Chronik.Ereignis1036 Besuch im Vanyadâl 38: Unterschied zwischen den Versionen

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==[[Mark Ragathsquell]], 16. Tsa 1036 BF==
===[[Castillo Quazzano]], vormittags===
'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]]
Caballero [[Abelardo Mansarez von Leuendâl]] und Magus [[Amaros Desidero von Lindholz]] wurden im Roten Salon des Castillo Quazzano von Seiner Eminenz [[Amando Laconda da Vanya]] empfangen. Die Nachrichten, die sie dem Großinquisitor nun persönlich überbringen würden, waren für diesen nicht neu. Vor drei Tagen hatten sie von [[Baronie Schrotenstein|Schrotenstein]] aus eine Brieftaube gen Albacim gesandt, die dem Familienoberhaupt der [[Familia da Vanya|da Vanyas]] die unglückliche Kunde vom Tod seiner Nichte [[Rifada da Vanya|Rifada]] und der Reichsvogtin [[Praiosmin von Elenta]] überbracht hatte. Die Antwort hatten sie schon bald darauf erhalten: Man solle sich umgehend auf den Weg nach Quazzano machen, wo der Großinquisitor einen in wenigen Tagen empfangen werde.
Der Schrotensteiner Baron, [[Lucrann da Vanya]], hatte die Bergung der Leichen veranlasst. Die sterblichen Überreste seiner Base hatte er ins Vanyadâl bringen lassen, wo sie in wenigen Tagen in der Familiengruft beigesetzt werden sollten. Von Dom Lucrann hatte Abelardo auch erfahren, dass die Domnas Belisetha und Richeza zwischenzeitlich mehr oder weniger lebendig auf Quazzano eingetroffen seien. Dies hatte ihn dazu veranlasst, auf dem Weg nach Quazzano umgehend einen Abstecher nach Norderwacht einzulegen. Doch der gefangene Harmamund war verschwunden. Er sei, hatte die Burgherrin verlauten lassen, vor einigen Tagen zusammen mit dem Gardisten Gambron zu 'irgendeinem Boronkloster' aufgebrochen.
Abelardo war erleichtert gewesen, dass Gambron und der junge Norre den Harmamund nicht, wie es Domna Rifadas Wille gewesen war, einfach umgebracht hatten. Dennoch fürchtete er die Folgen, die die Entführung des Geweihten noch nach sich ziehen konnten. Gleichwohl war er zunächst dem Wunsch des Großinquisitors nachgekommen.
Dieser hatte am Kopfende des kleinen Tisches Platz genommen. In dem Brokatsessel neben ihm, saß seine Schwester, Belisetha da Vanya. Eine schwere Decke lag auf ihren Knien. Sie war bleich wie der Tod und stöhnte bei jeder Bewegung, als habe sie große Schmerzen, war aber sichtlich um Fassung bemüht. In dem Sessel rechts der alten Domna und links des Magus saß Lucrann da Vanya, das Gesicht so düster wie die Wolken, die an diesem Tag über dem Raschtulswall hingen.
"Ich danke Euch, dass Ihr den Weg hierher auf Euch genommen habt", begann der Großinquisitor. Seinem faltigen Gesicht war der Kummer in keiner Weise anzusehen. Er strahlte dieselbe Würde aus wie das Bildnis des Götterfürsten an der Wand hinter ihm. "Bitte berichtet noch einmal genau, was sich auf dem Höhenweg zugetragen hat!"
In diesem Moment ging wurde eine der drei Türen des Salons geöffnet, und herein trat [[Richeza von Scheffelstein y da Vanya]]. Sie trug ein sehr weit geschnittenes blaues Oberkleid mit einer Brokatborte über einem weißen Unterkleid, das zu lang war und dessen Saum über den Boden schleifte – eine Mode, wie sie schon seit bald Hundert Jahren nicht mehr bei Hofe getragen wurde.
"Eure Eminenz haben mich ...", begann sie, verstummte jedoch augenblicklich, als sie bemerkte, dass der Soberan des Hauses keineswegs allein war.
"Setze dich, mein Kind!", sprach der Großinquisitor sie an, ohne ihr mehr als nur einen flüchtigen Blick zu schenken, und legte seine beringte Hand auf die Lehne des Sessels zu seiner Linken.
Richeza von Scheffelstein y da Vanya trat zögernd näher, wich dem Blick Abelardos aus, den sie doch von Kindesbeinen an kannte, und grüßte auch den Magus nicht, der ihr vor Tagen ins Vanyadâl einen Brief gebracht hatte. Auch sie war auffallend blass, unter den dunklen Augen lagen tiefe Schatten, und sie hielt den Blick auf ihre unter dem Kleid verborgenen Füße gerichtet, während der Großinquisitor die Hand hob und den Magus bat, zu beginnen. 
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'''Autor:''' [[Benutzer:Lindholz|Lindholz]]
Amaros von Lindholz fasste in wenigen Sätzen den Verlauf seiner Reise an der Seite der arretierten Reichsvogtin bis zu den Ereignissen auf dem Höhenweg zusammen. Ihm erschien es wichtig, deutlich zu machen, dass – zumindest aus seiner Sicht – nichts darauf hingedeutet hatte, wie sich die Lage entwickeln würde. Im Anschluss berichtete er von dem Überfall auf den Transport und dessen kirchliche Begleiter.
Auch wenn Gegenwehr seinen Tod bedeutet hätte: Gerne hätte er sein eigenes, wenig rühmliches Verhalten verschwiegen oder in einem anderen Licht dargestellt, doch im Angesicht seiner Eminenz war dies ein vergebliches Unterfangen. So ließ er nichts aus, von dem, was er von den Angreifern, ihrem Vorgehen und dem Geschehen berichten konnte und endete schließlich mit seiner Rückkehr an den Ort der Tragödie in Begleitung des Doms Abelardo.
Schwerer noch als die eigene Bloßstellung, fiel es dem jungen Magier, die sich an seinen Bericht anschließenden Momente der Stille zu ertragen.
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'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]]
Diese Stille jedoch währte nur wenige Augenblicke. Augenblicke, in denen Richeza von Scheffelstein y da Vanya den jungen Magus mit leicht geöffnetem Mund und unverhohlener Abneigung anstarrte. "Was?", fragte sie. "Rifada – tot? Ihr scherzt wohl! Niemand, nicht zwanzig Reiter, vermögen ihr etwas anzuhaben! Nicht, wenn sie nicht …" Sie stockte. Dann sprang sie aus ihrem Sessel auf. "Auf wessen Seite steht Ihr eigentlich, Lindholz? In wessen Diensten? Der Harmamund? Ihr gebt erst Fersengeld, um dann ganz zufällig auf meine Tante zu treffen und sie allein in diesen Hinterhalt reiten zu lassen? War das der Plan: Sie in eine Falle zu locken?" Sie schrie jetzt. "WEM HABT IHR Euch angedient?"
Eine Hand fasste sie an ihrem Unterarm, und die schneidende Stimme des Goßinquisitors brachte sie zum Schweigen. "Setz dich!", befahl er. Einmal, ein zweites Mal, ehe Domna Richeza sich langsam in den Sessel zurücksinken ließ, noch immer mit vor Zorn geröteten Wangen.
"Der junge Dom Amaros handelte in meinem Ansinnen, als er Praiosmin von Elenta gen Quazzano und weiter nach Ragath zu begleiten gedachte." Amando Laconda da Vanya nickte dem Magus zu, ehe er sich an die Scheffelsteinerin wandte. "Du solltest deine Tante inzwischen gut genug kennen, um um ihre Tollkühnheit zu wissen. Was du jedoch noch nicht weißt: Auf Albacim wurde deine Base Gujadanya von der Reichsvogtin ermordet. Es ist anzunehmen, dass dieser Umstand Rifada, als sie – wie auch immer – davon erfuhr, dazu bewegte, blutige Rache zu nehmen."
Die Farbe wich aus Domna Richezas Gesicht, so schnell, wie sie gekommen war. "Gu…jadanya? A…a.. Ermordet?", hauchte sie. "U… und Rifada …?" Sie blickte erneut zum Magus und erstmals auch in Abelardos Gesicht, der kaum merklich nickte."
Erneut sprang die Edle auf. Diesmal war die Hand des Großinquisitors zu langsam, um sie aufzuhalten.
"Richeza!", rief die alte Wildenfester Junkerin aus ihrem Sessel. Doch da stürmte Richeza von Scheffelstein y da Vanya bereits aus dem Salon. Krachend fiel die Tür hinter ihr ins Schloss. Die Stille in dem Salon war noch drückender als zuvor. Der Schrei, der nach einer Weile gedämpft von draußen herein drang, markerschütternd, machte das Schweigen im Raum nur noch schwerer erträglich.
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'''Autor:''' [[Benutzer:Lindholz|Lindholz]]
"Euer Eminenz, Euer Hochgeboren, Euer Wohlgeboren, es ist mir ein Bedürfnis, die Trauer, tiefe Sympathie und Kondolenz zum Ausdruck zu bringen, die ich anhand der Verluste empfinde, die Eure Familie aber auch die heilige Kirche hinnehmen musste", brachte Amaros von Lindholz schließlich hervor. "Viele tapfere Seelen haben uns verlassen, und vielleicht wäre es der Herrin Rondra wohlgefällig gewesen, wenn auch ich an jenem Tage meinen letzten Atemzug getan hätte. Es hätte jedoch den Ausgang der Ereignisse nicht ändern können. Ich kann keine Feuerzungen über das Schlachtfeld schicken oder gar Kreaturen aus anderen Sphären herbeirufen. So hoffe ich, dass Ihr die Worte eines lebenden Mannes mehr zu schätzen wisst, als die schweigenden Lippen eines Toten. Wenn es etwas gibt, Euer Eminenz, was ich tun kann, um der Gerechtigkeit den Weg zu ebnen, dann zögert nicht, es zu sagen."
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'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]]
Die Stirn des Großinquisitors legte sich in Falten, als der Magus von seinen Künsten und auch den nicht vorhandenen Fähigkeiten sprach, insbesondere, als er die Wesen aus anderen Sphären erwähnte.
"Euer Wort wird zu gegebener Zeit vielleicht noch Gewicht haben", erklärte Amando Laconda da Vanya. "Einstweilen werden wir unsere Toten im Vanyadâl beisetzen. Auch das Begräbnis der Reichsvogtin wird zu veranlassen sein. Nachricht an Graf, Fürst und Kaiserin wurden bereits ausgesandt." Er strich sich nachdenklich durch den weißen Bart.
"Wir haben es hier mit zwei Fehden zu tun, in die unser Haus verwickelt ist. Die eine wurde vor langer Zeit an uns herangetragen, die andere hat meine Nichte über unser Haus gebracht. Mit dem Tode Domna Praiosmins sollte sie als beendet gelten, gleichwohl werden die Umstände näher zu untersuchen sein. Insbesondere, da noch herauszufinden ist, unter wessen Einfluss die Reichsvogtin mutmaßlich gestanden hat. Was die Fehde mit den Harmamunds angeht, hat mein Haus schwerwiegende Vorwürfe vorzubringen. Was immer Ihr möglicherweise auch in diesem Casus zu bezeugen habt, sollt Ihr zu passender Zeit und an anderer Stelle beschwören."
Amando Laconda da Vanya wandte sich an seinen Neffen. "Lucrann, du wirst dich um die Veranlassung der Begräbnisse kümmern."
Er nickte dem Caballero von Leuendâl zu. "Auch der ehrenwerte Dom Hesindian soll Nachricht erhalten über die Vorfälle, von denen sein Haus durch seine Großtochter ebenfalls betroffen ist."
"Ich hoffte, sie werde mich nach Hause begleiten", wandte Abelardo ein.
Amando Lacondas Blick ruhte einen Moment auf dem alten Caballero, ehe er antwortete. "Gewiss wird Domna Richeza der Trauerfeier ihrer Anverwandten beiwohnen wollen. Alsdann haben wir noch einiges mit ihr zu besprechen. So Ihr mögt, begleitet uns ins Vanyadâl, von dort aus werden wir Nachricht senden an Dom Hesindian. Denn auch ihn betrifft manches von dem, was unser Haus nun bewegt."
Abelardo Mansarez von Leuendâl öffnete den Mund, aber Amando Laconda hob die Hand, offenbar nicht gewillt, an dieser Stelle Fragen zu beantworten.
"Meine Herren: Seid unsere Gäste an diesem Tag. Im Morgengrauen werden wir aufbrechen ins Vanyadâl."
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'''Autor:''' [[Benutzer:Lindholz|Lindholz]]
'''16. Tsa, am späten Abend'''
Amaros von Lindholz atmete erleichtert aus, als er die schwere Tür zum Speisesaal hinter sich schließen konnte. Nicht, dass das Essen schlecht gewesen wäre, ganz im Gegenteil: Der Wildschweinbraten war zart und die Soße von vollendetem Geschmack gewesen; sie trug das Aroma eines schweren, roten Weines und fein abgestimmter Gewürze in sich. Doch im Angesicht der Ereignisse war es mehr als offensichtlich, welche Mühe es die da Vanyas kostete, ihrem Gast mit der erforderlichen Courtoisie zu begegnen. So überließ er sie ihrer Trauer sobald es die Höflichkeit gestattete und wandte sich den Weg zu den Räumlichkeiten zu, die ihm seine Eminenz freundlicherweise zur Verfügung gestellt hatte.
Der Tag der Abreise war zum Greifen nah. Doch wie oft hatte er schon gedacht, nur noch einen Katzensprung von den Toren [[Ratzingen]]s entfernt zu sein, nur um sich dann erneut in einer misslichen Lage wiederzufinden. Und das alles nur, weil seine Schwester einen albernen Brief nicht einem einfachen Boten anvertrauen wollte. Dafür war sie ihm etwas schuldig!
Immerhin hatte er sich Stück für Stück aus der Wildnis näher an das Herz der [[Grafschaft Ragath]] vorgearbeitet. So war der junge Magier guter Dinge, in Bälde die Ländereien seines Vaters wiedersehen zu können. Solcherart in Gedanken versunken, dauerte es eine ganze Weile, bis  es Amaros auffiel, dass er völlig  vom Weg abgekommen war.
Er stand auf einer Wendeltreppe, war sich jedoch sicher, dass die Stufen im rechten Winkel angestiegen waren, als er zu seinem Zimmer geführt worden war. Verdattert sah er sich um. Kein Diener weit und breit. Nach kurzem Zögern entschied Amaros von Lindholz sich, den Aufstieg in das nächste Stockwerk dennoch fortzusetzen. Vielleicht führte der Gang ja lediglich von der anderen Seite zum gleichen Ort.
Stattdessen fand sich der Magier kurz darauf  in einem langgestreckten Gang, der von einer Reihe Öllampen zu seiner Rechten erhellt wurden. Ihr Licht fiel auf eine Ansammlung von Gemälden. Die abgebildeten Personen waren in  edle Gewänder gehüllt und mit Symbolen der Macht versehen. Neugierig musterte die stolzen Gestalten; offenkundig jene Grafen und Fürsten auf die die Familia da Vanya ihren altehrwürdigen Stolz stützte. Den Schritt deutlich verlangsamt, bewegte sich Amaros von Portrait zu Portrait, blickte in erhabene Gesichter und schüchterne, solche, aus denen Frohsinn, Trauer, Verständnis und Eigensinn sprachen. Den jungen Amando Laconda da Vanya hätte er beinahe nicht erkannt!
Derart gebannt von vergangenen Zeiten, glaubte Amaros fast, der Geist eines Ahnen würde sich erheben, als nur wenige Schritte neben ihm sich jemand aufrichtete: Zuvor verborgen von den Schatten einer Fensternische, konnte er nun die Züge der Domna Richeza erkennen, die es vorgezogen hatte, der Vesper fernzubleiben. Seine Überraschung überspielend verbeugte er sich tief und warf einen Blick auf das Portrait neben dem sich die dle Dame erhoben hatte: Es zeigte die junge Rifada, lachend, selbstsicher, einen Helm unter dem Arm, ein Schwert in der Rechten.
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'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]]
Richeza von Scheffelstein y da Vanya sah den Magier schweigend an. Ihr Blick folgte dem seinem zu dem Bild der verstorbenen Junkerin und verharrte dann eine Weile auf dem Gemälde, das neben dem Domna Rifadas hing. Es zeigte eine junge Frau mit verträumtem Gesichtsausdruck, gekleidet in ein blaues Samtkleid. Sie trug eine Kette mit einem schwarzgrün gemaserten Stein um ihren Hals, eingefasst in bronzene Blattranken.
Amaros und der Edlen Blicke begegneten sich wieder. Ihr Schweigen hatte etwas Unangenehmes, fast Anklagendes. Als sie sprach, war ihre Stimme leise und gefasst. "Ihr habt gesagt, Ihr wäret erst, nachdem diese Briganten abgezogen seien, an den Ort des Hinterhalts zurückgekehrt. Wer sagt Euch, dass sie nicht weiter geritten ist? Habt Ihr den Leichnam Domna Rifadas gesehen? Woher wollt Ihr wissen, was wirklich passiert ist?"
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'''Autor:''' [[Benutzer:Lindholz|Lindholz]]
"Verzeiht, ich dachte, man hätte Euch über die weiteren Ereignisse in Kenntnis gesetzt", antwortete Amaros von Lindholz mit belegter Stimme "Es ist wahr, dass ich Domna Rifada nach unserem Gespräch nicht wiedergesehen habe, aber nachdem wir Dom Lucrann in Schrotenstein Bericht erstattet hatten, schickte er sofort Männer aus, die sich an die Bergung machten. Die Schlucht ist vom Höhenweg nicht erreichbar, aber es gibt einen Zugang. Es wird jedoch eine Weile dauern, bis man zur Kutsche vorgedrungen ist. Eurem Onkel war die Ungewissheit ebenso unerträglich wie die Vorstellung, womöglich den Leib der Domna Rifada auch nur einen Herzschlag länger als nötig den wilden Tieren auszusetzen. So ließ er einen Mann mit ausreichend Vorräten abseilen, der über sie wachen möge. Durch ein abgemachtes Signal bestätigte dieser unsere Befürchtungen."
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'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]]
Richeza von Scheffelstein y da Vanya blickte den Magier stumm an. Ihr Gesicht war blass, ihre Lippen trocken und rissig, unter den dunklen Augen lagen tiefe Schatten. Die altmodische Kleidung hing an ihr herab und verbarg ihren Leib, als steckte dieser in einem unförmigen Sack. An der Rechten trug sie einen Siegelring an einem Finger, dessen rosige Haut sich von der Farbe der restlichen Hand abhob wie eine jüngst verheilte Wunde. Um den Hals trug die Edle zwei Lederbänder. Eines lag unter der Kleidung, das andere darüber. An diesem hing ein schwarzgrün gemaserter Stein, eingefasst in bronzene Blattranken.
Die Edle schwieg. Schließlich sagte sie: "Aber Ihr habt nicht gesehen, wer sie da hinunter gestoßen hat? Ob sie wer gestoßen hat? Ob es einen Kampf gegeben hat?"
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'''Autor:''' [[Benutzer:Lindholz|Lindholz]]
"Ich sah nur die Entschlossenheit in Ihren Zügen; den unbeugsamen Willen in Ihren Augen, als sie dem Überfall entgegen ritt, obwohl sie wusste, welche Übermacht sie erwartete", gab der Baronssohn zur Antwort. "Was dann geschah, können wohl nur die Toten sagen. Und jene gottlosen Briganten. Vielleicht hören wir schon bald Gerüchte, wenn der Wein ihre Zungen in der nächsten Taverne löst."
Mit Interesse musterte Amaros von Lindholz die Halskette. Ein Erbstück von überraschend wenig weltlichem Wert für eine so altehrwürdige Familie. Das Licht der Öllampen ließ sein Haar wie Gold erstrahlen als er erneut zu den Portraits hinübersah, um den Blick nicht ungebührlich auf das Rahjafenster der Domna Richeza zu richten deren Schönheit selbst durch die Erschöpfung, die unförmige Kleidung, den abweisenden Blick schimmerte, wie der silberne Mond durch graue Regenwolken.
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'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]]
"Und diese ... Briganten?", fragte die Domna weiter. "Wer waren die? Wen habt Ihr erkannt? Wieso wussten die von dem Wagenzug? Denn sie werden kaum zufällig in dieser Zahl ausgerechnet auf diesem abgelegenen Höhenzug aufgetaucht sein. Und so, wie Ihr und wie Abelardo ihre Kleidung beschrieben hat, waren sie keine Bauern. Also: Woher wussten die, dass sämtliche Schätze des Hauses da Vanya und die alte Praiosmin an diesem Tag zu dieser Stunde dort auftauchen würden? Und vielleicht auch meine Tante?" Der Blick der Edlen war grimmig, als Amaros sich ihr wieder zuwandte.
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'''Autor:''' [[Benutzer:Lindholz|Lindholz]]
"Ich stimme Euch zu: Es ist anzunehmen, dass der Wagenzug erwartet wurden. Gut möglich, dass jemand aus der Dienerschaft des Castillo Albacim die Absichten seiner Eminenz bewusst oder unwissend weitergegeben hat", mutmaßte Amaros von Lindholz. "Erkannt habe ich niemanden, aber das dürfte kaum überraschen, denn schließlich bin ich hier fremd. Es wäre vermutlich erfolgsversprechender, Ihr fragt Euch selbst, Domna Belisetha oder einen beliebigen Bewohner Selaques, wer Eure Familia solch ein Unglück wünscht, wer so gierig und gottlos ist oder wer der Reichsvögtin so treu-dumm dient, statt eine Antwort von mir zu erwarten. Oder wollt Ihr mich in Wahrheit nur zu einem Geständnis bringen?"
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'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]]
Richeza von Scheffelstein y da Vanya musterte den Magus unverfroren, ehe sie den Blick ab- und den Gemälden wieder zu wandte, das Funkeln in ihren Augen erlosch und mit der Anspannung jede Kraft aus ihrem Körper zu weichen schien. "Nein", sagte sie nur. "Es werden Schergen der Elenterin gewesen sein. Vielleicht auch der Harmamund. Was spielt das auch für eine Rolle?"
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'''Autor:''' [[Benutzer:Lindholz|Lindholz]]
"Sie haben Kämpfer erschlagen, die das Banner des Götterfürsten trugen. Wenn sie und jene, in deren Auftrag sie handelten, die Strafe für Ihr Tun nicht schon in dieser Welt trifft, so wird es sie in der nächsten Welt erwarten", antwortete Amaros. "Ob das Eurem Herzen an Genugtuung ausreicht, vermag ich freilich nicht zu sagen. Es ist nicht einfach, das Feuer eine Blutfehde zu löschen. Meinem Vater war es wohl nur möglich, da er uns in der Fremde, fern von allem groß gezogen hat."
Dass weder seine Schwester Alisea noch er selbst die Entscheidung ihres Vaters sonderlich zu schätzen gewusst hatten, verschwieg er lieber.
"Einer meiner Vorfahren, nach dem ich benannt wurde, lenkte einst das Schicksal Almadas, wie es auch Eure Ahnen taten. Meine Schwester hat unseren Namen gegen den einer anderen Familia getauscht. Wir wenigen Verbliebenen, die wir dieses Erbe auf unseren Schultern tragen, müssen gut auf uns acht geben. Nicht nur für unser eigenes Wohl, sondern auch für das jener, die nach uns kommen."
Der junge Magier räusperte sich: "Entschuldigt, Domna Richeza, ich sollte Euch nicht mit solchen Geschichten langweilen."
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'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]]
Richeza von Scheffelstein y da Vanya schwieg wieder. Einmal sah es so aus, als wolle sie etwas fragen, aber sie öffnete und schloss den Mund und zuckte dann mit den Schultern. "Es ist mir gleich, in welcher anderen Welt irgendwer bestraft wird oder auch nicht. Das nützt den Toten nichts und mir auch nicht. Das macht niemanden wieder lebendig, und es beseitigt auch keine Probleme in diesem Leben. Weder Probleme, noch Frauen, die meinethalben in den Niederhöllen erfrieren könnten." Düster betrachtete sie den Magus, ließ den Blick weiter über die Gemälde schweifen. Ihrer Kehle entsprang ein merkwürdiges, halb ersticktes Seufzen.
Sie wandte sich dem Magier wieder zu. "Kann ich noch irgendetwas für Euch tun, Dom Amaros?"
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'''Autor:''' [[Benutzer:Lindholz|Lindholz]]
Amaros von Lindholz schüttelte den Kopf: "Nein, zu großzügig, Domna Richeza, aber ich denke, das wird nicht nötig sein. Ich wünschte mir nur, dass Ihr meiner Anteilnahme gewahr seid. Habt eine borongesegnete Nacht."
Mit diesen Worten verbeugte er sich und machte kehrt. Er hatte beschlossen, in den Speisesaal zurück zu kehren und hoffte, dass sich entweder der Hausherr oder Domna Belisetha noch nicht zur Ruhe gebettet hatten. Es mochte die geringste Sorge der Domna Richeza sein, doch bei all den Widrigkeiten der letzten Zeit, sollte sie sich nun wirklich nicht noch mit einem Kleid belasten, in dem sie sich kaum bewegen konnte. Die Edle sah aus, als hätte eine gigantisch blaue Tulpe sie verschluckt! Er hoffte, Ihr mit etwas Unterstützung eines da Vanyas und eines Accuratum vor der Abreise wenigstens diese Sorge nehmen zu können.
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'''Autor:''' [[Benutzer:Lindholz|Lindholz]]
'''16. Tsa, am späten Abend, wenig später'''
Domna Belisetha starrte auf den gewürzten Wein, der langsam in ihren mageren Händen abkühlte. Sie hatte sich von ihrem Bruder und ihrem Sohn verabschiedet und war alleine, nahe dem wärmenden Feuer, zurück geblieben. Die Müdigkeit zehrte an ihr, doch noch wehrte sie sich dagegen, dem Drängen Bishdariels nachzugeben. Sie wusste, dass Borons Traumbote ihr in diesen Tagen keine erkleckliche Ruhe schenken konnte. Vielleicht war nur noch sein Rabenbruder überhaupt in der Lage dazu. Doch noch wollte sie nicht gehen, konnte nicht gehen. Sie seufzte, richtete sich auf und bereute es, als Feuerwogen ihren Körper fluteten.
"Euer Hochgeboren, was für ein Glück, Euch noch anzutreffen." Belisetha da Vanya erkannte die Stimme des Yaquirtaler Magiers, noch bevor er in ihr Blickfeld trat. Sein Eintreten hatte sie nicht bemerkt, versuchte sich jedoch weder ihre Überraschung, noch ihre Schmerzen anmerken zu lassen, als sie ihm ein gütiges Lächeln schenkte: "Dom Amaros, Ihr seid noch wach? Ein alter Körper wie der meine wird genügsam, doch ein junger Mann wie Ihr sollte sich den Schlaf gönnen, das ihm sein jugendliches Leben abverlangt."
"Ich danke Euch für diesen weisen Rat, Domna Belisetha, doch die Cortezza hält mich wach", erwiderte Amaros von Lindholz. "Verzeiht meine Dreistigkeit, doch mir scheint, die Reisegeraderobe der Domna Richeza ist für die derzeit herrschenden Wetterbedingungen nur im begrenzten Maße vorteilhaft. Wenn Ihr mir entsprechende Materialien zur Verfügung stellen könntet, würde ich diesem Umstand gern entgegenwirken."
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'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]]
Belisetha da Vanya betrachtete den Magier einige Augenblicke aufmerksam, ehe sie erneut lächelte. "Sehr freundlich, Dom Amaros, Eure Fürsorglichkeit ehrt Euch. Gleichwohl: Domna Richeza ist ... sehr eigenwillig, was ihre ... Garderobe angeht. Seid gewiss, dass wir bereits alles in die Wege geleitet haben, um ihr eine angemessene Gewandung schneidern zu lassen. Einstweilen wird sie mit dem Vorlieb nehmen, was sich in den Beständen unseres Hauses findet. In diesen ehrwürdigen Sälen residierte seit Langem keine junge Dame mehr, die nicht in Kette, Platte und Wappenrock gekleidet war."
Sie stellte den Becher auf einem kleinen Tisch neben ihrem Sessel ab und lehnte sich ächzend wieder zurück. "Aber dies ist gewiss nicht der Grund Eures Besuches. Habt Ihr gefunden, was Ihr über den Prozess des Ben Nasreddin herauszufinden hofftet?"
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'''Autor:''' [[Benutzer:Lindholz|Lindholz]]
"Tatsächlich war dies der einzige Grund, warum ich Euch heute Abend noch einmal aufgesucht habe.  Es stimmt mich traurig, dass Ihr mir nicht so viel Höflichkeit", 'und Guten Geschmack', wie er innerlich ergänzte, "zutraut. Ihr seht mich aber erleichtert, dass meine Sorge unbegründet war.
Und es freut mich, dass Ihr Euch noch an den Grund meines Hierseins erinnert", fuhr Amaros von Lindholz fort. "Was den Prozess gegen die Ben Nasreddin angeht, waren die Anschuldigungen wegen Hexerei wohl nicht haltbar und die Aufzeichnungen enthüllen wenig, was sonst von Interesse wäre. Doch die Zeit wird zeigen, ob dieses Wissen nicht trotzdem seinen Nutzen hat."
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'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]]
Domna Belisetha nickte bedächtig. "Die Zeit wird es zeigen, Dom Amaros." Sie sah an ihm vorbei in den Kamin. "Die Zeit heilt wenig, aber sie lässt uns das Vergangene in einem neuen Licht erscheinen. In einem anderen Licht."
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==[[Kaiserlich Selaque]], 18. und 19. Tsa 1036 BF==
==[[Kaiserlich Selaque]], 18. und 19. Tsa 1036 BF==
===Im [[Junkergut Vanyadâl|Vanyadâl]] und auf dem [[Castillo da Vanya]]===
===Im [[Junkergut Vanyadâl|Vanyadâl]] und auf dem [[Castillo da Vanya]]===
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