Chronik.Ereignis1032 Besuch aus Albernia 01
Baronie Yasamir, Rondra 1032 BFBearbeiten
Auf der Straße nach YasamirBearbeiten
Autor: Benutzer:Jan Ida
Nur noch wenige Stunden trennten Selina Castos von dem ragathischen Städtchen Yasamir. Ob es einen ebenso sauberen Eindruck machen würde, wie die anderen Landstädte mit ihren weiß gekalkten Wänden? Hier wirkte alles so beschaulich - friedlich und das nicht nur während der Mittagsstunden, wenn die Einheimischen für einige Zeit ihr Tagwerk zu unterbrechen beliebten.
Alles schien soviel leichter, müheloser unter der Sonne Almadas, die dem Land relativem Reichtum und gute Weine brachte. Kurzum: Es hätte keinen größeren Kontrast zu dem vom Krieg verwüsteten Albernia geben können.
Vieles lag schon hinter ihr. In Kuslik war sie mit einem Segler der Albernischen Handelscompagnie angekommen. Galydia hatte ihr geraten, von dort ein Flussschiff bis Punin zu nehmen. Selina hätte freilich auch weiter fahren können. Hoch den Yaquir bis nach Pertakis. Doch ihrer Schwägerin war in letzter Minute eingefallen, dass Selina noch einige weitere Besorgungen erledigen könnte – wenn sie schon einmal in Kuslik vorbeikam. Was blieb ihr übrig als zuzustimmen? Beinahe bereute sie, dass sie Aelfwyns Bitte sie begleiten zu können, ausgeschlagen hatte. Er hätte diese ganzen Besorgungen gut erledigen können. Aber es war wichtiger, dass er hier in Havena blieb, falls in der nächsten Zeit eine Entscheidung über Retos Schicksal gefällt würde.
So stattete Selina zuerst einem betagten Onkel Galydias einen Besuch in seinem Stadthaus ab. Sie sollte dort einen Brief übergeben. Der Herr des Hauses Ruwal Toras - Magier und Kaufmann wie Galydias Vater Gavin Toras - war offensichtlich recht erfreut über die Nachricht seiner Nichte. Doch allzu viele Fragen, was denn nun im Norden wirklich Sache sei, hatte der Brief wohl offen gelassen. "Nun, Wohlgeboren Castos. Seid bedankt!", sagte er mit ausgesuchter Höflichkeit. "Es ist schön, wieder von meiner Nichte zu hören. Im Moment erfährt man allzu wenig aus dem Norden. Ihr hättet nicht zufälligerweise Zeit, heute Abend mein Gast zu sein und mir mehr zu berichten, was so in Albernia vor sich geht?" Den berechtigten Einwurf Selinas, dass sie noch vorhabe, einen Schreiber in der Stadt zu besuchen, um zwei bestellte Bücher für Galydia abzuholen, wiegelte der ältere Herr ab: Natürlich werde es ihm eine Freude sein, das durch einen Diener bewerkstelligen zu lassen. Auch werde er dafür sorgen, dass die Bestellung rechtzeitig auf das Schiff der AHC zum Rücktransport nach Havena gebracht werde. Dieses Angebot auszuschlagen war unmöglich, ohne grob unhöflich zu sein, und so verwünschte Selina ihre Schwägerin für ihre Ideen – nicht zum letzten Male an diesem Abend und auf dieser Reise– und nahm die Einladung des alten Mannes an.
Wenn der erwartet hatte, dass sie sich zum Abend umkleiden würde, zeigte er seine Verwunderung zumindest nicht.
Das Haus begrüßte sie mit weiten, sonnendurchfluteten Räumen und einschüchterndem Prunk, die Halle allein kam ihr im ersten Moment größer vor als das ganze Gutshaus in Völs. Natürlich war sie das nicht, doch trotzdem, Galydias Onkel war ein bedeutender Mann, zumindest ein reicher… vermutlich hätte er allein mit dem Geld in der Schublade seiner Kommode ganz Albernia vor dem Hunger im letzten Winter retten können. Selina trank nur vorsichtig vom dem schweren Wein, den Galydias Onkel vor dem Essen zum Appetit anregen offeriert hatte, um ihre Gedanken zusammenhalten zu können. Sie wusste wenig genug von dem, was in Albernia vorging, das wollte sie nicht auch noch vergessen.
Dafür wusste sie, dass das Abendessen kurzweilig werden würde, zumindest für ihren Gastgeber, als sie sehr viel Besteck an jedem Platz entdeckte, darunter einiges, das sie überhaupt nicht kannte.
Wieso isst man Krebse, na gut, Hummer, mit irgendwelchem Gerät und wie bei Travia stellt man das an? Selinas Bemühungen, ihren Gastgeber bei der Handhabung zu imitieren, waren nur von mäßigem Erfolg gekrönt. Ohne aufzusehen, hantierte sie mit den ungewohnten Hilfsmitteln und war sichtlich erleichtert, als schließlich irgendetwas Anderes auf den Tisch kam, für das man kein Mechanikus zu sein brauchte.
Dass ihr Gastgeber ihr die Sache weniger peinlich machen wollte und sie immer wieder nach diesem oder jenem fragte, machte die Sache nicht wirklich besser. Wie kann man an solch einem reich gedeckten Tisch vom Hunger erzählen, davon, wie Hamster und Mäuse ausgegraben werden, um sie mit Weidenrinde zu kochen? Wie kann man in einem so glücklichen Haus von Krieg und Tod erzählen? Wie kann man inmitten dieses erdrückenden Wohlwollens vom Hass sprechen, von den ehrlosen Arrangements, die einige mit dem Feind geschlossen hatten? Selina vermutete ohnehin, dass ihr Gastgeber diese Arrangements eher als vernünftig denn ehrlos einstufen würde.
Ihre Antworten waren darum kurz und karg, und wohl weit weniger informativ, als sich der alte Mann versprochen hatte.
Wenn Ruwal enttäuscht war, so verbarg er gut. Er schien den Abend trotz allem zu genießen. Es wäre eine angenehme Abwechslung zu all den üblichen Feierlichkeiten. Außerdem seien Kinder und Enkel zurzeit außer Haus zu anderen Verwandten.
Insgesamt verbrachte Selina so mehr Zeit in Kuslik als sie eigentlich vorgehabt hatte, konnte jedoch am frühen Morgen mit einem Flussschiff nach Pertakis weiterreisen. Außerhalb der Stadt - beim Herrensitz eines wahrhaftigen Comtos mit einem unaussprechlichen langen Namen übergab sie erneut einen Brief. Die Befürchtung zu einem weiteren anstrengenden Abendessen geladen zu werden, bewahrheitete sich jedoch nicht, da der Herr des Hauses - so die Dienerschaft - nicht zugegen war. Rechtzeitig genug ging es so nach Punin - zur letzten Zwischenstation. Der Trubel der Stadt konnte sich in vielem mit Kuslik und Havena messen, doch war hier teilweise auch der tulamidische Einfluss nicht zu übersehen - zumindest wenn man aus Albernia kam. Mit gerunzelter Stirn nahm sie diese Spuren des Südens wahr, sie erinnerte sich mit Unbehagen an die Ereignisse in diesem Gasthof im letzten Winter. Sie schüttelte die Erinnerungen ab und folgte der großen Strasse, die ins Zentrum der Stadt führte. Irgendwo hier würde wohl auch die Magierakademie liegen, wo sie sich nach ihren Töchtern erkundigen wollte. Sie hatten geschrieben, dass sie nach ihren bestandenen Prüfungen als Lehrer für die jüngeren Schüler arbeiten würden, vielleicht waren sie ja immer noch hier. Selina hatte diesen Brief ihrer Zwillinge, sie schrieben meist beide an einem langen Brief, erst Monate später zu Gesicht bekommen, als sie aus dem Wald nach Völs zurückgekehrt war. Zusammen mit der noch älteren Einladung zu den Abschlussprüfungen, die dann natürlich längst Geschichte waren.
Neugierig betrachtete sie die Häuser und musterte die Entgegenkommenden, fragte schließlich doch noch einmal nach dem Weg und betrat dann schließlich mit gemischten Gefühlen das pompöse Gebäude –alles, was mit Magie zu tun hatte, betrachtete sie mit großer Skepsis. Und Lyn und Yana… sie hatte sie vor zehn Jahren das letzte Mal gesehen. Wie sie sich wohl entwickelt hatten? Sie versuchte, die Unruhe, die sich in ihr breit machen wollte, zurückzudrängen.
Ein junger Scholar passierte sie - wohl kaum 16 Sommer zählend mit einem Buch unter dem Arm. Er schien in Gedanken - und bemerkte sie offensichtlich erst spät. Sie wollte ihn ansprechen, als sie aus einer anderen Ecke eine vage bekannte Stimme hörte.
Ein Magier in einer schlichten Robe stand dort. Mitte sechzig, die wachen, hellen Augen hinter Gläsern verborgen. Seine weißen Haare fielen ihm bis auf die Schultern, der Bart bis auf die Brust.
"Hafud -", sagte er vorwurfsvoll zu einem jüngeren Magus. "was habe ich Dir beigebracht? Über Alchimie?"
Der Angesprochene zuckte mit den Schultern.
"Ich weiß nicht, was Ihr meint, Meister Abraxas. Ich habe mich genau an Eure Anweisungen gehalten. Aber das auf der letzten Seite war ein G."
Der Magier schüttelte missbilligend den Kopf.
"Das ist kein G - wann lernst Du endlich meine Schrift zu lesen?"
"Aber, Meister..."
Der Magier hob einen Finger und sein Blick glitt hinüber zu Selina.
"Schaut an, wer sich hierhin verirrt hat!", sagte er halb zu seinem Begleiter gewandt. Er winkte ihr zu.
Sinn für Humor ging Selina fast völlig ab. Zudem hatte sie sich ganz sicher nicht verirrt. So fühlte sie sich beim Ausruf Meister Abraxas’ nicht angesprochen, noch dazu, wo sie der Szene bewusst sowenig Aufmerksamkeit wie nur möglich gewidmet hatte, als sie bemerkte, worauf sie hinauslief. Diese Sache ging sie schlichtweg nichts an.
Als der Bursche, den sie um Rat hatte fragen wollen, erstaunt von seinem Mentor zu ihr blickte, merkte sie endlich, dass der Alte wohl sie meinte und sah den Winkenden ebenso verwundert wie abweisend an: „Ihr wünscht?", ehe ihr langsam dämmerte, dass sie ihn schon einmal gesehen haben musste.
Der Magier umfasste kurz seine Augengläser.
"Das Ihr nach all den Jahren mal vorbeischaut. Ihr seid's doch, Frau Castos?" Er zögerte. "Ihr wisst nicht, wer ich bin."
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, das weiß ich in der Tat nicht."
Er lachte - und fuhr mit dem verschmitzten Lächeln eines alten Magisters fort.
"Bin ich doch so alt geworden, dass man mich nicht mehr erkennt. Meister Abraxas - Baron Elvek Ida von Yasamir, wenn Ihr so wollt. Der Lehrer Eurer Töchter. Wenn mich nicht alles täuscht, haben sie im Moment allerdings Unterricht bei einem geschätzten Kollegen."
Wie oft hatte sie den Altbaron von Yasamir gesehen? Zwei-, dreimal vielleicht? Sie erinnerte sich an einen noch nicht grauhaarigen Mann, der ihr des langen und breiten von seinen alchemistischen Studien erzählt hatte, um dann unvermittelt das Thema zu wechseln und noch begeisterter über seinen Erstgeborenen zu sprechen, ein wahres Wunderkind, wenn man dem Vater glauben durfte. Leider hatte er nicht das magische Talent des Vaters geerbt.
„Verzeiht meine Unaufmerksamkeit, Hochgeboren. Ich bin es tatsächlich. Doch ich hatte nicht erwartet, jemand Bekanntem hier zu begegnen." Sie wirkte nicht sonderlich zerknirscht bei diesen Floskeln, wozu auch. Es waren die Dinge, die Leute halt hören wollten.
„Die Mädchen haben davon berichtet, dass Ihr zu ihren Lehrern gehörtet."
Sie zögerte, unsicher, was den erwähnten Unterricht ihrer Töchter anging, schließlich hatten sie doch längst ihre Prüfungen absolviert?!
„Ich vermute, es gibt hier einen Sekretär oder so etwas, der mir mitteilen kann, ob und wann ich meine Töchter hier treffen kann?"
"Nun - wenn mich nicht alles täuscht, sollte es nicht mehr allzu lange dauern. Ihr mögt genauso gut hier warten - oder bei ihnen zu Hause. Ich mag Euch den Weg weisen. Habt Ihr denn bereits eine Unterkunft hier in der Stadt?"
Selina schüttelte den Kopf. „Nein, ich habe noch keine Unterkunft gesucht. Ich wollte erst einmal sehen, ob meine Töchter überhaupt in Punin sind."
Sie seufzte innerlich auf. Am liebsten wäre sie jetzt allein gewesen, um der seltsamen Unruhe in ihr Frau zu werden, die von Minute zu Minute in ihr wuchs. Doch sie erinnerte sich sehr gut daran, dass Elvek Ida die Mädchen zu den Feiertagen oft zu sich nach Yasamir eingeladen hatte, sodass sie sie in der Familie verbringen konnten. Die Briefe der Mädchen waren voll von schönen Erinnerungen gewesen und bald auch von ihren backfischhaften Schwärmereien für den einige Jahre älteren Jan.
So konnte sie den Mann jetzt schlecht vor den Kopf stoßen.
„Danke für Euer Angebot, doch ich werde lieber hier warten. Wie geht es mit Euren Studien voran? Woran arbeitet Ihr jetzt?" lenkte sie vom Thema ab. Über ihre Töchter würde sie mit ihren Töchtern sprechen.
Der Magister horchte auf.
"Nun -", sagte er und gab gleichzeitig seinem Begleiter einen Wink, dass er ihn im Moment nicht mehr benötigte. "abgesehen von der Verfeinerung einiger Rezepturen meines alten Meisters bei der mir Hafug,... Hafud - seht er bringt mich ganz durcheinander - behilflich ist mit vielen anderen Dingen. Wisst Ihr, mein guter alter Freund und Schwager Throndwig hat mich vor einigen Jahren gebeten, einige Dinge rund um die Rückkehr des Bethaniers und seiner Erben einzuordnen. Kraftlinienmagie, Karmatische Kausalknoten..." Er lächelte. "die Umstände, unter denen eine Alkoholdestille explodieren könnte - warum auch immer. Für sein Kriegstagebuch halt. Außerdem hat er sich nach Feenmagie und Alterung bei Elfen und Zwergen erkundigt. Kurz gesagt: Zuviel zu tun und zuwenig Zeit. Ohne Hilfe geht es nicht. Das ist mit der Grund, warum Eure Lyn und Jana einige zusätzliche Stunden nehmen - theoretische Sphärologie." Ihn schien es wahrlich zu schaudern. "Genau die Art von Dingen, vor denen mich meine Lehrmeister in Elenvina gewarnt haben. Und ich hoffe, Euch geht es auch gut - mit dem was immer Ihr tut?"
Er blickte aufmerksam über den Rand der Brille und konnte durchaus erkennen, dass seine Gesprächspartnerin einen Moment zögerte und ihre Miene reservierter wurde.
„Ich muss gestehen, ich verstehe nichts von diesen Dingen, dieses Gebiet lasse ich Euch gerne. So arbeiten Lyn und Jana jetzt für Euch, wenn ich Euch richtig verstehe?"
"Zeitweise, ja. Ihr müsst verstehen, es ist in diesen Zeiten nicht immer ganz einfach, eine Anstellung als Magier zu finden. Normalerweise fertigen die Beiden magische Analysen oder auch mal Tränke an - soweit ich weiß. Meine Tochter Roana sagte so etwas. Aber ja - im Moment brauche ich einige tüchtige Arbeitskräfte, von denen ich weiß, dass sie ordentlich arbeiten."
Selina nickte und wirkte tatsächlich etwas erstaunt. „Warum sollten sie nicht für Euch arbeiten, wenn Ihr Arbeit habt und sie ein Einkommen brauchen? Ich hoffe, sie arbeitentatsächlichordentlich und enttäuschen Euch nicht… und Throndwig ebenso wenig." Die Worte waren so gesprochen, dass sie wohl mehr als nur Floskel waren. Um keine Pause aufkommen zu lassen, fuhr sie fort: „Eure Tochter ist ebenfalls hier?"
Der Magier nickte.
"Ja - Roana hat auch hier an der Akademie gelernt. Sie ist einige Jahre älter, müsst Ihr wissen - und mit den Beiden befreundet. Das hat Ihnen wohl auch geholfen in Punin - mehr als ein alter Meister vielleicht, der gelegentlich nach ihnen schaut." Er lächelte. "Sie hat eine kleine Apotheke im Nordwesten der Stadt. Dabei profitiert sie wohl vor allem von ihrem Namen als Baroness. Gefällt ihr besser in Punin als in Yasamir. Ganz im Gegensatz zu den Jungs."
Selina wog das ab, überlegte einen Moment finster, ob sie auf die erneute versteckte Kritik antworten sollte, und ließ es dann doch. „Da hat Eure Roana einiges mit Eurer Schwägerin Galydia gemein", meinte sie stattdessen. „Sie fühlt sich in Havena auch wohler als in Lyngwyn."
"Na ja - so wie ich sie kenne, liebt sie das Theater", sagte der Altbaron ungerührt. "Genau wie ihre Schwester." Er schüttelte den Kopf und seufzte dann doch. "Ach - manchmal vermisse ich mein altes Haus bei Honingen! Es war so schön ruhig dort - und das Jasalinkraut erst. Andererseits die Möglichkeiten hier... Ihr liebt die große Stadt nicht, hm?"
Er blickte sie kurz an.
Selina erwiderte den Blick offen: „Es ist mir recht gleich, wo ich lebe. Dorf oder Stadt…es macht keinen großen Unterschied."
Er lächelte.
"Was macht dann einen Unterschied...", begann er, doch unterbrach sich, als er zwei ihnen Beiden wohl bekannte junge Magierinnen entdeckte." Nun - vielleicht Eure Töchter. Ich denke, ich muss mich entschuldigen."
Der Magier nickte kurz und zog sich zurück.
Sie sah sich um und stutzte. Hätte der Altbaron von Yasamir die beiden nicht eindeutig als ihre Töchter bezeichnet, sie hätte sicher nicht in diesen eleganten jungen Frauen ihre vorlauten und stets zu Streichen aufgelegten halbwüchsigen Töchter gesucht. Die eine der Frauen trug ihr langes Haar mit einem Schildpattkamm hochgesteckt , die andre hatte ihr schulterlanges Haar in Locken gelegt, die selbst bei diesem heißen Wetter um ihren Kopf wippten. Beide trugen leichte Kleider mit weiten Ärmeln, die nur bis zu den Ellbogen reichten, und deren schwingender Rock die Knöchel freiließ. Es war wohl eine hier übliche Art, sich zu kleiden, Selina hatte dergleichen Kleider schon mehrmals auf den hiesigen Strassen gesehen. Über dem Arm trugen sie helle Mäntel, in der Hand einen Stab, der ihre Mutter eher an einen Zeremonienstab denn an einen Zauberstab erinnerte.
Sie machte einen Schritt auf die beiden zu, da wurden sie auch auf die Fremde in der Halle der Akademie aufmerksam. Eine grauhaarige Frau mit Pagenschnitt, die sich sehr gerade hielt, sicher eine Fremde hier, die sie forschend ansah. Ihre Kleider, Hosen und Stiefel noch vom Straßenstaub bedeckt, waren nicht von almadanischer Machart. Ebensowenig die Waffe an ihrer Seite.
„Was kann…", begann die Lockenköpfige, riss dann erstaunt die Augen auf, wohl im gleichen Moment, wie es auch ihre Schwester tat. „Mutter!" riefen sie beide wie aus einem Mund aus, dann drückte Selina sie schweigend an ihre Brust und wollte sie schier nicht mehr loslassen. Es brauchte keine große Menschenkenntnis um zu sehen, dass sie den Tränen nahe war.
Erst nach einer ganzen Weile ließ sie die Mädchen - Frauen! - wieder los und versuchte, immer noch nicht im Gleichgewicht, auf die durcheinander wirbelnden Fragen und Bemerkungen der aufgekratzten Zwillinge zu antworten. Man einigte sich, dass sie bei ihren Töchtern wohnen würde, sie hatten das Erdgeschoss im Haus einer Händlerswitwe gemietet, und die beiden überschlugen sich mit Ideen, was sie ihrer Mutter alles zeigen wollten in und um Punin.
Aus den zwei Tagen, die Selina vorgesehen hatte, in Punin zu bleiben, wurden so doch sieben, und ihre Töchter ließen sie nur mit der Zusicherung ziehen, auf dem Heimweg wieder bei ihnen vorbeizuschauen. Ein wenig reifer waren sie geworden, doch immer noch steckten sie voller unvorhersagbarer Ideen. So hatten sie ihrer Mutter auch ein gemietetes Pferd und natürlich ein Packpferd aufgenötigt für die Reise von Punin nach Yasamir.
Die Tage – und einige Nächte - vorher waren mit verschiedenem ausgefüllt gewesen, sie hatten die Tempel der Stadt besucht, waren im Observatoriumsturm des Akademie gewesen, und auch an zwei Tagen in Gestüten vor der Stadt, weil ihre Mutter erwähnt hatte, dass sie sich bald ein neues Pferd kaufen wollte. Die Pferde waren ihr zu eigenwillig gewesen – wunderschöne, leichte, wendige Tiere, pures Vergnügen, auf ihnen über den Boden zu schweben– aber sie bevorzugte aus alter Erziehung willig dienende Pferde, auf die man sich blind verlassen konnte, die nichtmutwillig prüften, wer der Herr in dieser Partnerschaft war.
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