Moritatio da Vanya
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Moritatio Jimenez da Vanya zu Wildenfest ist der erstgeborene Sohn der streitbaren ragatisch-bosquirischen Junkerin Rifada da Vanya. Er trägt bislang den Titel eines Caballeros zu Wildenfest, wo er seine Knappschaft absolvierte und wo er nach dem Willen seiner Mutter und seines Soberans auch dereinst als Burgvogt der gleichnamigen Grenzfeste über die gefährdete Bosquirgrenze wachen soll. Seit dem Thronantritt Kaiser Hals II. gehört Moritatio zudem dem Höchst Ruhmreichen und Ehrenhaften Banner der Junker Seiner Kaiserlichen Majestät an - den Hofjunkern.
Äußeres
Als
Träger eines uralten, ruhmreichen Geschlechternamens, der tief in der Geschichte des Mittäglichen Königreiches verwurzelt ist, sollte man annehmen, dass dem schlank und groß gewachsenen, ziemlich gut aussehenden Moritatio die Mädchenherzen reihenweise zufliegen - doch das Gegenteil ist der Fall. Durch die dauernde Kritik und Zurechtweisungen seiner herrischen Mutter, die ihn - den ungewollten Sohn - schon seit seiner Geburt begleiten - konnte Moritatio bislang kein großes Selbstbewusstsein aufbauen, so dass er auf Fremde zumeist etwas schüchtern und melancholisch wirkt. Seine sanften braunen Augen mit den langen dunklen Wimpern, die "besser ins Gesicht eines hübschen Mädchens gepasst hätten" wie ihn seine Feinde im Banner der Hofjunker gerne aufziehen - lassen ihn oft verträumt oder traurig erscheinen, auch wenn er es in Wirklichkeit gar nicht ist.
Der Erbteil seines wahren Vaters beschert Moritatio sommers wie winters einen recht dunklen Teint der Haut und eine scharfgeschnittene Nase. Da er sich aber - nach den Vorschriften der Hofjunker - täglich Kinn und Wangen schabt und sein schwarzes Haar selten länger als schulterlang werden lässt, verrät ansonsten nichts an ihm - am allerwenigsten seine im täglichen Hofzeremoniell geschliffenen Manieren - das er in Wahrheit ein Ferkina-Halbblut ist.
In heimischen Gefilden trägt Moritatio zumeist Waffenröcke in Gold und Purpur - den Farben seiner Familia und Ragatiens. In Punin dagegen trifft man ihn fast nur in Schwarz an - der Farbe der Hofmode und seiner Einheit.
Curriculum Vitae
Nur drei noch heute lebende Personen (neben seiner Mutter noch Sippen-Soberan Amando Laconda und dessen Schwester Belisetha) wissen um die wahren Umstände von Moritatios Geburt - alle anderen, Moritatio selbst eingeschlossen, glauben, er sei des Sohn des gutmütigen, aber etwas trotteligen kaiserlichen Beamtens Berengar von Schlehen. In Wahrheit aber geriet Moritatios Mutter, die kriegerische Domna Rifada, nicht nur einmal - als junges Mädchen - sondern später noch ein zweites Mal - als erwachsene Frau und Heerführerin - in Gefangenschaft der wilden Ferkinas des Raschtulswalls - der Geißel des Bosquirtals und des Weißen Ragatiens. Während sie als junges Mädchen vom Stamm der Bân Gassârah verschleppt und von den Amazonen der Keshal Rondra befreit worden war, geriet sie später als 30jährige Commandantin eines Bosquirtaler Straffeldzuges gegen die raubenden und mordenden Bergbarbaren in die Gewalt der gefürchteten Bâni Khadr unter dem damaligen Häuptling Khenubaal Pascha.
Der wegen seiner Grausamkeit gefürchtete Shâr vergewaltigte sie dutzende Male, Nacht für Nacht, bis es Rifada während eines Freudenfestes des Stammes gelang, an ihre Waffen - Morgenstern und Krummschwert - zu gelangen, die der Shâr als Trophäen aufbewahrt hatte. Rifada tötete Khenubaal Pascha und drei weitere Ferkina-Krieger, das halbe Winterlager des Stammes ging bei dem Kampf in Flammen auf (weshalb die Bâni Khadr und Domna Rifada bis heute eine gegenseitige Todfeindschaft verbindet).
Zurück im Vanyadâl bemerkte Domna Rifada mit Schrecken, dass es ihr nicht mehr allmondlich nach der Weiber Art erging - sie war schwanger, schwanger mit dem Balg eines Ferkinas, was im Bosquirtal die schlimmste nur denkbare Blutschande darstellt. Damit diese niemals ans Licht käme, sprach Domna Leonida - Moritatios Großmutter - ein Machtwort, die im Ratschluss mit ihren Geschwistern Amando und Belisetha entschieden hatte, dass Rifada auf der Stelle heiraten müsse, um dem kommenden Kind den Anschein einer ehelichen Zeugung zu geben. Rifada konnte ihr Unglück kaum fassen - trug sie doch, obwohl nach amazonischer Sitte eher dem eigenen, denn dem männlichen Geschlecht zugeneigt, das Kind ihres verhassten Peinigers im Leibe. Zähneknirschend heiratete sie den erstbesten Tropf von Adel, der ihr über den Weg lief - in ihrem Fall der kaiserliche Beamte und Sträflingsbeaufsichtiger Berengar von Schlehen, der wegen irgendeiner uninteressanten Verfehlung aus der Hofkanzlei ins abgeschiedene Selaque strafversetzt worden war.
Moritatio wurde schon sieben Monde nach der Hochzeit seiner Eltern geboren, was aber niemand außer vielleicht seinem Vater merkwürdig vorkam. Dom Berengar, von warmherzigem und pflichteifrigen Gemüt, behandelte ihn vom ersten Tag an wie einen leiblichen Sohn - seine Mutter aber konnte für das Ferkina-Halbblut keine Liebe empfinden. Eine Wunde, die Moritatio bis heute mehr schmerzt als alles andere. Der Knabe wurde von seinem Vater und diversen Ammen großgezogen, da seine Mutter wegen ihrer mannigfachen magnatischen Verpflichtungen die meiste Zeit des Jahres auf Reisen war. Mit zehn Jahren wurde er zu seiner Großtante Belisetha nach Wildenfest geschickt, wo ihn deren Sohn Lucrann, der heutige Baron von Schrotenstein, als Knappe annahm und ihn zum Caballero und Schlachtreiter ausbildete.
Mit 18 Jahren kam Moritatio erstmals an den - damals noch königlichen - Hof zu Punin, wo er sich, geblendet vom Prunk und Pomp der Hauptstadt und des Palastes, in die Bannerrolle der ruhmreichen Hofjunker einschrieb. Hatte er gehofft, sich bei Hofe im Abglanz der Mächtigen selbst zu einem solchen zu entwickeln und endgültig aus dem Schatten seiner übermächtigen Mutter zu treten, so musste er bald feststellen, dass auch in Punin neue Kränkungen und Herabsetzungen auf ihn warteten. Sein vorgesetzter Colonello Filippo di Lacara und dessen großspuriger Vetter Juanito di Dubiana, beide nur niederem ragatischen Adel entsprosst, gaben sich alle Mühe, den Neunankömmling als Träger eines großen Namens nach Strich und Faden zu schikanieren und kleinzuhalten. Nicht zuletzt deshalb, damit er ihnen nicht bei der Puniner Damenwelt in die Quere kam, von der Moritatio nur träumen konnte, während er die Stallung der Hofjunker ausmisten oder die Stiefel des kompletten Banners auf Hochglanz polieren musste. Auch das kleine Scheusal Valdemoro von Streitzig-Madjani, ein Liebling des Mondenkaisers, behandelt Moritatio zumeist nur wie einen Lakaien und Stiefelknecht, dem man alle ungeliebten Pflichten aufbürden kann.
Während eines Heimaturlaubes im Bosquirtal im Praiosmond 1033 wird Moritatio plötzlich und unverhofft in Geschehnisse von großer Tragweite verwickelt. Die Ferkinas sind in den Tagen zuvor zu hunderten aus den Bergen herabgekommen und haben Elenta, ein ehemals seiner Familia untertäniges Dorf, nahezu komplett ausgemordet und entvölkert und zudem einen vom Grafen entsandten Heerbann des Rossbanner-Ordens vernichtet. Ausgerechnet auf der abgeschiedenen Burg seiner Eltern im Vanyadâl sammeln sich Magnaten, um dieser Bedrohung entgegenzutreten. Neben seiner Mutter und dem dubianischen Baron Hernán von Aranjuez auch Moritatios Cousine Richeza Aldonaza von Scheffelstein, der er noch niemals zuvor begegnet war, die jedoch sein Herz augenblicklich in Flammen stehen lässt. Beseelt vom Wunsch, endlich die Anerkennung seiner Mutter oder die Nähe und Zuneigung seiner Cousine zu gewinnen, schließt sich Moritatio kurzentschlossen dem Feldzug gegen die Ferkinas an, der für alle Beteiligten zu einer gefährlichen Nagelprobe wird.
Charakter
In Moritatios Charakter stehen das sanfte, liebenswürdige Wesen seines Vaters Berengar und das streitlustige-kriegerische Temperament seiner Mutter und seines Erzeugers in unablässigem Wettstreit um die Vorherrschaft über seinen Geist. Jahrelang angestauter Ärger, Verdruss und Wut stehen kurz vor der Eruption und Entladung - selbst wenn dies den Bruch mit seiner Mutter oder seinen Vorgesetzten in der Armee bedeuten würde.
Bei aller Bluttreue und Pflichtgefühl, die er wie jeder Almadani gegenüber seiner Familia empfindet, verspürt er keinerlei Neigung, sich in das Schicksal zu fügen, das die Familienoberhäupter für ihn beschlossen haben. Anstatt seinen Lebtag auf der abgeschiedenen Grenzburg Wildenfest zu verbringen, die er dereinst nach dem Ableben seiner geliebten Großtante Belisetha übernehmen soll, möchte er sich lieber eigene Titel und Lehen und einen selbstgewählten Platz in der almadanischen Gesellschaft erstreiten.
Ein zweites Kümmernis, das ihn bedrückt, sind mangelnder Erfolg und Erfahrung in Bezug auf Frauen. Langsam dämmert ihm, dass die fortwährenden Zurücksetzungen und Herabwürdigungen seiner Mutter und seiner Banner-Compadres für sein mangelndes Selbstwertgefühl und damit für eine Ausstrahlung verantwortlich sind, die auf das schöne Geschlecht wenig anziehend wirkt. Er ist nun bereit, gegen diese anzukämpfen, wie er es schon allein seinem kriegerischen Zweitnamen schuldig ist, den ihm dereinst Dom Berengar ganz bewusst gab (der Jimenez ist ein Raubvogel im tulamidischen Kulturraum, der seine Eier - ähnlich wie der mittelländische Kuckuck - in fremde Nester legt und sie dort ausbrüten lässt. Am Ende fressen seine groß und stark gewordenen Küken meist ihre eigenen "Zieheltern" auf).