Weinpanscher. Meint Ihr nicht?"

"Gewiss doch", versicherte der Junker. So langsam ahnte er worauf dies hinaus lief.

"Entsprechend wurde mir zugetragen, dass eine Reisegesellschaft aus Punin Euer Gut aufgesucht hat. Und nach nicht allzu langer Zeit wieder auf der Reichstraße war." Der Baron und Junker lehnte sich zurück und hob mit fragendem Gesichtsausdruck beide Hände, so als wollte er sagen: '‘Also, was könnt Ihr mir über den Besuch Dom Amandos berichten?'‘

Wieder stieg der Zorn heiß im Leib des Stürmischen auf, stach in seine Eingeweide. Er wusste nur zu gut, woher die Redewendung rührte, dass jemand Wut im Bauch hatte. Er war wütend über diese vermaledeiten Besucher. Wütend über seine Fellachen, die ihm mit ihrem Aberglauben in den Ohren lagen. Wütend über seinen Lehnsherrn, der ihn hier wie einen Dorftrottel behandelte. So platze es aus ihm heraus: "Diese verdammten Yaquirtaler, dieser eingebildete Pöbel aus der Stadt hat meine Untertanen angegriffen! Ich könnte ja noch darüber hinwegsehen, dass sein kleiner Hurenbalg mit Steinen nach ihnen geschossen hat, oder dass sein Kutscher eines meiner Fuhrwerke beschädigt hat. Aber dann haben sie einen heiligen Ritus gestört, und einem meiner braven Fellachen, der es gewagt hatte zu protestiert, den Arm abgeschlagen!"

Rasdan di Vascara wusste um die mangelnde Frömmigkeit seines Lehnsherrn. Nicht zuletzt durch die Untätigkeit seines von Rauschkraut benebelten Vorgängers blühten in Dubios allerlei Kulte, begonnen von harmlosen Fruchtbarkeitsriten bis hin zur Anbetung blutiger Stiergötzen. Selbst einige Heldorer sollen dem Beispiel des Vorgängers gefolgt sein, und hingen insgeheim dem Alanfaner Ritus der Boronkirche an. Ja, sogar die heidnischen Aramyas konnten ihrem Glauben nachgehen wie zu Zeiten als mit Siam Lacara von Dubios eine der Ihren Baronin gewesen war. Und bislang hatte Hernán von Aranjuez, Omladkämpfer hin oder her, nichts getan, um all dem Einhalt zu gebieten, sodass der Junker meinte, sich eine gewisse Offenheit dahingehend erlauben zu können.

Jener freilich sah sich im Raume um, verrenkte sich gar ein wenig, um hinter seinen hohen Stuhl sehen zu können. Schließlich wandte er sich wieder an den Hausherrn. "Ihr habt gar keinen Narren", stellte er scheinbar nüchtern fest.

"Wie...wie meinen?", gab Rasdan di Vascara mit sichtlichem Befremden zurück.

"Ihr habt keinen Narren", stellte Hernán von Aranjuez dieses Mal mit mehr Nachdruck fest. "Ich habe übrigens auch keinen. Allerdings will ich schon seit Jahren einen in meine Dienste nehmen. Ich dachte an irgendeinen heruntergekommenen Rescendiente, immerhin sollte man meinen, dass sie in ihrem närrischen Glauben, sie wären unsereins ebenbürtig bestens qualifiziert wären. Leider mangelt es diesen Gesellen gänzlich an Geist und Witz. Ich fürchte, ihr Beitrag zu den großartigen Komödien unseres Landes wird dereinst wirklich alleine ihre Anmaßung gewesen sein."

"Ich fürchte...ich kann Euch nicht folgen, Dom Hernán", gestand der Junker noch immer verwirrt über diesen Exkurs ein.

"Nun, da es Euch offensichtlich ebenfalls an einem Narren mangelt, habt Ihr vielleicht daran gedacht, mich zu Eurem Narren zu machen. Vielleicht wolltet Ihr mir ja zum Nachtisch eine Narrenkappe reichen. Ihr wisst schon, mit Zipfeln und Glöckchen dran. Die klingeln bei jeder Bewegung gar lustig." Wie zur Bestätigung stampfte er einige Male mit dem Fuß auf, was seine Silbersporen zum Klingeln brachte.

"Ich...ich...", stotterte Rasdan di Vascara, dem mehr Röte ins Antlitz stieg, als man es bei seinem dunklen Teint für möglich gehalten hätte.

„Wirklich, Dom Rasdan?“ Sein Lehnsherr klang beinahe enttäuscht. „Ihr habt Euch noch nichts überlegt, wie Ihr diese Geschichte mir gegenüber rechtfertigen wollt? Mir gegenüber, der zu Euren Gunsten Gefallen eingefordert hat, der zu Euren Gunsten nun Gefallen schuldet, der zu Euren Gunsten…ach, eigentlich kann ich mir die Aufzählung sparen, schließlich wart Ihr doch dabei, als wir die halbe Südpforte querten. All diese Anstrengungen, und Ihr…“ Hernán von Aranjuez ließ den Satz unbeendet, was beinahe noch bedrohlicher wirken mochte. Sein Antlitz jedenfalls hatte sich längst verfinstert, und strafte seine lustigen Reden zuvor Lügen.

Tatsächlich aber hatte sich der Junker etwas zurecht gelegt, doch benötigte er einen Moment sich zu sammeln, seine Körperhaltung zu straffen, ehe er entgegnete: „Ihr tut ja gerade so, als würdet Ihr mich aus reiner Selbstlosigkeit unterstützen. Dabei ist es doch vielmehr so, dass Ihr aufgrund Eurer Vergangenheit wahrscheinlich niemals Cronrat werden könnt. Daher streunert Ihr um andere Cronräte herum, oder um solche die es werden könnten, in der Hoffnung über sie Einfluss zu nehmen.“

Wenn der Lehnsherr über die Offenheit seines Vasallen verärgert war, so zeigte er es zumindest nicht. Zumal sie beide wussten, dass Rasdan di Vascara mit dieser Einschätzung Recht hatte. „Nun“, entgegnete Hernán von Aranjuez schließlich „Offensichtlich habe ich mich dahingehend in Euch ja getäuscht.“

Rasdan di Vascara vollführte mit der Rechten eine wegwerfende Bewegung: „Wer ist dieser Krämer schon? Auch er hat nur eine Stimme. Eure Fürsprache beim Fürsten, Euer zukünftiger Schwiegervater, Dom Stordan…“

„…Euer gutes Verhältnis zu Domna Morena…“, ergänzte der Aranjuezer spitz hinsichtlich seines Wissens um die besondere Beziehung, die den Junker mit der Nichte des Fürsten verband.

Dieser jedoch ging einfach darüber hinweg: „All dies sollte doch wohl genügen. Sicherlich war der Vorfall unserer Sache nicht dienlich, doch bin ich weiterhin äußerst zuversichtlich gestimmt.“

„Gewisslich habt Ihr bei all Eurer Zuversicht nicht vergessen, dass Ihr Dom Amando eine gewaltige Summe Gold schuldet?“, erinnerte ihn der Baron und Junker an den Kredit zur Begleichung des Brautgeldes.

Ein Schulterzucken begleitete die Antwort: „Ich sehe da kein Problem, solange ich die Raten bedienen kann.“

Die Augen des Condottiere verengten sich verärgert: „Womit Ihr ja wohl andeuten wollt, dass wir dahingehend beide unter demselben Galgen stehen, den Strick um den Hals. Und ich Euch im Zweifel unter die Arme greifen muss, will ich nicht meine eigenen Investitionen abschreiben. Nicht wahr?“

Ein wölfisches Lächeln umspielte die Lippen des Vascara. „Wie beim Imman: man gewinnt zusammen, man verliert zusammen.“

Hernán von Aranjuez hob mahnend den Zeigefinger: „Überspannt den Bogen nicht, Dom Rasdan. Wie Ihr schon festgestellt habt, ich unterstütze Euch in dieser Sache nicht aus selbstloser Nächstenliebe. Und gewisslich bin ich nicht bereit mir jedwede Frechheiten anzuhören. Noch ist Domna Morena nicht Fürstin, vergesst das nicht. So sie es denn überhaupt jemals wird.“

„Vielleicht solltet lieber Ihr nicht vergessen, dass Euer Freund alt und daher womöglich nicht mehr lange Fürst ist…“

Keine Antwort, und das Lächeln schwand rasch von Rasdan di Vascaras Antlitz als bleiernes Schweigen über der Tafel hing. Womöglich hatte er sich wirklich etwas zu viel gegenüber seinem Fürsten und gegenüber seinem Lehnsherrn herausgenommen. Nur die Geräusche vom Besteck seines Gastes durchbrachen die Stille, derweil der Hausherr nur noch an seinem Wein nippte. Schließlich, als der Teller geleert war, erhob sich Hernán von Aranjuez: „Habt Dank für das ausgezeichnete Mahl und Eure Gastfreundschaft, Dom Rasdan. Lasst mich Euch zum Abschied noch einen Rat geben: wenn Ihr Euch nächstes Mal wissentlich Feinde macht, tötet sie besser auf der Stelle. Ansonsten versetzt Ihr sie in die Lage, sich Euch gegenüber in eine vorteilhafte Position zu bringen. Und dann töten sie vielleicht Euch.“

Die Worte halten wider in seinem Kopf, als der Junker vom Fenster aus beobachtete, wie sein Lehnsherr unten sein Ross bestieg, und schließlich an der Spitze seiner Eskorte davon galoppierte. Hatte er damit gemeint, er hätte den Vivar und seine Familie besser gleich töten sollen? Oder hatte er es auf sich selbst bezogen, dass er sich nun Hernán von Aranjuez zum Feinde gemacht hatte?



Chronik:1037
Der fürstliche Cronrat
Teil 05