Baronie Dubios, 4. Tsa 1036 BF

Landedlengut Quaranca, vormittags im Dubianer Forst

Autor: Der Sinnreiche Junker

Der Condottiere versteckte das herzhafte Gähnen hinter dem nietenbesetzten Lederhandschuh. Viel zu früh. Viel zu kalt. Und vor allem hatte er nie den Reiz von Treib- und Drückjagden nachvollziehen können. Treiber und Hundemeuten scheuchten das Wild in seinen Einständen auf, und an den bekannten Wechseln warteten die Jäger. Bei größeren Jagdgesellschaften streng nach Rang geordnet, versteht sich. Hätte beispielsweise Graf Brandil zur Jagd geladen, so stünde nun er hier an ihrer Stelle, mit dem Privileg des ersten Schusses. Es sei denn, es gab einen (ranghöheren) Ehrengast. Dann folgte, verteilt an diesem Wechsel, die gräfliche Familia und mit etwas Glück der eine oder andere bedeutende Baron. Die Niederadligen schließlich bekamen am letzten Wechsel bestenfalls noch ein paar Hasen vor Bogen und Armbrust.

"Langweilt Euch meine Gesellschaft, Geliebter?" Der leicht spöttische Unterton seiner Verlobten riss ihn aus seinen Gedanken. Offenbar hatte sie aus dem Augenwinkel entweder doch das Gähnen gesehen, oder aber die verräterische Handbewegung, mit welcher er es hatte verbergen wollen.

"Niemals, meine Teuerste. Nur diese Art des Jagens." Immerhin entschädigte ihn der Anblick seiner Verlobten für diese vergleichsweise wenig aufregende Angelegenheit. In ihrem eng anliegendem Jagdkostüm war sie im ersten Tageslicht der Mittelpunkt von Castillo Quaranca gewesen, und das nicht nur, weil die goldenen Intarsien ihres waldgrünen Wamses warm die ersten Strahlen der Praiosscheibe einfingen.

"Meine Schwester hat mir erzählt, Ihr teiltet ihre Leidenschaft für Falknerei. Was bitteschön ist aufregender daran einem Vogel bei der Jagd auf einen anderen zuzusehen?"

"Nun ja, gewisslich hat Domna Concabella Euch dann auch erzählt, dass es bei der Falknerei nicht nur um die Jagd an sich geht, sondern auch um Zucht und Abrichten der..."

"...langweilig", unterbrach die Grafentochter ihn, und hielt sich demonstrativ die in einem Wildlederhandschuh steckende schlanke Hand vor den Mund, so als wäre es nun an ihr zu gähnen. "Und erzählt mir nichts von der Schönheit der Vögel und ihres Fluges. Langweilig, langweilig, langweilig."

"Wie Ihr meint, meine Liebe. Gewiss könnt Ihr dann nachempfinden, dass ich lieber dort unten wäre." Er deutete hinab ins bewaldete Tal. "Aug' in Aug' mit einem Keiler, den Wurfspieß oder die Saufeder in der Hand. Das, Teuerste, ist Jagen. Nicht was wie hier tun."

"Womit wir wieder bei der ursprünglichen Frage wären: langweilt Ihr Euch in meiner Gesellschaft?"

Hernán von Aranjuez seufzte ob ihrer Schnippigkeit. "Glaubt nicht, dass ich nicht bemerkt habe, dass Ihr mir grollt."

Rahjada von Ehrenstein-Streitzig wendete kurz das schöne Antlitz in seine Richtung, die Augen leicht zusammen gekniffen. Dann blickte sie wieder in Richtung des Wildwechsels. "Warum sollte ich Euch grollen? Weil Ihr, statt meine und meiner Familia Feinde auszuradieren, lieber gemeinsame Sache mit ihnen macht?"

"Ihr wisst, dass das nicht wahr ist. Hier geht es um Praiosmin von Elenta." Nun war es an ihm beleidigt zu klinge. Zumindest ein wenig.

Seine Verlobte indes winkte nur ab. "Ach, hört doch auf. Ihr benehmt Euch als wärt Ihr irgendein kleiner Landjunker. Schickt Eure Soldaten, schickt Eure Mercenarios. Warum müsst Ihr Euch selbst daran beteiligen?"

Einen Moment lang schwieg der Baron und Junker. "Weil ich dann befürchten müsste, dass Ihr die Sache an die Elenterin verratet. Ich hoffe Ihr habt etwas mehr Skrupel Rifada da Vanyas Kletterseil durchschneiden zu lassen, wenn Ihr wisst, dass auch Euer Verlobter dran hängt."

Wiederum wandte sich Rahjada von Ehrenstein-Streitzig halb um, und einen Augenblick lang teilten sie beide das gleiche, gefährliche Lächeln. "Wenn ich Euch gewähren lasse...", sprach sie schließlich "...versprecht Ihr dann, dass es das letzte Mal war, dass Ihr Euch auf die Seite dieser grässlichen Vettel schlagt?"

Der Aranjuezer kaute auf seiner Unterlippe herum. "Uns verbinden Angelegenheiten der Ehre", begann er vorsichtig. "Es wäre daher törricht ein solches Versprechen abzugeben." Natürlich gefiel er diese Antwort nicht, man konnte sehen wie sich ihr Körper verspannte. Doch wie maß man solcherlei Schulden? Die Vanyadâlerin hatte damals im Burghof von Castillo da Vanya ihren Rückzug, ihre Flucht gedeckt, war bereit gewesen ihr Leben zu opfern. Sicherlich, er war ihr und den ihren in der Folge gleichfalls behilflich gewesen, teils ebenfalls unter Gefahr für Leib und Leben, doch wann war die Waage ausgeglichen? Konnte derlei Schuld überhaupt jemals getilgt werden, oder war er in einem ständigen Kreislauf gegenseitiger Gefälligkeiten gefangen?

Abermals rissen ihn die Worte Rahjada von Ehrenstein-Streitzigs aus seinen Gedanken: "Dann werdet Ihr sicherlich verstehen, Liebster, dass ich für meinen Teil dann nicht versprechen kann, mich nächstes Mal nicht gegen sie zu stellen. Sie ist eine geschworene Feindin meiner Familia. Je eher sie ins Gras beisst, desto besser."

So unvernünftig wie sich Rifada da Vanya teilweise gebärdete, war dies ohnehin nur eine Frage der Zeit. Hernán von Aranjuez nickte. Soviel musste er seiner zukünftigen Gemahlin wohl oder übel zugestehen. "Mit etwas Glück trifft sie ohnehin demnächst der Schlag, so wie sie sich über Euch echauffiert", versuchte er es mit einem Scherz.

Rahjada da Vanya lachte nicht. "Wie alt ist ihre Tante Belisetha mittlerweile?" Ein berechtigter Einwand. Bedachte man das hohe Alter Alt-Baronin von Schrotenstein und den mehr als rüstigen Eindruck den Rifada da Vanya erweckte, war wohl kaum mit einem baldigen Ableben zu rechnen. Es sei denn jemand hülfe ein wenig nach.

"Touché", musste er einräumen. "Aber wenn Praiosmin von Elenta einmal aus dem Weg ist, glaube ich nicht, dass wir noch viel von ihr hören werden. Sie war wahrscheinlich seit Jahrzehnten nicht mehr in Ragath, und ist jetzt auch nur wegen dieser Sache aus ihren Bergen herabgestiegen. Ist ihre Herrschaft im Vanyadâl erst einmal unumstritten, mag sie ruhig dort bleiben und ihren Groll pflegen. Und eines mehr oder weniger fernen Tages wird diese Fehde dann auch mit ihr sterben."

"Die da Vanyas werden ihre Ansprüche niemals aufgeben", schüttelte die Grafentochter das Haupt. "Würdet Ihr etwa? Oder würde ich? Sie werden uns immer hassen."

"Mhm...nun gut, aber wer bleibt dann in einigen Jahren noch? Seine Eminenz ist sogar noch älter als Domna Belisetha und noch dazu kinderlos. Deren Sohn Lucrann ist ledig und wahrscheinlich nur eine seiner Reisen nach Weiden von einer Anklage wegen Felonie entfernt. Nachdem der bedauernswerte Dom Moritatio den Ferkinas zum Opfer fiel, bleibt Domna Rifada nur noch ihre Tochter Gujadanya. Aber die lebt auf Keshal Rondra, und glücklicherweise leben wir nicht zu Zeiten Hals, wo man solchen Leuten Grafentitel gegeben hat, nur um uns Altadeligen ins Gesicht zu spucken. In ein paar Jahren hat sich der da Vanya-Spuk von selbst erledigt."

"Ihr habt die Scheffelsteinerin vergessen."

"Domna Richeza?" Hernán von Aranjuez runzelte die Stirn. "Sie ist so viel da Vanya wie ich ein Harmamund. Natürlich vergisst man nicht woher man kommt, insbesondere wenn die Not groß ist. Aber ich mache mir ja auch nicht tagtäglich Gedanken über die Nachfolge Seiner Durchlaucht."

Mit hochgezogenen Augenbrauen sah Rahjada von Ehrenstein-Streitzig ihren Verlobten an, so als wolle sie sagen: ich wäre enttäuscht, wenn Ihr nicht genau dies sehr wohl tätet. Stattdessen aber sah sie wieder hinunter zum Wildwechsel. "Ich glaube es ist soweit."

In der Tat war in der Ferne Hundegebell zu hören, sodass die ersten Tiere wohl alsbald in ihr Schussfeld laufen würden. Mit der Ruhe des alten Soldaten setzte der Baron und Junker den Fuß in den Bügel der Leichten Armbrust und legte die Zahnradwinde auf um ihre Waffe zu spannen...