Chronik.Ereignis1044 Der eherne Schwur 01

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Reichsstadt Taladur, 7. Praios 1044 BFBearbeiten

In der Krypta der Halle der Erze (1. Rahjastunde)Bearbeiten

Autor: vivar

Drückende Praioshitze lag über der Streitturmstadt und ließ Zwerge wie Menschen schwitzen. Am heftigsten waren die Temperaturen in der schattenlosen Mitte des Gongplatzes, und die Taladuris, die an diesem wolkenlosen Praiostag unterwegs waren, schlichen ihren Geschäften mehr im Schatten der hohen Streittürme nach, als dass sie ihnen nachgingen.

Einige Schritt unterhalb des Platzes, am Tagungsort des Erzenen Rates, hätte es kühler sein sollen. Schließlich tagten die Stadtväter und -mütter Taladurs, wie es der Wille ihres Ratsmeisters war, seit vielen Götterläufen in einem fensterlosen Raum unter der Erde. Da es sich hier aber um die Krypta des Ingerimmtempels handelte, die von der Tempelesse erwärmt wurde, war es hier kaum angenehmer als in der prallen Sonne.

Zwar verdünnten die acht Ratsleute ihren Wein eifrig mit Eis, das von den schneebedeckten Gipfeln des Amboss herbeigekarrt war. Den Schweiß mussten sie sich dennoch regelmäßig von der Stirn wischen. Der einzige, dem die Hitze nichts auszumachen schien, war Galeazzo von Zalfor selbst, seines Zeichens nicht nur Ratsmeister, sondern auch Meister der Halle der Erze und somit höchste weltliche und geistliche Gewalt der Reichsstadt in einer Person. Bald 18 Jahre stand Hochwürden Galeazzo nun dem Rat und der Stadt vor und war in diesen Jahren stur und grauhaarig geworden. Er hegte keinen Zweifel daran, dass er auch ingerimmgefällige 22 Jahre im Amt bleiben würde.

„Nun denn, Doms y Domnas“, ließ er nun seine Predigerstimme ertönen. „damit wäre zum diesjährigen Wollmarkt ja wohl alles gesagt. Die Einzelheiten regelt der Wollmarktausschuss unter Leitung von Dom Morato.“ Der Zunftmeister der Weber, ein hochgewachsener, leicht buckliger Mann mit hervorstehenden Augen, nickte eifrig. Dom Galeazzo fuhr fort: „Kommen wir zu Punkt sieben der heutigen Sitzung: die fortdauernde Vakanz der gräflichen Administration über das Taladurer Umland. Ich erteile das Wort unserem Camerario.“

Mit gewichtiger Miene erhob sich Larderello Amazetti, ein attraktiver Mittfünfziger, und strich sich das wallende braune Haar hinters Ohr. Der städtische Camerario und Zunftmeister der Bronzegießer erfreute sich trotz seiner Amtspflichten eines Teints von der Farbe seiner Werkstücke. „Doms y Domnas!“, hub er an. „Über zehn Götterläufe ist es her, dass der letzte Administrador der gräflichen Lande, die unsere geliebte Heimatstadt von allen Seiten umgeben, vor Borons Seelenwaage getreten ist. Seither hat Spähricht sich beharrlich darüber ausgeschwiegen, wie es die Administration der gräflichen Lehenslande gewährleisten will. Die gräflichen Straßen verfallen! Die gräfliche Garde rückt kaum noch aus! In der Valguzia sammeln sich Marodeure und Bandoleros! Brave Comerciantes müssen für teuer Geld schweren Geleitschutz anheuern, um Taladur zu verlassen oder zu erreichen!

Die Folge, Doms y Domnas? Das Mercenariohandwerk blüht, der Comercio liegt darnieder! Eine allgemeine Teuerung erfasst das Land! Wer will noch Taladurer Kupferwaren, wer noch Taladurer Klingen kaufen, wenn er dafür gleich noch deren Träger bezahlen muss? Ich sage Euch: Der Zustand ist unhaltbar! Wann geruht unsere hochwohlgeborene Gräfin, endlich eine Entscheidung zu treffen?“

„Ganz recht, ganz recht!“, ereiferte sich Domna Laudomina von Zalfor. „Ihre Hochwohlgeboren sollte schleunigst wieder einen Administrador bestallen! Es ist guter Brauch, dass ein Patrizier –“

„Mein liebe Domna Laudomina“, unterbrach Domna Esmeralda Tandori, Zunftmeisterin der Kupferschmiede und Minenvogtin von Premura, in scharfem Ton die Patrizierin, „muss ich wirklich daran erinnern, was mit dem letzten Administrador aus der Familia von Taladur ä. H. geschehen ist? Ich entsinne mich auch noch gut der Zeiten, als der Administrador noch in Amt und Würden war und meinte, seine Aufgaben von Punin aus wahrnehmen zu müssen. Es gab andauernden Zwist mit den gräflichen Gardisten, die Geiern gleich nach unseren Erzen und unseren Metallen gierten. Statt Bandoleros verlegten einem die Gräflichen den Weg. Die heutige Lage mag unbefriedigend sein, aber sie hat auch ihre Vorteile - unsere Garden könnten die Straßen und Landgüter Taladurs genauso gut bewachen. Eine abwesende gräfliche Administration begünstigt mehr Präsenz der Reichsstadt. Es könnte mehr für die Stadt abfallen - wenn wir unsere Taladurer Wehr ausbauen würden, nicht wahr, Capitán?“ Sie wandte sich Gardecapitán Sacramoro Mengozzi zu.

„Hm, man könnte… die städstische Garnison verdoppeln“, meinte dieser und zwirbelte sich den Schnauzer.

„Oder die von San Cardasso“, erwiderte Domna Esmeralda. „Schließlich lässt sich von dort das Taladurer Umland gut beschützen. Ich schlage vor, aus der Stadtkasse -“

„Merkt Euch doch, was Ihr sagen wolltet, Domna Esmeralda“, unterbrach sie da der Ratsmeister. „Mengozzi! Wo ist denn die Burgcapitana, wenn man sie braucht?“

Noch ehe der Gardecapitán antworten konnte, flog die Tür auf und Contessina Amazetti, gerüstet und den Calabreser in der Rechten, stürmte herein.

„Ah… Burgcapitana.“ Der Ratsmeister sprach gedehnt und machte dann eine Pause. „Wir sprachen gerade von Euch. Wie erfreulich, dass auch Ihr geruht, nach erst sechseinhalb Tagesordnungspunkten Eure Ratsbrüder und-Schwestern mit Eurer Anwesenheit zu beehren.“

Contessina, mit vor Erregung geröteten Wangen, ignorierte die Spitze und rief stattdessen in die Runde: „Wir haben ihn! Wir haben ihn erwischt!“

„Erklärt Euch, Burgcapitana!“, entgegnete Dom Galeazzo unwirsch.

León Dhachmani de Vivar, den Baron im Taubental! Wir haben ihn erwischt!“

Larderello Amazetti und Esmeralda Tandori begannen zu pfeifen und auf den Tisch zu trommeln. „Hurra! Hurra!“

Domna Laudomina dagegen erblasste vor Sorge. „Was? Einen Magnaten und Descendiente? Seid Ihr von Sinnen?“

Die beiden zwergischen Ratsmitglieder blieben ungerührt. Vielleicht machte ihnen auch nur die Hitze zu sehr zu schaffen.

Der Ratsmeister nahm einen kleinen Hammer und klopfte damit gegen eine Glocke. „Ruhe im Saal! Ruhe, in Ingerimms Namen! Der Reihe nach!“

Contessina nahm Haltung an und blickte geradeaus, auf einen Punkt hinter Dom Galeazzo. „Dom Ratsmeister! Ich hatte Befehl, den Gesuchten, León Dhachmani de Vivar, wegen ausstehender Schulden der Baronie Taubental bei den Häusern Tandori, Amazetti, Cavazaro und weiterer, sowie wegen Totschlags an den Gebrüdern Tandori zu verhaften, sobald er Taladurer Stadtgebiet betritt.“

Ungeduldig wedelte Dom Galeazzo mit der Hand. „Das weiß ich doch, Burgcapitana. Ich habe den Befehl ja unterzeichnet. Wieso hat sich der Nichtsnutz in die Stadt gewagt?“

Contessina konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Er hat in einem Schafstall von San Cardasso seinen Rausch ausgeschlafen. Da habe ich die Gelegenheit genutzt und –“

„Halt!“, unterbrach sie der Ratsmeister. „Schreiberin! Hinaus! Die Sitzung ist ab sofort geheim!“

Die Ratsschreiberin nickte stumm, packte Tintenfass, Federkiel sowie die angefangene Niederschrift der Sitzung ein und verließ mit hängenden Schultern den Saal. Die Ratsleute blickten ihr schweigend hinterher. Als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, winkte der Ratsmeister Contessina zu, fortzufahren.

„…also, ich habe die Gelegenheit genutzt und ihn ordnungsgemäß arretiert. Derzeit steckt der Kerl im Karzer von San Cardasso und schaut sich den Schimmel an den Wänden an.“ Ihr Grinsen wurde breiter.

Domna Laudomina erhob die Stimme: „Da habt Ihr uns was eingebrockt, Burgcapitana! Dom León ist nicht irgendwer! Nicht nur ist der Baron im Taubental ein Magnat Almadas und aus einem der bedeutendsten Geschlechter der Waldwacht. Er ist auch der Gemahl der Gräfin von der Südpforte und der Bruder des Puniner Stadtcamerarios!“

„Außerdem“, warf Ubolosch Sohn des Ugatosch ein, „hat der Vivar gemeinsam mit dem Viryamun erst vor 19 Jahren Väterchen Rabosch wiedergefunden. Auch unsere Gräfin schätzt die Descendientes.“

„Pah!“, schnaubte Contessina. „Ein Mörder ist er!“

„Und ein Schuldner!“, ergänzte Esmeralda Tandori. „Die Stadt - Ihr, Dom Ratsmeister! - hat zugesichert, ausstehende Schulden der Taladurer Familias zu sichern. Dem Vivar muss der Prozess gemacht werden! Und er muss uns unsere Dukaten zurückgeben, auch wenn er sie aus seinem Blut herausschwitzt! Steht Ihr zu Eurem Wort, Ratsmeister?“

„Ja, ja, natürlich“, erwiderte dieser ärgerlich. „Aber was meine Schwester und Maestro Ubolosch vorbringen, ist nicht von der Hand zu weisen. Wenn die Vivar erfahren, dass einer der ihren in Taladurer Haft sitzt, werden sie den Viryamuns, den Braastern und denen vom Berg Bescheid geben – deren Bedeutendste die Gräfin Gerone von der Südpforte, die Gemahlin Dom Leóns, ist! Wenn die Descendientes sich zusammenschließen, dann hat unsere Heimatstadt bald ganz andere Probleme als ein paar zerlumpte Marodeure auf der Grafenstraße! Habt Ihr das bei Eurer ordnungsgemäßen Arretierung bedacht, Burgcapitana?“

Contessina zog die Brauen zusammen, reckte das Kinn hoch und ballte die ihr verbliebene rechte Hand. „Taladur hat das Recht auf seiner Seite!“, presste sie hervor.

Da sprang Morato Hayando auf und wies anklagend mit dem Finger auf Contessina. „Das hilft uns wenig, wenn auf der anderen Seite die halbe Waldwachter Nobleza mit ihren Waffentreuen steht! Dann ist es aus mit dem Comercio! Aus!“

„Ha!“ Aus Contessinas dunklen Augen sprühten Funken. „Die Türme Taladurs hat noch kein Adelsheer eingenommen, Maestro Hayando! Und sind wir nicht eine Reichsstadt? Ist nicht die Kaiserin unsere Herrin? Sollten die Descendientes so wahnsinnig sein, uns anzugreifen, so wenden sie sich gegen die Kaiserin selbst!“

Man konnte Dom Galeazzo ansehen, dass er eine Intervention der Kaiserin nicht nur für wenig wahrscheinlich hielt, sondern sie auch tunlichst vermeiden wollte. Wenn die Kaiserin zu genau auf ihre eigene Stadt schaute, würde sie vielleicht entdecken, was sie aus seiner Sicht nicht zu interessieren brauchte. Und dies mochte gar verhindern, dass er die ingerimmgefälligen 22 Jahre als Ratsmeister erreichte. Er räusperte sich. „Doms y Domnas! Offensichtlich ist die Lage delikat. Der Schurke bleibt vorerst, wo er ist – hinter Schloss und Riegel. Er wird mit niemandem sprechen, niemanden empfangen und mit niemandem korrespondieren. Zu gegebener Zeit wird der Erzene Rat die Beratung in dieser Angelegenheit fortsetzen. Bis dahin“ – er hob die rechte Hand – „zu niemandem ein Wort. Schwört, im Namen Ingerimms des Mächtigen, Praios des Gerechten, und Phexens des Verborgenen!“

Neun Schwurhände reckten sich gen Alveran.