Chronik.Ereignis1043 Über die Grenzen hinaus 01
Edlengut Selkethal, Ende Rahja 1043 BFBearbeiten
“Domnatella ya Pirras?” Jodga, der Hausdiener des Edlen vom Selkethal, blieb in respektvollem Abstand stehen und wartete, bis er die Aufmerksamkeit der jungen Horasierin hatte.
“Der Edle Herr hätte nun Zeit für Euch. Wenn es Euch passt, bittet er zur Unterredung bezüglich Eurer Anfrage einer Ausbildung zu Pferde.” Der Mann sagte die Worte, als wenn sie für Gwena eine Bedeutung haben müssten - und offensichtlich hatten sie diese - doch es war offensichtlich, dass er selbst keine Ahnung hatte, worum es eigentlich ging. Er war nur der Bote.
Gwena schenkte ihm ein Lächeln, befreite sie diese Nachricht doch von der Langeweile auf diesem Bankett. Sie hatte auch nicht die rechte Lust dazu, aber Kyrilla und Rhymeo lagen ihr den Tag über damit in den Ohren. Letzten Endes wollte sie mit ihrer Stimmung den beiden nicht den Abend vermiesen. Sie schaute auf die Tanzfläche, wo sich die beiden ihren Vergnügungen hingaben und kurz erblickte sie auch Farfanya.
“Nun denn. Dann bringt mich zu Eurem Herrn. Wenn er sich schon die Zeit dafür nimmt, möchte ich ihn ungern warten lassen. Geht vor.”
Der Hausdiener führte die junge Horaiserin an den Rand des Platzes, wo Dom Algerio auf einem großen Lehnstuhl saß, die Beine entspannt übereinander geschlagen, einen Weinkelch in der offenen Rechten. Als er Gwena mit seinem linken Auge erblickte - das rechte lag wie stets hinter einer Augenklappe verborgen - lächelte er freundlich. Jodga wollte gerade dazu ansetzen, seinen Herrn über die Ankunft zu informieren, als dieser abwinkte.
“Nehmt Platz, Gwena”, sagte er, mit dem Weinkelch auf einen freien Stuhl schräg vor sich deutend.
“Danke dir, Jodga.” Mit diesen Worten schickte er seinen Hausdiener davon.
“Wein?”, fragte Dom Algerio wieder an Gwena gewandt.
Gwena nahm auf der ihr angeboten Sitzgelegenheit Platz. “ich möchte nicht unhöflich erscheinen, aber dankend ablehnen, Dom Algerio.” Sie räusperte sich. “Ich danke Euch, das Ihr trotz der festlichen Aktivitäten Zeit gefunden habt, um über meine Frage nachzudenken. Habt Ihr denn schon eine Entscheidung getroffen?”
Dom Algerio nahm einen Schluck aus seinem Kelch, setzte diesen dann vor sich ab. “Das habe ich”, sagte er schlicht, um dann ein paar Augenblicke verstreichen zu lassen. Sein Blick ruhte auf den Feierlichkeiten, bei den freudigen Menschen, und er ließ den Blick dort ruhen, als er weiter sprach. “Grundsätzlich bin ich gerne bereit, Euch zu unterrichten. Im Umgang mit Pferden, wie auch in allem weiteren, wenn Ihr mögt. Aber bevor ich auf meine Bedingungen eingehe… was sind Eure Vorstellungen?”
Damit wandte er den Blick vom Geschehen ab, fokussierte sich wieder auf Gwena.
“Nun, das ist nicht so einfach. Dieses Vorhaben ist aus dem Bauch heraus entstanden. Viele Gedanken konnte ich mir noch nicht machen. Was aber mein Ziel ist, steht fest. Mein Talent im Reiten auf jederlei Art und Weise zu verbessern. Kurz- oder Langstrecke, Gelände oder freies Feld, Lanzengang oder Kampf zu Pferd. Aber natürlich möchte ich auch mehr über die Zucht und Erziehung der Pferde erfahren. Um sie besser zu verstehen. Und besser auf ihre Zeichen zu achten. Daran scheiterte ich in einigen Momenten. Und wo könnte ich das besser als in Almada?”
Dom Algerio hörte aufmerksam zu, nickte ein paar mal. Als ihre Aufzählung der Dinge, die sie lernen wollte, länger und länger wurde, musste er unwillkürlich grinsen…
“In Ordnung. In Ordnung.” Er lächelte freundlich. “Dann hier meine Bedingungen… wenn man sie denn so nennen will. Zunächst einmal werde ich mich nicht die ganze Zeit um Euch kümmern können. Meine Verpflichtungen hier, in meinem Lehen, und meine Handelsbeziehungen gehen vor - aber, wenn Ihr mögt, könnt Ihr mich gern von Zeit zu Zeit begleiten und so nebenbei lernen. Zudem werde ich, wenn es erforderlich sein sollte, auf Eure Fähigkeiten als Kriegerin zurückgreifen. Zwar erwarte ich nicht, dass etwas passiert, Selkethal ist ein doch eher beschaulicher Ort, aber sollte es zu kämpferischen Handlungen in der Umgebung kommen, bin ich verpflichtet zu reagieren, und dann würde ich diese Verpflichtung für die Zeit der Ausbildung auf Euch erweitern.
Ich erwarte, dass unser Abkommen für mindestens zwei Götterläufe gilt, sonst brauchen wir es meiner Ansicht nach gar nicht erst beginnen, ich erwarte, dass Ihr oder Eure Familie für Eure Unterkunft und Verpflegung hier aufkommt, und ich möchte als Gegenleistung eine Warenschau auf den Ländereien der ya Pirras abhalten, zu der Eure Familie einlädt, zwecks potenzieller Erweiterung meiner Handelsbeziehungen - zu beiderseitigem Vorteil, versteht sich.”
Er nahm einen weiteren Schluck aus dem Kelch.
“Was sagt Ihr? Klingt das angemessen?”
“Eure Bedingungen hören sich angemessen an. Für die Dauer meines Aufenthalts hier, soll mein Schwert das Eure sein, im Sinne der Leuin. Wenn meine Begleitung Euch nicht stört, wäre ich bei Euren Reisen gerne an Eurer Seite, um Land und Leute kennenzulernen. Auch die Dauer ist mehr als recht. Die einzigen Dinge, die ich nicht entscheiden kann, sind die Zahlungen für Unterkunft und Verpflegung für mich und Kyrilla sowie die Warenschau, die ihr abhalten wollt. Was die klingende Münze angeht, entscheiden dies meine Eltern und meine Großmutter als Oberhaupt. Der Ort der Warenschau wird auch nicht einfach. Je nachdem, was ihr erwartet. In Efferdas besitzen wir einen Palazzo und so eine Veranstaltung in unserem Garten kann ich mir schwer vorstellen.“ Gwena musste lachen. “Unser Landsitz bei Malur ist immer noch im Umbau. Burg Margine ist unter der Obhut meines Onkel Lucrann. Dieser wäre der Sache bestimmt nicht abgeneigt, aber ob sich sonderlich viele Händler dorthin verlaufen würden, wage ich sehr zu bezweifeln. Liegt es doch sehr ländlich.” Ihre Mimik wurde nachdenklich.
Dom Algerio nickte zufrieden.
“Gut, dann solltet Ihr Eurer Familie schreiben.” Ein zufriedenes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. “Und was die Warenschau anbelangt - mich interessieren keine Händler. Ich benötige nicht viel Platz. Viel relevanter ist für mich, dass Eure Familie möglichst viele Freunde einlädt… aber das sind Details.”
Er hob erneut seinen Kelch.
“Ich würde sagen: Lasst uns Eurer Familie schreiben. Soweit ich es sehe, sind wir beide uns einig…!”
“Das sind wir und es erfüllt mich mit Freude, aber ich sollte die Gegebenheiten mit meinen Eltern und meiner Großmutter doch persönlich besprechen. Außerdem muss ich auch meinen Cousin zurück nach Methumis begleiten. Gerne könnt Ihr ein Schreiben mit Euren Vorstellungen verfassen, welches ich dann überbringen werde. Ich würde dann auch morgen bereits abreisen um noch genug Weg zu schaffen, bis die Namenlosen Tage anbrechen.”
Dom Algerio nickte zufrieden.
“So machen wir es!”
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