YB40 Ein Fürst pilgert durch sein Land
Erschienen in den Meldungen des Hauses Yaquirblick Nô 39
Rondra 1036 BF
Ein Fürst pilgert durch sein Land.
Fast zwei Jahre ist es nun her, dass Gwain Isonzo von Harmamund zum neuen Fürsten Almadas gekürt worden ist. Seitdem ist es recht ruhig geworden in der sonst so streitbaren Südprovinz. Noch unter Gegenkaiser Selindian Hal war das Land in aller Munde, meist bei wütenden und besorgten Nachbarn. Seine Kaiserliche Hoheit wusste nicht nur, wie man es sich möglichst effektiv innerhalb von nur fünf Jahren mit Nordmärkern, Garethern, dem Kalifen sowie dem Lieblichen Feld kräftig verscherzt, auch intern riss er tiefe Gräben in das Gemeinschaftsgefüge der so schon meist nicht sehr einigen Almadaner. All dies gipfelte im Massaker von Al’Muktur, das mehr als 600 meist unschuldigen Häftlingen das Leben kostete. Die Botschaft, dass unter Fürst Gwain nun wieder bessere Zeiten einkehren würden, war leicht zu glauben, doch tatsächlich hörte man erst einmal überhaupt nichts vom neuen Fürsten.
Doch das sollte kein Zeichen von Tatenlosigkeit sein, denn die Aufgaben, die Fürst Gwain nun zu erfüllen hatte, waren mannigfaltig. Die von Ihrer Kaiserlichen Majestät ausgehandelten Strafzahlungen mussten definiert werden, vielerorts galt es, übrig gebliebene Selindianisten auszumachen und zu entmachten. Es gab kaum einen Almadaner, der nicht unter Selindians Schreckensherrschaft leiden musste, und ihre Ansprüche auf Entschädigung galt es gründlich zu prüfen. Weiterhin galt es auch, ein Kabinett für die Zukunft aufzustellen, das dafür sorgen konnte, dass nie wieder so etwas passieren könne.
Allein die Zusammensetzung dieses almadanischen Cronrates lässt tief blicken über die Gespräche, die im Hintergrund stattgefunden haben müssen. Den neuen Herren der Münze, Dom Rafik von Taladur darin zu wissen, muss nicht weiter verwundern, den geläuterten Selindianisten und ehemaligen Banus der Südpforte Stordan von Culming darin zu sehen kommentierten einige schon mit großer Überraschung, andere runzelten ob einer scheinbar offensichtlichen Leichtgläubigkeit die Stirn. Und dass auch die Nichte des Fürsten, Morena von Harmamund in den Rat berufen worden ist, gab Anlass zur Spekulation, vermuten nun doch nicht wenige, dass Gwain sie zur Nachfolgerin ausbilden will. Andere Mitglieder, wie die zuvor gänzlich unbekannte Lucia de Pilár, als neue Landsiegelwahrerin wirken so unscheinbar, dass sich viele fragen, ob von diesem Rat überhaupt irgendeine Macht ausgehen soll.
Doch langsam zeigen sich die Früchte der neuen Regierung. Dafür steht nicht nur das Mahnmal, dass anlässlich der Toten zu Al'Muktur am Fuße der Almadinresidenz erbaut wurde. Bald schon ging die Kunde durchs Land, dass Gwain von Harmamund die Magnatenschaft zu einem gemeinsamen Pilgerzug von Ragath nach Brig-Lo im Praios 1036 aufrief. Jeder, der die Kunde vernahm, begriff, dass der Fürst diesen Gang als Standortbestimmung verstehen würde. Und dass ein Fehlen bei diesem Pilgerzug als Affront gewertet werden könnte. So fand sich Mitte Praios eine breite Schar an Magnaten aus allen Teilen des Fürstentums zusammen.
Sie fanden ihren Fürsten früh morgens, in einen im Gebet versunkenen am Ragather Marktplatz vor, gekleidet im Büßergewand und barfuß. Ein jeder verstand die Geste und bald schon knieten Hunderte hinter dem Fürsten und beteten zu den Göttern. Keine Kutsche transportierte den Fürsten, kein Pferd trug ihn auf seinem Rücken, Schritt für Schritt wanderte er durch das Land und bat unentwegt seine Magnaten um ihre Meinung in wichtigen Punkten der aktuellen Lage.
„Wo steht Almada?“ war die erste Frage des Fürsten an sein Land und zahlreiche Stimmen erzählten ihm eine Geschichte von Ehre und Stolz, aber auch der Demut ob dem zuvor Geschehenen. Dem Fürsten dürfte gefallen haben, dass niemand ob einer ungerechten Behandlung nach der Selindianszeit klagte. Viel mehr blickte der Fürst mit seinen Fragen auch nach vorne, mahnte nicht zu vergessen, dass Almada schöne Söhne und Töchter hätte, deren Aufgabe es auch wäre, das neue Almada in die nächsten Generationen zu tragen. Gerade auf den Töchtern des Grafen Brandil zu Ehrenstein liegt dabei wohl eine große Verantwortung.
Auf diese Art und Weise wurden vom Fürsten bis zur Ankunft auf der Feste Cumrat am 27. Praios viele Fragen gestellt. Besonders am Herzen lag einigen das Schicksal der Taifasregionen. Manche stellten die Frage, ob man die Reconquista nicht wieder bemühen solle, nachdem sich die Novadis auch in den Taifas ausbreiten? Auch die Rolle der Kaiserwitwe Tulameth wurde hinterfragt. Die Frage wurde in den Raum geworfen, ob sie vielleicht einen Teil dazu beitragen könnte, um die Region zu befrieden? Thema war ebenso die Neubesetzung des kaiserlichen Marschalls und die Ausrichtung der Hofcamarilla. Ein weiteres Thema war das Kusliker Protokoll, immer noch galt es die verlorene Schlacht von Morte Folnor zu bezahlen. So fand tagelang eine angeregte Diskussion statt.
Die letzte Station dieser Pilgerfahrt wird der Fürst derweil nun nicht mehr zu Fuß gehen müssen. Die Loge der gemeinsamen Freundschaft beider Yaquirien konnte den Regenten für eine Bootsfahrt entlang des Yaquirs gewinnen. So würden einige Magnaten nicht nur persönliche Gespräche mit dem Fürsten führen können, auch aus dem Horasreich wurden viele Gäste erwartet, deren Meinung Dom Gwain nun genau so würde hören können. Welche Lehren der Fürst aus all diesen Gesprächen nun ziehen wird, wird die Zeit zeigen. Die Art und Weise jedoch hinterließ Eindruck, denn wo bisherige Regenten meist nur eine Landesständeversammlung einberief, um dieser dann selbst fern zu bleiben und sich nur das Ergebnis mitteilen zu lassen, zeigt sich Dom Gwain deutlich volksnäher. Ein wahrlich geschickter Kamelzug, denn es gibt noch viel zu tun für den Fürsten. Und auf diese Art und Weise wird der eh schon beliebte Regent sicher bald Möglichkeiten finden, um sein Land wieder zu einen. Ein Almada als wichtigster Teil eines ganzen Kaiserreichs. Darauf ein Vivat Almada.