Selaque
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Der kaiserliche Markt Selaque (ca. 640 Einwohner) ist der Hauptort und Vogtsitz des gleichnamigen Kaisergutes an der Reichsgrenze am westlichen Rand des Raschtulswalls. Der befestigte Markt und das den Ort wie eine weiße Marmorkrone überragende Castillo Albacim werden auch "die weiße Brünne" genannt, denn der kostbare weiße Selaquemarmor, Inbegriff und
Wappenzeichen des Kaisergutes, ist hier allgegenwärtig verbaut und lässt den Ort schon von weitem gleißend in der Sonne strahlen.
Markanter noch wie sein Baustein ist die Lage Selaques, denn der Ort thront wie ein Raubvogelnest in in mehr als einer halben Meile Höhe über dem Talgrund an der Westflanke des etwa 1000 Schritt hohen Berges Albamonte. Er ist nur über eine stark abschüssige Serpentinenstraße zu erreichen, die sich wie eine graue Schlange mehrfach um den Berg herum in die Höhe windet.
Die außergewöhnliche Lage Selaques ist für die Bewohner Fluch und Segen zugleich - zum einen gewährt sie im fährnisreichen Bosquirtal einen guten Schutz vor den Plünderungen der allgegenwärtigen Räuberbanden oder den Überfällen der Ferkinas, die die Dörfer im Flachland mit Mord und Brand überziehen, aber gleichzeitig ist es auch anstrengend und mühsam, alle Dinge des täglichen Bedarfs in die steile Höhe hinaufzuschleppen. Auch der Berg Albamonte selbst ist ein launischer Verbündeter, der den Markt, der auf einem Felsplateau unter einer 300 Schritt hohen Steilwand liegt, im Frühling und Herbst mit Steinschlägen und im Winter mit Schneebrettern und Firunschlägen bedenkt.
Herrschaft:
Ebenso wie andere ähnlich geartete Märkte wurde und wird Selaque seit alter Zeit von einem oder einer vom kaiserlichen Hof eingesetzten Marktrichter/in (almad.: Magistrado/a) regiert und verwaltet. Wegen der weltabgeschiedenen Lage und seiner Bedeutung als Straflager für verurteilte Schwerverbrecher galt dieses Amt seit jeher als eine Art Verbannungsort und Bestrafung für missliebige Höflinge und Reichsbeamte, die man auf diese Weise vom Hofe "fortloben" und in die bedeutungslose Einöde schicken konnte. Der vorletzte Magistrado, Radamel von Gugelfurt, war ein treuer Parteigänger von Kaiserin Rohaja und stand mit der auf Burg Albacim residierenden Reichsvogtin auf Kriegsfuß. Sofort nach Selindians Machtergreifung nutzte die zuvor wegen Gerüchten um ihre angebliche Liaison mit dem Reichsverräter Rakolus von Schrotenstein höchst umstrittene und in ihrem Amt nur noch auf tönernen Füßen stehende Reichsvogtin die Gunst der Stunde, schwur dem neuen Kaiser als eine der ersten Magnatinnen inbrünstig die Treue und ließ Magistrado Radamel als Verräter und Disente arretieren.
Kaiser Hal II. vertraut Vogtin Praiosmin jedoch nur bedingt - zwar sitzt sie unter seiner Herrschaft wieder etwas fester im Sattel, doch der Kaiser schickte die zuvor in ganz Punin als Tratschmaul und als "undichte Stelle" bei Hofe bekannte kaiserliche Palastdame Valposa di Mandana als neue Magistrada nach Selaque, wo sie die Order hatte, ein wachsames Auge auf die Reichsvogtin zu haben und halbjährlich einen schriftlichen Lagebericht an die Hofkanzlei zu senden.
Allein, Praiosmin von Elenta bekam Wind von der wahren Mission der Magistrada als Spitzel gegen sie und ließ sie eines Nachts von ihrer Commandantin Yegua von Elenta verhaften und in den Kerker von Albacim bringen. Nachdem Domna Valposa dort einmalige Bekanntschaft mit dem Beilunker Stiefel in der bestens ausstaffierten Folterkammer des Castillos gemacht hat, schreibt sie in ihren Berichten nur noch haargenau das, was die Reichsvogtin ihr diktiert, und lobt deren Geschick und Rechtschaffenheit vor dem Kaiser gezwungenermaßen in den allerhöchsten Tönen.
Örtlichkeiten
Selaque wurde schon in bosparanischen Tagen als Sträflingslager der Teilprovinz Ragatia-Bosquia gegründet. Von den Steinbrüchen ringsumher stammt der kostbare Marmor, der die Yaquirbühne, die Wagenrennbahn, die Arena der Gladiatoren und andere Prunkbauten der Provinzhauptstadt Punin bis heute schmückt. Im priesterkaiserlichen Zeitalter hatten die teilweise aus dieser Gegend stammenden Sonnengebieter die Intention, den Ort als ein Bollwerk gegen die aufrührerischen Achmad'sunni und die gottlosen Barbarenvölker des Raschtulswalls aufzurüsten. Ohne das Stadtrecht jemals urkundlich verliehen bekommen zu haben, ist Selaque seither auf drei Seiten von einer vier Schritt hohen weißen Mauer umgeben. Die letzte Seite - gen Osten - ist erwähntermaßen eine fast 300 Schritt senkrecht in die Höhe steigende Steilwand, die bis vor etwa 35 Jahren als unbezwingbar galt. Dann aber kletterten Ferkinakrieger vom Stamme der Bani Khadr vom Gipfel her die Felswand ohne Hilfsmittel herab und richteten ein Massaker unter der Bevölkerung an. Zum Schutz vor einer Wiederholung derartiger Überfälle ließ der damalige Reichsvogt Radmon von Elenta den Torre di Alba, einen ganzjährig bemannten Wach- und Spähturm auf dem Gipfel des Albamonte errichten, von dem aus die Selaquer durch eine Alarmglocke und Feuerzeichen gewarnt werden können. Im Sommer 1033 BF belagerten wiederum Ferkinas, diesmal vom Stamme der Bân Gassarah, den Ort und eroberten dabei auch den Gipfelturm, dessen Besatzung getötet wurde. Der Ort selbst wurde diesmal aber bislang nicht gestürmt - nach einer verlustreichen Niederlage gegen das Aufgebot des Söldnerführers Hernan von Aranjuez zog der Barbarenstamm gen Norden weiter.
Der Marktplatz Selaques ist alles andere als reich frequentiert. Die wenigen reisenden Händler, die sich mit ihren Waren überhaupt ins gefährliche Bosquirtal wagen, steurten bis vor kurzem lieber Elenta an (welches im Zuge des Ferkinasturmes aber ebenfalls angegriffen und stark entvölkert wurde). So sind auf dem Markt wie auch in den beiden einzigen, hier lokalisierten Tabernas des Ortes fast nur Einheimische und auch nur Erzeugnisse aus dem nahen Umland zu haben. Die wenigen freien Steinbrecher der Krone, die Canterados, unterhalten mit ihren Opfergaben einen der wenigen almadanischen Ingerimmtempel außerhalb der Hauptstadt und der zwergisch geprägten Waldwacht. Castillo Albacim schließlich, die schmucke viertürmige Schloßburg der Reichsvögte von Selaque, ist eine der größten und prunkvollsten Wehranlagen der ganzen Grafschaft Ragath mit fast 100 Bewohnern. Durch den Verkauf des Marmors ist Selaque vergleichsweise reich - gerade neben seinen eher ärmlichen Nachbarbaronien - und es wird auf den ersten Blick offensichtlich, wie viel Geld, das eigentlich der Kaiserkrone gehört, in der Ausschmückung dieses hochherrschaftlichen Prachtbaus versickert ist.