Chronik.Ereignis1033 LSV 147
Im Rittersaal des Castillo Ragath (mittags)[Quelltext bearbeiten]
Autor: von Scheffelstein
Die Saaltür öffnet sich, und der Kornhammer Bote, der vor geraumer Zeit die Versammlung verlassen hat, kehrt zurück. Domna Richeza hebt eben an, auf die Bemerkung des Barons von Dubios zu antworten, als der Mann in dem grünen Wappenrock an sie herantritt und ihr etwas zuraunt. "Was, jetzt?", hört man sie auf der ragatischen Bank erwidern. Der Bote verneigt sich, und die Edle erhebt sich von ihrem Platz und verlässt leise den Saal.
In den Gängen des Castillo Ragath (kurz darauf)[Quelltext bearbeiten]
Autoren: von Scheffelstein, Boraccio D'Altea
Boraccio d'Altea schreitet ungeduldig den Gang auf und ab, während er auf die Scheffelsteinerin wartet. Die schwere Rüstung scheppert bei jedem Schritt, die Sporen klapperten, Säbel und Reiterhammer schlugen gegen Beinschienen. Eine Dienerin versucht sich zaghaft dem Junker zu nähern, um ihn auf dem Lärm aufmerksam zu machen, aber angesichts fast zwei Schritt hoher, in Stahl gepanzerter, schlechter Laune verlässt sie der Mut.
Schließlich biegt Domna Richeza um eine Ecke. "Na endlich!", murmelt der Aracener und nimmt lautstark Kurs auf die Landedle. "Ah, Domna Richeza! Gut, dass ich Euch noch antreffe. Ich habe Eure Botschaft, bzw. die Eures Großvaters, erhalten. Es scheint sich ja wohl um eine regelrechte Offensive der Barbaren zu handeln. Ich fürchte, ich muss Dom Hesindian vorerst Hilfe schuldig bleiben, bis ich die Lage in Khahirios im Griff habe. Aber spätestens, wenn ich die Ferkinas wieder in die Berge treibe, werde ich nach Kornhammer kommen. So lange mag Dom Hesindian sich verschanzen, um seine Kräfte nicht unnötig aufzureiben. Dann können wir sie vereint zermalmen, zwischen Hammer und Amboss. Und wer weiß, vielleicht schickt ja jemand aus Punin ein paar von den Kleiderständern vorbei, die man dort mit Soldaten verwechselt."
Domna Richeza nickt. "Gut, dass Ihr die Nachricht noch erhalten habt, Dom Boraccio." Sie lächelt leicht. "Das Beste nämlich habt Ihr auch verpasst: Es ist eine Botin des Kaisers eingetroffen. Der Kaiser wird Entsatz gen Osten schicken, der Harmamund soll das kaiserliche Heer anführen. Aber erst in einem Mond. Frühestens. Denn" - die Edle ballte die Faust, "unser geschätzter Kaiser wird zuvor noch heiraten. Oh ja, ganz recht: Seine Novadibraut!"
Boraccio verspürt bei dem Lächeln der Edlen das gleiche Kribbeln, das ihn bereits bei ihrer ersten Begegnung überkommen hat. Noch immer vermag die Schönheit ihn zu verwirren. Das ebenso wohlige wie irritierende Gefühl hält allerdings nur für einen Sekundenbruchteil, bis zum Ende ihres Satzes. Dem Aracener fällt buchstäblich die Kinnlade herunter, als er die Neuigkeiten vernimmt. Sichtlich schockiert ringt er nach Worten, dann bahnt sich der Zorn seinen Weg.
„Er will WAS? Ihr wollt doch nicht ernsthaft sagen, dass der bleiche Jüngling jetzt auch noch seine heidnische Metz… Verlobte heiraten will? Gibt es denn in Punin im gebrochenen Rad keine Noioniten, die den König auf seinen Geisteszustand untersuchen könnten? Was kommt als nächstes? Müssen wir alle zu diesem Götzen beten?“ Er schnaufte tief durch. „Und deswegen sollen wir uns noch einen Monat von den Barbaren abschlachten lassen? Aber vermutlich müssen wir noch froh sein, dass er überhaupt gedenkt, Dom Gwain zu schicken, die Südpforte wartet ja bis heute vergeblich.“
"Scht", macht die Edle und wirft einen verstohlenen Blick nach links und rechts den Gang hinunter. "Ich verstehe Euren Zorn nur zu gut, Dom Boraccio, aber seht Euch dennoch vor, was Ihr äußert und vor allem, in welcher Lautstärke." Sie seufzt und senkt die Stimme. "Ich weiß nicht, was es ist", sagt sie leise, "aber etwas sagt mir, dass die Zeiten vorbei sind, in denen wir ungehemmt unsere Meinung sagen durften. Nicht, dass ich mich fürchtete, dies dennoch zu tun", ergänzt sie rasch, "aber solange ich nicht weiß, wer Freund und wer Feind ist, halte ich mich lieber bedeckt." Sie schweigt einen Moment - einen langen Moment, während dessen sie in dem einen Auge des Junkers etwas zu suchen scheint. Schließlich senkt sie den Blick und seufzt erneut. "Ich wünschte, das wär's mit den schlechten Nachrichten, aber ich muss Euch enttäuschen. Das Amhallassih ist verloren. Für immer. Solange jedenfalls, wie das Haus Gareth in Almada herrscht." Wieder sucht die Edle das unversehrte Auge des Araceners. "Der Kaiser hat Süd-Almada den Heiden überlassen. Bis auf Omlad. Alle Lehen sind in den Besitz der Sandschlucker übergegangen."
Der Junker schnauft verächtlich. „Das Haus Gareth besteht nicht nur aus dem Knaben, der sich für den Kaiser hält. Es mag zwar gegen unsere Tradition sein, eine Königin zu haben, aber diese Königin hat uns immerhin siegreich gegen die Heiden in die Schlacht geführt! Sagt, was Ihr wollt, aber die Schwester ist mehr Almadaner als ihr Bruder. Nur will das da drin niemand hören, so sehr freuen sich alle über 'ihren' Kaiser. Aber wer ist dieser Kaiser? Bislang vermeinte man immer Dom Rafiks Stimme zu hören, wenn Selindian Hal geruhte zu sprechen. Ich schätze, so langsam vernehmen wir den Klang seiner eigenen Stimme.“ Dom Boraccio lässt den Blick schweifen. „Wie dem auch sei, im Augenblick gibt es Dringlicheres. Harmamund hin oder her, bis er die Armee gesammelt hat und in den Osten führen kann, sind wir auf uns gestellt. Wir können nicht einen Monat warten, bis Entsatz kommt, bis dahin verfault uns die Ernte auf den Feldern. Hätte ich doch nur mehr Gold, dann würde ich Dom Vigo noch um einige Banner seiner Hakenspieße angehen. Ihr solltet auch zusehen, was Ihr hier in Ragath noch an Truppen bekommen könnt und nach Kornhammer führen.“
Domna Richeza schweigt erneut, während ihre Augen langsam über das Gesicht des Araceners wandern. "Vor mir mögt Ihr offene Worte sprechen, Dom", sagt sie, "denn ich habe Euch Eure Taten nicht vergessen, auch wenn ich Eure Meinung nicht teile. Auch die einstige Königin hat nichts für Südalmada getan. Sie hat die Reconquista nie gutgeheißen. Sie würde von den Heiden ebenso wenig fordern, was unseres ist, wie ihr Bruder. Dennoch erlaubt mir, Euch erneut zu warnen. Der Wind wird rauer wehen in Almada, wenn unter den Magnaten keine Einigkeit herrschen wird und Speichellecker wie der Fuente an Einfluss gewinnen. Er hat seine Brüder und Schwestern auf der amhallassihdischen Bank verraten. So wie er seine einstigen Mitstreiter verraten hat." Düster und zornig verzieht die Edle ihr Gesicht. "Ihr mögt nichts auf ihn geben, Dom, aber Ihr solltet ihn fürchten, wenn Ihr auch vor anderen so offen sprecht wie vor mir. Noch mag er nur ein landloser Adliger sein, der nach Höherem strebt. Aber sein Ehrgeiz kennt keine Grenzen, und wehe uns, wenn der Kaiser ihm Gehör schenken sollte, denn er ist skrupellos und böse."
Dom Boraccio streicht sich durch den Bart. „Ihr habt wohl Recht, auch Rohaja wird keinen Krieg mit den Heiden anfangen und Punin wird mit ihr sicher nicht die Capitale des Raulschen Reiches werden. Fast wäre es mir auch einerlei, wer sich nun Kaiser und König nennt. Aber wo ich nun bereits vor beiden gestanden habe … nun, nennt es ein bloßes Gefühl, aber ich weiß, wem ich eher aufs Schlachtfeld folgen würde.“ Er schweigt einen Augenblick.
„Und wenn hier in Almada zukünftig Denunzianten und Verräter den Ton angeben, dann weiß ich nicht, ob dies noch länger mein Zuhause sein kann. Nicht dass ich Angst hätte, in Punin weiß man noch nicht einmal so recht, wo Khahirios überhaupt liegt, und auch ein Dom Gwain wird sich noch die Ferkinas zurück wünschen, wenn er mich in Aracena holen kommen will.“
Der Aracener starrt abwesend auf einen Punkt in der Ferne. „Wisst Ihr, die Familie meiner Mutter stammt aus dem nördlichen Caldaia. Und Graf Geismar hat mir in Hartsteen ein Edlengut verliehen. Manchmal frage ich mich, ob es nicht leichter wäre, einfach in den Norden zu gehen und dort zu bleiben. Aber dort sieht man nicht die Gipfel des Raschtulswalls.“
Er reißt sich wieder los und konzentriert sich auf die Domna. „Jedenfalls danke ich Euch für Eure Warnung. Euer Großvater sprach noch vor Kurzem ähnliche Worte zu mir. Ich hoffe, wir alle überstehen die kommenden Stürme, ohne Schaden zu nehmen. Und Sturm zieht auf, dessen können wir uns gewiss sein.“
Das Schweigen der Domna dauert noch länger als zuvor. Ihr Blick ruht erst in einem unbestimmten Punkt hinter dem Aracener, dann sieht sie ihn an. Schließlich nickt sie bedächtig. "Mein Platz wird immer in Almada sein", sagt sie leise. "Nicht im Horasreich, nicht in Garetien. Nirgendwo anders als hier. Man mag mich verfolgen, einsperren, befehden, ja vielleicht auch töten. Ich werde für dieses Land kämpfen bis zu meinem letzten Tropfen Blut. Für dieses Land, vor allem aber für jene, die mir am Herzen liegen." Die Domna schaut zu Boden. Auf einmal wirkt sie traurig.
Boraccio räuspert sich. „Ihr solltet nicht den Fehler machen und einen Rückzug mit Aufgabe verwechseln. Gerade wenn es um die geht, die Euch lieb und teuer sind, ist ein Tod aus reinem Stolz die falsche Wahl. Denn wer soll für Eure Liebsten streiten, wenn Golgari Euch geholt hat? Es ist einfach, sein Leben voller Tapferkeit aufs Spiel zu setzen, wenn niemand zu Hause auf Euch wartet. Aber sobald Ihr Verantwortung übernehmt, könnt Ihr nicht frei darüber entscheiden.“ Er zwang sich nun zu einem schiefen Lächeln. „Aber genug damit, eine düstere Zukunft zu malen. Ich bin mir sicher, dass die Königin von Garetien im Grunde keinen Krieg will und sich eine Lösung finden lässt, wenn man nur danach sucht. Und bis dahin soll es an uns sein, dafür zu sorgen, dass es überhaupt noch Land und Leute gibt, über die Kaiser und Könige herrschen können!“
"Wenn niemand auf mich wartet?", murmelt die Domna, aber es ist, als nehme sie den Junker gar nicht wahr. "Verantwortung?", fragt sie dann lauter. "Ich habe Verantwortung übernommen", sagt sie finster, "mag mein Großvater noch anders denken. Seit Jahren kämpfe ich um das Leben und die Gesundheit meines Vetters. Vielleicht wäre er gestorben, denn seine Mutter grämt sich mehr als dass sie für ihn sorgen würde. Ich tue, was ich kann. Aber es ist zu wenig", fügt sie leiser hinzu und reißt die Augen auf, die kurz feucht werden. Energisch schüttelt die Edle den Kopf. "Ich habe nicht vor, mein Leben sinnlos zu vergeben – Nicht mehr", fügt sie flüsternd hinzu, und wieder zieht ein Anflug von Verzweiflung über das noch immer jugendlich hübsche Gesicht, kurz nur, dann hat die Domna sich wieder in der Gewalt. "Genug davon", sagt sie. "Nun gilt es Dringlicheres zu erledigen. Manche der Magnaten" – sie machte eine unbestimmte Geste in Richtung des Ratssaals – "sind bereit, ihre Mercenarios und Caballeros mit uns zu schicken, einige haben sogar vor, selbst das Pferd zu satteln."
Boraccio nickt. „Im Augenblick zählt jede Klinge, die sofort verfügbar ist. Auch wenn ich bei manchen meine Zweifel habe, ob sie in den Bergen zu gebrauchen sein werden.“ Er rollte mit dem Auge.
Auch die Edle nickt. "Wir werden sehen", sagt sie. "Wichtig ist, dass wir die Versorgungswege offen halten und Plünderungen, soweit wie möglich, verhindern. Ich werde nach dem Ende der Versammlung zusehen, noch einige Bewaffnete anzuwerben und aufbrechen, sobald ich kann. Mit oder ohne die Unterstützung der Nobleza. Aber ich denke, mit einiger Hilfe werde ich rechnen können." Domna Richeza nickt erneut. "Also, dann, Dom Boraccio" - sie streckt ihm die Hand entgegen, und als er sie ergreift, drückt sie sie, "passt auf Euch auf!" Einen Moment wirkt es, als wolle sie noch etwas hinzufügen, dann schließt sie den Mund, fest, als wolle sie ihn versiegeln, nickt ein drittes Mal, lässt seine Hand los und dreht sich um. Ihre eiligen Schritte verhallen in den Gängen.
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