Chronik.Ereignis1041 In den Schuhen des Kanzlers 05
Taladur, 30. Rahja 1041 BF
Boronsanger vor den Toren der Stadt
Autor: Jott
„Soll ich euch begleiten, Domnatella?“, fragte Emeralda zögerlich mit Blick auf das vor ihnen liegende Tor, aber Farfanya schüttelte den Kopf. „Nein, bleib hier. Ich will mit ihm allein sein.“
„Wie ihr wünscht, Domnatella!“ Farfanya konnte die Erleichterung ihrer Zofe deutlich hören. Sie verstand sie gut. Hätte sie die Wahl, sie wäre auch nicht hier… all die Jahre hatte sie so sehnlich darauf gewartet, dass ihr Vater zurück nach Taladur kommen würde.
Nun war er hier. Und blieb für immer. Welche Grausamkeit der Götter, dass es von ihnen ausgerechnet Boron war, der ihr Flehen erhört hatte.
Farfanya nahm ihrer Zofe die Schachtel mit dem letzten verbliebenen Punipantörtchen ab. Dann öffnete sie das schmiedeeiserne Tor mit dem Boronsrad. Sie zögerte. Ihre Brust war wie zugeschnürt und ihr Herz raste. Sie hasste diesen Ort! Hier war ihr Schmerz über den Verlust stets am größten und ihr Hass auf die novadischen Ketzer am brennendsten.
Aber es war nun der einzige Ort, an dem sie noch bei ihm sein konnte.
Sie folgte dem geschwungenen Weg, der an den Grabstätten der Familias vorbeiführte, bis sie vor dem Mausoleum ihrer Famila stand. Sie rang eine Weile mit sich, doch konnte sie sich nicht überwinden die Türe zu öffnen und hineinzugehen. Zu groß war die Angst vor der Kälte, die sie empfangen würde. Der Kälte und der Stille.
So viele Namen standen schon auf den Marmortafeln neben dem Eingang. Fast alle waren nur Geschichten für sie. Geschichten, von denen sie gehört und sie zum Teil wieder vergessen hatte. Auch er würde eines Tages nur noch eine Geschichte sein.
Nichts war so schlimm wie dieser Gedanke. Farfanya nahm das letzte Törtchen aus der Schachtel und aß. „Alles Gute, geliebter Soberan!“
Sie blickte eine Weile schweigend über den Boronsanger.
„Esperar ist tot, Papá… er ist letzte Woche gestorben, zwei Tage nachdem die Verlobung von Sansovino bekannt gegeben wurde…“ Sie schluckte „ Er… Vino … er hat sie angelächelt, Papá! Als sie es verkündet haben… hat er sie… angelächelt. Wie konnte er lächeln?“
Sie lehnte ihre Stirn an die weiße Marmorplatte, die seinen Namen trug. Sie war warm von der Sonne.
„Ich fühle mich so allein, Papá! So furchtbar allein! Nur Ta’iro ist mir hier geblieben. Aber auch er wird demnächst weiterziehen.“ Tränen liefen ihre Wangen hinab. Sie strich mit ihren Fingern die vertieften Linien seines Namens entlang. „Ich will nicht stets die sein, die von allen zurückgelassen wird!“
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