Chronik.Ereignis1039 Der Tobrische Feldzug 01
Vor Mendena, 30. Rahja 1039 BF[Quelltext bearbeiten]
Auf der Tobimora, im ersten Tageslicht[Quelltext bearbeiten]
Autor: Der Sinnreiche Junker
„San Telo, ora pro nobis! In desperatione et tenebris Lux triumphat! San Gilborn, ora pro nobis!”
Auch wenn, oder vielleicht gerade weil Hernán von Aranjuez gewiss kein allzu frommer Mensch war, warf er nun munter Versatzstücke diverser Gebete durcheinander.
„San Telo, ora pro nobis! In desperatione et tenebris Lux triumphat! San Gilborn, ora pro nobis! San Telo…”
“Richtungsschuss!”, brüllte jemand mit guten Augen irgendwo von rechts, sodass sich der Blick des Condottiere in den Himmel richteten. Tatsächlich war drüben über Burg Talbruck ein Geschoss in den Himmel aufgestiegen, erreichte den Scheitelpunkt seiner Flugbahn und senkte sich schließlich bedrohlich in ihre Richtung herab. Die Größe war schwer zu beurteilen, aber sie mussten dort droben einen Onager auf sie gerichtet haben, vielleicht sogar einen kleinen Zyklopen. Hätte er dort oben das Kommando, hätte er schon vor langer Zeit die gesamte Umgebung abgezirkelt, und würde nicht allzu viele Versuche brauchen, bis die ersten Salven deckend lagen.
„San Telo, ora pro nobis!”, setzte er wieder seine Litanei an, derweil die Leute um ihn herum es schafften auf den Warnruf hin tatsächlich noch ein wenig schneller und kräftiger zu paddeln. Sofern sie denn überhaupt Ruder und Paddel hatten. Auf dem letzten Wegstück entlang der Tobimora hatten sie alles eingesammelt, was schwimmen konnte, von winzigen Fischerbooten bis zu wurmstichigen Lastprähmen. Marschall Alrik vom Blautann und vom Berg hatte die höheren Offiziere ermahnt, dass für alles zu bezahlen war. Doch wie schon zuvor beim Furagieren auf diesem Feldzug war dies ein frommer Wunsch gewesen, der nicht immer den Härten der Realität des Krieges standhielt. Hier hatten sich die Leute häufig schlicht geweigert, ihre Kähne, zumeist ihre Lebensgrundlage, aufzugeben, selbst gegen angemessene Entschädigung. Losgeworden waren sie sie am Ende trotzdem. So war eine ganze Flotte kleiner Boote entstanden, wenngleich noch immer nicht genug um sie in einem Anlauf über den Fluss zu bringen, zumal sie diese auch noch mit den Perricumern teilen mussten, die weiter flussabwärts auf Höhe des Hafentores eine Schwimmbrücke errichteten.
Jedoch ermangelte es entsprechend an Rudern, um die mit Bewaffneten, Sturmleitern, Pavesen und was einem an leichtem Belagerungsgerät noch nützlich erscheinen mochte vollgepackten Boote rasch über den Fluss zu steuern, sodass die Frauen und Männer um ihn herum Zaunlatten und dergleichen, sowie spätestens jetzt sogar ihre Helme zweckentfremdeten, nur um möglichst rasch das Nordufer zu erreichen.
Der Felsbrocken klatschte schließlich deutlich vor ihnen ins Wasser, doch war er groß genug um die vordersten Bote mit Spritzwasser einzudecken. Erwartungsgemäß hatte sie die künstliche Nebelbank nicht einmal bis zur Flussmitte geschützt, doch war das, soviel hatte er noch verstanden, auch nicht Sinn und Zweck der Übung gewesen. Irgendwo über ihnen duellierten sich Magier, Antimagier, Dschinne, Beschwörer und was es nicht alles gab mit ihren Kräften. Er hatte bei der Stabsbesprechung schließlich das Zelt verlassen – zusammen mit den Praioten, wenngleich wohl nicht aus demselben Grund – sodass er nur wusste, dass es dem Südheer an magischer Potenz ermangelte ihren Übergang auf ganzer Strecke zu decken. Doch immerhin wären ihre arkanen Gegenspieler dort oben beschäftigt, sodass sie sich nicht direkt gegen die Übersetzenden wenden konnten. Wenigstens deckten die am Südufer aufgestellten Geschütze des Bombardenregiments Trollpforte ihrerseits die noch immer rußgeschwärzten Mauern Burg Talbrucks ein. Das Inferno von Talbruck war durch alle Gazetten gegangen, doch hatten die Mauern einer der stärksten Festungen Tobriens zumindest aus der Entfernung dadurch nichts an Stärke eingebüßt. In einer echten Belagerung hätten so vielleicht die Geschosse vom Südufer auf Dauer vermocht das Mauerwerk zu schwächen. Doch dafür war keine Zeit gewesen, und so konnte man nur auf den einen oder anderen Glückstreffer direkt zwischen die Zinnen und auf den Wehrgang hoffen. Es war freilich nur ein kleiner Trost, dass die Gegner dort oben ebenfalls die Köpfe einziehen mussten.
Sein Blick fiel auf Fürst Gwain, der ebenso wie er aufrecht am Bug eines der Boote stand. Als alter Soldat hatte es sich der Fürst nicht nehmen lassen, persönlich mit der ersten Welle überzusetzen. Und während Hernán von Aranjuez es ansonsten wohl vorgezogen hätte, sich wie alle anderen im Boot auch möglichst klein hinters niedrige Dollbord seines Kahns zu ducken, hatte Gwain von Harmamund sich wie selbstverständlich für alle Welt weithin sichtbar in seinem Boot erhoben. Somit blieb seinen Offizieren und Vasallen natürlich keine Wahl, denn es ihm gleich zu tun, wollten sie ihn nicht zur einzelnen Zielscheibe machen.
„Rudert, Kinners!“, trug von weiter hinten die schlachtengetöseerprobte Stimme seines Bastardbruders Tego übers Wasser, derweil der Baron und Junker unwillkürlich einige Tage zurückdenken musste. Sein Fürst und er hatten auf einem der sanften Hügel über dem Südufer gestanden, welches das Lager des Südheeres vor neugierigen Blicken von Burg Talbruck aus schützte. Das Hauptheer mit der Kaiserin an der Spitze war einen Tag nach ihnen eingetroffen, und lagerte nördlich der Tobimora. Am selben Abend noch waren die höheren Offiziere des Südheeres in sicherer Entfernung über die Tobimora gesetzt, um dem Kriegsrat beizuwohnen. Nach seiner Rückkehr hatte der Fürst ihn zu sich gebeten, und im letzten Licht des langen Sommerabends waren sie auf den Hügel geritten.
„Ihre Majestät will keine Zeit verlieren. Der Generalangriff ist für den 30. befohlen“, hatte sein Fürst ihm erklärt, als er mit seinem alten Adjutanten den Hügelkamm erreicht hatte, und man den Flusslauf bis dorthin einsehen konnte, wo die Tobimora ins Perlenmeer mündete. Und auf der anderen Seite ihr Angriffsziel Mendena, und Burg Talbruck, das wie eine vorgelagerte Bastion westlich der Stadt auf einem Berg thronte.
Natürlich, hatte er entgegnen wollen. Warum auch eine langwierige, wenig ruhmvolle Belagerung, wenn man auch noch vor den Namenlosen Tagen stürmen kann? Von den Hunderten Gefallenen einmal abgesehen. Er hatte das Bild förmlich vor Augen gehabt, wie Rohaja von Gareth in prächtiger Erscheinung vor die Mauer reiten würde, um mit Silpion einen symbolischen Hieb gegen das Eslamsbrücker Tor zu tun, während sich um sie herum die Toten stapelten, die es gekostet hatte es im Sturm zu nehmen. Ganz wie ihr Großvater Hal, der sich mit gleicher Geste als Eroberer Tuzaks hatte feiern lassen. Derweil sein eigener Großvater Fadrique vor dem Tor gefallen war. Diese Geschichte war freilich vor allem unter alten Answinisten kursiert, und sein Vater, ein loyaler Parteigänger des Hauses Gareth, hatte wohlweislich niemals Anstalten unternommen genauere Erkundigungen einzuziehen wie genau Dom Fadrique beim Sturm auf Tuzak gefallen war.
Deswegen also hatte der Fürst seinen Vertrauten mit der zweifelhaften Vergangenheit noch vor dem eigentlichen Kriegsrat des Südheeres beiseite genommen, um ihm die Entscheidung mitzuteilen. „Eure Durchlaucht wissen, dass ich Ihrer Majestät oder Eurer Durchlaucht niemals öffentlich widersprechen würde“, hatte er demzufolge hervor gepresst.
„Ein Blick in Euer Antlitz genügt dafür völlig, Baron.“ Ein mildes Lächeln hatte sich auf dem zerknitterten Gesicht des alten Fürsten gezeigt.
Viel mehr als eine gemurmelte Entschuldigung ob seiner allzu offensichtlichen Gefühlsregung hatte der Baron und Junker nicht hervor gebracht, um dann doch noch anzufügen: „Welche armen Schweine im Hauptheer müssen die Burg stürmen?“
„Keine Festung ist uneinnehmbar“, hatte der Fürst ihn vorauseilend gemahnt. Natürlich nicht, wenn man nur bereit war genug seiner eigenen Leute zu opfern. „Das solltet Ihr doch am besten wissen. Immerhin galt Cusimora ebenfalls als uneinnehmbar“, erinnerte ihn sein alter Weggefährte an den Streich, der ihm die Baronswürde eingebracht hatte.
„Da dachten die Horasier auch, dass wir noch zwei Tagesmärsche entfernt seien, als wir den befestigten Hafen in madamalloser Nacht im Handstreich genommen haben“, hatte er eingewandt und auf den Burghügel gedeutet: „Ich sehe keinen Hafen und der Überraschungseffekt scheint mir auch dahin.“ „Gewiss“, hatte der Fürst genickt. „Und dennoch muss es getan werden. Und es muss von uns getan werden.“
„Von uns?“, hatte der Condottiere verständnislos geblinzelt. „Hat das Hauptheer auf seinem Weg so starke Verluste erlitten, dass wir Verstärkungen übersetzen müssen?“
„Es ist allein unsere Ehre“, hatte der Fürst schlicht mit leicht mahnendem Unterton festgestellt und Hernán von Aranjuez hatte geschluckt und es mit einem Nicken wohl oder übel akzeptiert. „Wir zimmern bereits den ganzen Tag Flöße und Bohlen“, hatte er also erklärt. „Die Sappeure der Perricumer spielen neben der Instandsetzung der zerstörten Brücke mit dem Gedanken einer zusätzlichen Schwimmbrücke.“ Tatsächlichen hatte sich auch das ungewöhnlich große Landwehrkontingent, welches der Adel Almadas, entgegen seiner sonstigen Gewohnheit lieber Mercenarios anzuwerben, dieses Mal aufgestellt hatte, mit seinen zahlreichen Handwerkern und Holzarbeitern bei diesem Unterfangen als nützlich erwiesen. „Für die Nacht auf den 30. wird es knapp, aber wir werden es schon irgendwie hinbekommen.“
„Ihre Majestät hat befohlen, dass alle Angriffsziele gleichzeitig anzugehen sind.“
Der Baron und Junker hatte wieder geschluckt und sich nachdenklich über die unrasierte Wange gestrichen. „Besser bei Tage“, hatte er schließlich gelogen.
„Viel besser“, hatte sein Fürst mit traurigen Augen genickt.
Noch in der Nacht, nach dem Kriegsrat des Südheeres, hatte es einen fürchterlichen Streit im aranjuezer Zelt gegeben, als sein Bastardbruder Tego wie gewöhnlich kein Blatt vor den Mund genommen hatte. „Das ist doch die Strafe dieser verdammten Haferyaquirier, dass wir diesem blassen Jüngelchen seinerzeit nicht rasch genug in den Arm gefallen sind. Dabei haben sie uns diesen Popanz doch überhaupt erst aufs Auge gedrückt“, hatte er gebrüllt, und seinen nur halb geleerten Krug durchs Zelt geworfen. Auch der Einwand, dass dem Angriff auf Burg Talbruck auch mehrere perricumer Einheiten zugeteilt waren, konnte den bulligen Colonna nicht beruhigen: „Die warten doch schon den ganzen Feldzug nur auf eine Gelegenheit uns Almadaner zu verheizen!“ Damit war er wütend nach draußen gestapft und im Dunkel der Nacht verschwunden, nur um am nächsten Tage mit noch grimmigerer Miene als sonst mit der Axt Holz für zwei zu spalten.
Ein weiterer Schwall Flusswasser brachte Hernán von Aranjuez wieder zurück in die Gegenwart, als abermals ein Geschoss aus der Burg seine Ziele verfehlte. „Ich schwöre, sollte der Kommandant da oben die Geschichte überleben, werde ich mich höchstpersönlich dafür bedanken, dass er lieber einen großen, statt mehrerer kleiner Brocken auflegt“, rief er den Leuten hinter sich zu, die mit verhaltenem Gelächter antworteten. Tatsächlich hätten auch wesentlich kleinere Brocken schon Lecks geschlagen, die unweigerlich zum Sinken geführt hätten, doch sollte es den Almadanern hier unten recht sein, wenn sie es weiterhin nur mit wenigen Geschossen zu tun bekamen.
Wo die Geschosse freilich einschlugen, blieb nicht viel mehr als Kleinholz übrig, wie sich kurze Zeit später zeigte, als ein ganzes Boot in einer Wassersäule verschwand. Einige Überlebende versuchten inmitten einiger Holztrümmer verzweifelt über Wasser zu bleiben. Manchen Unglücklichen zogen aber auch Rüstung oder Kettenhemd in die Tiefe, ehe nachfolgende Boote die Stelle erreicht hatten. Und selbst dann war Rettung nicht gewiss, denn kaum eines der Boote konnte oder wollte anhalten. Wer eine der helfend gereichten Hände ergreifen, und sich an Bord ziehen konnte, hatte Glück. Wem das nicht gelang, oder wer lediglich versuchte sich als menschlicher Treibanker an der Bordwand festzuhalten, dem wurde häufig so lange auf die Finger geschlagen, bis er zurück ins Wasser glitt. Besser ein paar Ertrunkene, als dass das ganze Boot getroffen wurde.
Als sie schließlich zwei Drittel des Flusses überquert hatten, zeigten mehrere Fontänen, dass sich nun auch die Rotzen auf den Wehrgängen in das Bombardement eingeschaltet hatten, und der große Speerbolzen eines Skorpions fegte gleich mehrere Leute vom Boot des Fürsten, als er Körper und Eisen durchschlug wie Papier. Vielstimmiges Geschrei erhob sich, als ein Sordulsapfel in einem der Boote einschlug, und die Besatzung mit Säure überschüttete. Mit einem Schaudern mussten die passierenden Boote dabei zusehen, wie sich die solchermaßen Getroffenen schließlich sogar in ihrer verzweifelten Pein ins Wasser stürzten, Rüstungen hin oder her.
Dennoch schienen sie alles in allem sogar noch Glück zu haben, hatte man sich doch scheinbar auf Burg Talbruck entschieden die dortige Feuerkraft aufzuteilen, und neben der Flottille an Booten auch die Reste der 951 BF zerstörten Brücke zu beschießen, wo perricumer Sappeure und almadanische Landwehr einen behelfsmäßigen Übergang zimmerten. Hernán von Aranjuez meinte gar Hauptmann Ortho Grützberg zu sehen, den es wohl nicht bei seinen Rotzen hielt, und der jeweils am vordersten Schritt der soeben verlegten Planken ungeachtet der Einschläge die nachfolgenden Arbeiter einwies. Dieser Mut erwies sich jedoch kurz darauf als äußerst fatal für Grützberg, als dieser, während er weiter Anweisungen brüllte, von einem Speerbolzen förmlich entzwei gerissen wurde. Schließlich schien sich ein Teil des Beschusses zu verlagern, als der Kommandant der Burg mit seinen weitreichendsten Geschützen die weiter flussabwärts entstehende Schwimmbrücke ins Visier nahm. Zumindest, sofern der Condottiere die Flugbahn einiger ferner Geschosse richtig einschätzte.
In einem anderen Boot begannen die Insassen indes hastig mit ihren Helmen Wasser zu schöpfen. Wahrscheinlich hatte ein Torsionsgeschoss ihren Rumpf durchschlagen, sodass das Gefährt nun voll Wasser lief. Sobald sie erkannten, dass dies wohl vergebliche Liebesmüh war, entledigten sie sich rasch so gut es ging ihrer Kettenhemden und Rüstungsteile. Nur Resadan di Vascara, ihr Anführer am Bug, der Platte trug, wusste, dass dies in seinem Fall vergebens war. Ihre Blicke trafen sich kurz, und der ehemalige Hofjunker hieb sich zum Abschiedsgruß die gepanzerte Faust auf die stählerne Brust. Doch die Götter meinten es gut mit ihm, und eines der nachfolgenden Boote passierte das seine längsseits, sodass er sich mit einem Sprung hinüber retten konnte.
Auf dem letzten Wegviertel gerieten sie in die Reichweite der Bogenschützen, die Pfeilhagel um Pfeilhagel auf sie niedergehen ließen. In allen Booten stürzten nun Getroffene beidseits ins Wasser, oder wurden gespickte Leichen über Bord geworfen, die ansonsten nur die Ruderer behindert hätten. So auch hinter ihm eine Halbelfe, die mit einem Gurgeln zurück sank, und den gefiederten Schaft umklammerte, der aus ihrer Kehle ragte. Sie war womöglich noch nicht einmal ganz verblutet, da hatte man sie schon aus dem Boot befördert. Seine erste Welle bestand nicht nur aus den abgebrühtetsten Landsknechten und Soldaten, sondern sie hatten auch die besten Schützen aus den einzelnen Aufgeboten versammelt, und diese gleichmäßig auf alle Boote verteilt, um deren Ausfälle bei einem Totalverlust gering zu halten. Sobald sie herüber waren, sollte diese Schützen ihrem Sturm auf die Mauer von der Uferböschung aus und hinter Pavesen zusätzliche Deckung geben.
Schließlich war das Ufer in greifbarer Nähe, und Hernán von Aranjuez blickte angestrengt auf das Wasser vor sich, ob man schon den Grund erkennen konnte. Sicher war er sich wohl nicht, als er mit einem götterlästerlichen Fluch auf den Lippen kurz entschlossen sprang. Unter seinen Leuten hielt sich hartnäckig die Legende, er wäre seinerzeit in Unterfels den horasischen Häschern entkommen, weil er sich mit voller Rüstung in die Yaquirfluten gestürzt hatte. Dabei hatte er nicht mehr als seine Leibwäsche getragen, und zweifellos paradierte gerade irgendein Glückspilz stolz in seiner Rüstung durch Vinsalt oder Grangor. Doch das Wasser reichte ihm nur bis zur Brust, sodass er mit der Rechten nach dem Vordersteven greifen, und das Boot weiter voran ziehen konnte. Mehr und mehr seiner Leute taten es ihm gleich, bis nur noch die Wenigen im Boot verblieben, die sich freiwillig gemeldet hatten, das Boot für die nächste Angriffswelle wieder zurück zu rudern, und die am Ende des Tages entweder reich oder tot sein würden. Rasch wurden die Boote entladen, und zurück in den Fluss geschoben, derweil in der relativen Sicherheit der Uferböschung erste Kommandos gellten, damit sich die verschiedenen Sturmtrupps sammelten. „Aranjuez zu mir!“, brüllte so auch der Baron und Junker, und musste mit einiger Bestürzung feststellen, dass es gerade einmal zwei von drei seiner Leute lebend und unverwundet über die Tobimora geschafft hatten. Ein leichtes Frösteln ergriff ihn, welches wohl nicht bloß dem Umstand geschuldet war, dass er durchnässt bis auf die Knochen war bei gerade einmal über den Horizont gekrochener Praisscheibe.
„Schützen!“, befahl schließlich der Fürst laut, und die Bogenschützen erhoben sich, um ihrerseits einen Hagel von Pfeilen in Richtung der Mauerkrone zu schicken. „Für die Götter, Almada und Fürst Gwain!“, rief Hernán von Aranjuez als die erste Salve von den Sehnen war. Als alter Eisenfresser dachte er gar nicht daran mit einem Hoch auf Gareth und die Kaiserin ins Gras zu beißen, und nicht wenige der Almadaner stimmten in seinen Schlachtruf ein, als sich die Erste Welle entlang der Tobimora aus dem Dreck erhob, und unter sich entrollenden Bannern nach vorne stürmte.
Auf Burg Talbruck, am späten Morgen[Quelltext bearbeiten]
Langsam, beinahe gravitätisch schwebte das Banner gen Boden, den ganzen langen Weg von der Spitze des zentralen Bergfriedes von Burg Talbruck hinunter in den Innehof, wo sich die schwarzen Schwerter auf rotem Grund der Fürstkomturei zu dem Banner Mendenas gesellte, dessen schwarze Schwerter über rotem Tore über drei roten Lilien auf Silber bereits im Staub lagen. Unter dem Jubel aus dem Innenhof und auf den Wehrgängen entfaltete sich stattdessen das Greifenbanner des Mittelreichs, zunächst etwas träge, dann vollends in der frischen Brise, die vom Perlenmeer herüber wehte.
Eine Handvoll Verwundeter stimmte freilich nicht in den Jubel ein. Wer Helme Haffax‘ Waffenrock trug, war im Burghof zusammen getrieben worden, wiewohl von der einstmals starken Besatzung nur noch ein ärmliches Häuflein übrig war. Kein Pardon war verlangt, und eigentlich auch keines gewährt worden. Doch als der Kampf vorüber war, hatten sich hier und da Verwundete geregt, die man zuvor im Rausch der Schlacht übersehen hatte. Dort wo die Offiziere nicht eingeschritten waren, hatte man Gnadengeber gezückt oder die Verwundeten mit Almadanischem Lächeln geschmückt. Einige wenige hatten mehr Glück und sahen nun einem ungewissen Schicksal entgegen.
Oben auf dem Wehrgang trafen indes Hernán von Aranjuez und sein Bastardbruder Tego aufeinander. „Haha!“, lachte der Colonna, dessen Gesicht ein wirres Muster zeigte, wo Schweißtropfen ihre Bahnen durch das Blut seiner Gegner gezogen hatten, ehe es geronnen war. Der bullige Mann umschlang den kleineren Condottiere mit einem Arm und hob ihn ungeachtet dessen Rüstung einige Halbfinger in die Höhe. „Hab ich doch gesagt, dass das ein Kinderspiel wird!“
Der Baron und Junker war nicht ganz so euphorisch. Er hatte noch keinen Überblick darüber, wie viele seiner Leute gefallen waren, doch vom Ufer der Tobimora bis vor die Burgmauern war der Boden gepflastert von Toten. Zwischenzeitlich hatte er ernstlich daran gezweifelt, dass der Sturm gelingen würde. Erst mit der zweiten Welle war es konnten mehr Leitern angelegt werden, als die Verteidiger vermochten umzustoßen, und erst mit der Dritten waren genug Bewaffnete über dem Fluss um die Wehrgänge zu stürmen. Als man jedoch einmal auf der Mauer Fuß gefasst hatte, und mehr und mehr Krieger, Mercenarios und Soldaten die Zinnen erklommen, war das Ganze nur noch blutiges Handwerk.
Hernach hatte es freilich einen kurzen Moment nach einem peinlichen Eklat ausgesehen, als der Fürst befohlen hatte das Banner zu hissen, und zunächst keiner seiner Almadaner vorgetreten war. Entweder hatte niemand an ein Greifenbanner gedacht, oder man war sich unsicher, ob der Fürst nach diesem oder dem steigenden Ross Almadas verlangte. Glücklicherweise war kurzentschlossen einer der Perricumer in die Bresche gesprungen.
So hatte der Baron und Junker den von abgebrochenen Pfeilen gespickten Schild auf den Rücken geworfen, und strich sich nun, den Helm unterm Arm, die schweißnassen Locken aus dem Antlitz. „Noch ist der Tag nicht gewonnen, Bruder.“ Beide wandten sich gen Mendena, wo das Kaiserliche Heer gerade gegen die Stadtmauer vorging. Viel war nicht zu sehen, lag die Vorstadt doch unter dem dichten Rauchschleier mehrerer Brände. Wer die Häuser angesteckt hatte, vermochte man von hier oben nicht zu sagen. Wohl hatten sie dem Hauptheer beim Vorrücken einen gewissen Schutz vor Beschuss von der Stadt her geboten, doch luden sie auch zu zahlreichen Fallen und Hinterhalten ein, sodass die Kaiserlichen einen Vorgeschmack bekamen, was ihnen jenseits der Stadtmauern blühen würde. Immerhin war es den Verteidigern nicht gelungen die beiden Brücken zu zerstören, die das Südheer derweil über die Tobimora geschlagen hatte. Dennoch waren auch hier die Verluste erheblich gewesen, wenn selbst aus der Entfernung zu erkennen war, dass die Planken und Bohlen an zahlreichen Stellen rot vom Blut gefärbt waren.
So hatte sich das Hauptheer durch Osterfeld und Leichacker an die Mauer heran gekämpft, während Spießbürger, Sonnenlegionäre und Bannstrahler, sowie Bewaffnete in den Farben der Markgrafschaften Beilunk und Warunk über die instandgesetzte Brücke vorgestoßen waren, und das flusseitig gelegene Fischviertel gesäubert hatten. Die Leichte Reiterei, die bislang unruhig in Reserve gestanden hatte, stieß unter heftigem Beschuss von der Mauerkrone am Flussufer entlang gegen das Hafentor vor, allen voran die Perricumer Schlachtreiter, geführt von der unerschrockenen und tatkräftigen Baronin Korhilda von Sturmfels, die Tulamidischen Reiter und das Fürstliche Leibregiment.
Nun sagte man ja schon dem gemeinen Almadaner eine gewisse Ungeduld nach, doch als Hernán von Aranjuez und seine Leute vorhin in der Dunkelheit am Sammelplatz der Reiterei vorbei gekommen waren, hatten die Nebachoten sie noch übertroffen. Ross und Reiter waren kaum zu bändigen gewesen, und als das erste Geschoss von Burg Talbruck aufgestiegen, und daher kein Grund mehr für stille Heimlichkeit war, war auf den Hügeln auf dem Flussufer hinter ihnen ein wüster Orkan an Schmährufen gegen Feste und Stadt losgebrochen. Allen voran Cemal von Korbrunn, ein Hauptmann der Markgräflichen Grenzreiter und Krieger von beachtlichem Ruf, war in seiner prachtvollen nebachotischen Rüstung am Ufer auf und ab geritten, und hatte sein Pferd immer wieder gar bis ins brusthohe Wasser getrieben. Endlich war dann vom anderen Ufer das Signal gekommen, dass die letzte Bohle verlegt war, und nachdem zunächst das Fußvolk hinüber gegangen war um das Ufer gegen das Fischviertel zu sichern, konnten schließlich auch die Reiter folgen. Hätten sich die überwiegend tulamidischen Rösser auf dem behelfsmäßig gezimmerten und hier und da schwankenden Untergrund nicht mit traumwandlerischer Sicherheit bewegt, wären die Verluste durch den jetzt nur noch unregelmäßigen Beschuss gewisslich weit höher ausgefallen.
Derweil berannten bereits weiter flussabwärts Löwengarde, Hakenspieße und das aranische Heer der Gerechten nach dem erfolgreichen Vertäuen der Schwimmbrücke das Hafentor, sodass nur noch die Schwere Kavallerie der Ragather Schlachtreiter in Reserve stand, um, sobald das Tor genommen war, jeden Widerstand auf der dahinter liegenden Straße zum Marktplatz hinfort zu fegen.
Auf Burg Talbruck hatten indes Angehörige des Bombardenregiments Trollpforte, deren Sappeure nicht nur beim Brückenschlag schwere Verluste erlitten hatten - zwischenzeitlich hatte auch ein unsichtbarer Dämon unter den auf dem Südufer verbliebenen Geschützbesatzungen gewütet, und konnte letztlich nur unter Aufbietung aller Kräfte der nach dem arkanen Duell über der Tobimora erschöpft zurückgebliebenen Magier bezwungen werden - damit begonnen einzelne der erbeuteten Geschütze gen Mendena zu richten. Die verbliebenen Offiziere sammelten sich während dessen auf dem Wehrgang, viele zumindest leicht verwundet, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Noch war der Tag nicht gewonnen.
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