Die kaiserlose Zeit und der Novadisturm
Als
Kaiser Valpo der Trinker starb, hinterließ er keinen Erben. Sein einziges Kind - eine Tochter zumal -- war schwachsinnig geboren worden und verstarb, noch ehe sie ihren achten Sommer ins Land hatte gehen sehen.
Die Hauptlinie der Almadaner Kaiserdynastie war damit erloschen!
Mit einem Male traten überall in ganz Almada, ja sogar im ganzen Neuen Reich, vermeintliche Thronprätendenten auf, die höchst zweifelhaft behaupteten, ihre Abkunft von irgendeinem Sproß des Hauses derer von Almada herleiten zu können.
Nach der Grablegung Valpos im "Tal der Kaiser" traf sich der Hochadel der anderen Reichsprovinzen im nahebei gelegenen Eslamsgrund zum Reichskonvent, auf dem etliche vorgebliche entfernte Verwandte des Kaiserhauses Testamente vorlegten, angeblich von der Hand Valpos selbst, in denen er sie als seinen Nachfolger auf dem Greifenthron legitimierte. Es kam unvermeidlich zum Streit, jeder bezichtigte die anderen Häuser der Fälschung. Nach wochenlangen Querelen einigte man sich zähneknirschend auf Graf Tedesco von Perricum als vorläufigen Reichsverweser, ohne daß dieser im ganzen Reich Anerkennung gefunden hätte. In Almada hatte ohnehin von vorneherein außer Frage gestanden, daß der Nachfolger der Eslamiden ebenfalls aus Almada stammen musste. Der lautsprecherischste und skrupelloseste unter allen möglichen Sukzessoren war Chiarissimo von Rebenthal, der als Souverän von eigenen Gnaden zunächst die Eslams- und wenig später auch die Raulskrone für sich beanspruchte. Er konnte zwar die kopf- und finanzstärkste Parteiung hinter sich vereinigen, aber sein Thronrecht wurde von zahllosen feindlich gesonnen Magnatenhäusern aus Ragatien oder auch im heimischen Yaquirtal niemals anerkannt.
Dessen ungeachtet verzettelte sich "Kaiser" Chiarissimo schon wenige Jahre nach seiner pompösen Krönung in verlustreiche Gefechte im Grenzgebiet zum Kosch, wo sein für lange Jahre schärfster Widersacher und Rivale - "Gegenkaiser" Porquid von Ferdork - gewaltsam an die Macht gelangt war. 914 BF schlug Porquid auch einen Angriff von Pelice von Ragath zurück, einer weiteren almadanischen Prätendentin auf den Kaiserthron.
In diesen kriegsreichen Jahrzehnten des Interregnums kam auch das blutige Handwerk der Landsknechte auf, das nach ihrer eigener Behauptung zuallererst von den Caldaiern ausgeübt wurde, die - um ihrer damals bitteren Armut zu entkommen - ihre Waffendienste an den verkauften, der das meiste dafür bot. Ihre Anführer nannte man hierzulande Condottieri, die Anführer ruchloser und beweglicher Truppen, die für gutes Geld überall hinzogen und für jeden gegen jeden kämpften, solange nur das Blutgeld stimmte.
Ein riesiges Mercenario-Heer unter der exilierten Albenhuser Grafentochter und "Gegenkaiserin" Rhondara von Albenhus und dem Condottiere Broinho della Pena rückte 920 bis 921 BF von Grangor aus gegen Elenvina und die Nordmarken vor, heimlich finanziert von der Vinsalter Königin Amene II. Firdayon. Dabei besetzte, brandschatzte und verheerte das Terzio auch Phecadien und weitere Teile der Mark Südpforte.
Die Magnaten Almadas achteten nicht der dräuenden Gefahr von außerhalb und schlugen sich untereinander um alter Blutsfeindschaften willen, die man nun - da ohnehin das gesamte Reich im Bruderkrieg entflammt war - endlich ungestraft mit erbarmungsloser Härte austragen konnte.
Dabei übersahen sie die Kriegsvorbereitungen des machthungrigen novadischen Großwesirs Rafim Al'Mougir, des zweiten Malkillah, der die Reiterstämme der Khom zum Kriegszug gegen die Ungläubigen vereinte.
Malkillahs wilde Reiterhorde überrannte die reiche Oasenstadt Eslamsbad am Nordrand der Wüste und stieß von dort aus schnurstracks weiter gen Punin vor. Dort aber hatten die Hofschranzen der Camarilla nichts als Hohn und Spott für den "verlausten Heidenführer aus der Wüste" übrig. Gräfin Hadjinsunni vom Yaquirtal, die als Einzige das wahre Ausmaß der Gefahr erkannte - wurde ausgelacht und des Hofes verwiesen, als sie "Kaiser" Espejo vom Berg und seinen verschlagenen "Kanzler" Valdemoro di Dalias um die Erlaubnis bat, den Heiden mit der kompletten
Wehr Almadas angehen zu dürfen.
So verblieb Gräfin Hadjinsunni nur ihre eigene bescheidene Gardereiterei, verstärkt durch die Yaquirtaler und Südpforter Landsmannschaften, um Malkillahs über 1000köpfiger Reiterschar den Weg zu verstellen.
Das Zusammentreffen der beiden Heerhaufen am 29. Rondra des Jahres 926 BF im fast ausgetrockneten Tal der Yrosa endet trotz wahren Heldenmutes von Seiten der Gräfin und ihres Aufgebotes mit einer vernichtenden Niederlage für die Almadanis. Die Gräfin selbst wurde durch eine angeblich von Malkillah II. selbst geworfene Dschadra getötet, nur ihr Reitersäbel und das heilige Roßbanner konnten (unabhängig voneinander) vom Schlachtfeld gerettet werden.
In Folge der Schlacht von Yrosien, auf deren Wallstatt - mutmaßlich durch wundersames Wirken der Göttin Tsa - im Folgejahr das Tal der Dornen entstand - schrumpfte das Reichsgebiet um die komplette Reichsmark Amhallas, die fortan als Emirat Amhallassih ein Bestandteil des Kalifats unter der Herrschaft des Großen Zelts war.
Malkillah II. teilte sein Heer - er selbst eroberte Omlad, Amhall und zuletzt die vom almadanischen Volkshelden Brancaléon tapfer verteidigte Kaiserpfalz Al'Keshir, während sein Blutsbruder Harun vom Stamme der Beni Kadha mit der anderen Hälfte des Heeres ungehindert in die schutzlose Capitale Punin einzog, ohne daß noch jemand eine wirksame Defecia gegen ihn hätte aufbieten können.
Harun I. ließ sich nach zeitgemäßer mittelreichischer Sitte zu einem weiteren der in diesen Tagen üblichen "Gegenkaiser" ausrufen, seine Herrschaft war jedoch kurz und blieb auf den südlichen Teil Almadas beschränkt. Immerhin gelang es ihm und seinen Reiterkriegern, die nach wie vor in der Südpforte sitzenden Truppen der Rondhara von Albenhus endgültig aus Almada zu vertreiben.
"Gegenkaiser" Harun I. starb schließlich in einem Hinterhalt von der Hand eines gemeinen Goblins - für das geschundene Volk Almadas sollten die dunklen Tage damit aber noch nicht ihr Ende finden. In diesen Götterläufen der Regentschaftskriege und des Interregnums war es auch üblich geworden, daß die kopfstarken Landsknechtshaufen aus eigenem Antrieb heraus Castellos, Dörfer und Städte besetzten, die ihnen als Winterquartier oder Verproviantierungslager passend erschienen und so traf die reiche Gilbornsstadt Punin das Schicksal, daß das fast 1200 Mercenarios starke Terzio des "Söldnerfürsten" Flanedrius vor den Toren der Stadt sein Lager aufschlug, unzweifelhaft in der Absicht, die eigene Kriegskasse und Vorräte durch Plünderung der wohlhabenden Stadt aufzufüllen. Die novadischen Besatzer stellten sich den zahlenmäßig weit überlegenen Söldnern zum Kampf, in dem sie schnell unterlagen - Entsatz aus der Khom konnten sie nicht erwarten, da sich Kalif Malkillah II. längst anderen Eroberungen zugewandt hatte.
Die Mietlinge feierten ihren Sieg mt tagelangen Gelagen, der selbst die gewaltigen Weinvorräte der Hauptstadt des Reblandes Almada bedrohlich zur Neige gehen ließ.
Wenige Wochen später wurde offenbar, daß die Söldlinge auch die Blattern und die »peinliche Krankheit« (auch Belhanker Sieche genannt) in die Stadt und das ganze Land eingeschleppt hatten, die sich rasend schnell und epidemisch ausbreiteten. Binnen kürzester Zeit wurden mehr Bürger dahingerafft, als selbst die Boronis im Ursprungsland des Rabenkultes göttergefällig bestatten konnten.
Als das Terzio im nächsten Frühjahr endlich - selbst stark dezimiert - aus der Stadt abzog, war unter den Toten in den Massengräbern auch "Söldnerfürst" Flanedrius, wenngleich sich niemand so recht zu erklären vermochte, weshalb der "Blutige Rotz" dem offiziell erlegen sein soll, eine solch häßliche Stilettwunde in seinem Rücken verursacht hatte.