Cortezza
Die hohe Kunst der Cortezza [vulg.-bosp.: "Höflichkeit"], im Ragatischen Cortezia, in der Grafschaft Waldwacht bisweilen auch Cortesía genannt, beherrschen nur die Allerwenigsten in ihrer Vollendung. Verfeinert durch jahrhundertelanges Wirken der Rahjakirche in Almada, haben das Wahren und Kennen der Benimmregeln, die korrekte Wahl der Anrede, die höfliche Eloquenz, der salbungsvolle Minnedienst und die wohlfeile Schmeichelei derart komplexe Formen angenommen, dass sich selbst ein Hochadliger ohne es zu wollen "im Ton vergreifen" kann - und dann möglicherweise eine Duellforderung am Halse hat.
Wer die Cortezza besitzt, der beweist, dass er in edlen Kreisen umgangswürdig ist. Dabei besteht ein himmelweiter Unterschied zwischen den scharfen und sich ständig fortentwickelnden Regeln am Puniner Hofe - wo diese schließlich ausgeprägt wurden - und den Richtlinien, die in den Provinzen gelten.
Einige ausgewählte almadanische Höflichkeitsregeln
- Vor den almadanischen Landesherrscher darf nur barhäuptig getreten werden. Magnaten haben allerdings das Recht ihr Haupt wieder zu bedecken, sobald der König oder der Hofmarschall ein Zeichen dazu gibt. Dadurch heben sie sich sichtbar vom restlichen Adel und dem gewöhnlichen Volke ab.
- Dem almadanischen Landesherrscher oder einem Grafen die Kehrseite zu zeigen, ist eine schwere Beleidigung. Höflinge werden daher von Klein auf darin geschult, dem Herrscher immer das Gesicht zuzuwenden.
- Verwandte sowie Personen von gleichem Stand (z. B. zwei Barone) begrüßen einander mit einem Kuss auf beide Wangen um einander und vor allen anderen ihre Verbundenheit und Ebenbürtigkeit zu verdeutlichen. Dies gilt auch für verfeindete Adlige. Die Möglichkeiten, die der Wangenkuss - vom angedeuteten, lautlosen Luftkuss bis zum dreifachen Schmatzer auf die Wangen - bietet, sind allerdings so vielfältig, dass ein guter Kenner der Etikette schnell weiß, wie sich zwei Personen gegen über stehen.
- Magnaten können sich unter einander anstatt mit formellen Anrede wie "Euer Hochgeboren" auch mit Dom (+Vorname des Gegenübers) ansprechen. Inzwischen hat sich diese Mode im gesamten Adel verbreitet. Ursprünglich stammt diese Ansprache, allerdings ohne den Eigennamen, von den Rustikalen und Fellachen, die sich so ehrerbietig ihrem Herrn näherten.
- Ein Hand- oder Ringkuss gilt als tiefe Ehrbezeugung, die gerade gegenüber hochrangigen Geweihten gerne verwendet wird. Unter freiem Himmel ist er allerdings aus unerfindlichen Gründen eine Beleidigung.
- In einer Streitigkeit ein Gericht anzurufen, wo diese durch eine Querella lösbar wäre, gilt unter Magnaten als äußerst schlechter Stil.