Chronik.Ereignis1036 Besuch im Vanyadâl 37

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Transbosquirien, Mitte Tsa 1036 BF

In der Nähe des Castillo Blutfels

Autor: Lindholz

Das Gewitter hatte den Pfad in einen Sturzbach verwandelt. Es konnte unmöglich schon die Dämmerung eingesetzt haben, doch die sich auftürmenden Wolken ließen keinen Lichtstrahl auf die Erde fallen. Stattdessen peitschte ein schneidender Schneeregen auf die einsame Gestalt herab, die sich den Weg hinaufquälte, immer wieder abglitt und den Blick sehnsuchtsvoll zu der alten Grenzfeste hob, wenn ein Blitz ihre dunkle Silhouette enthüllte.

Grordan hatte die Schreie der Sterbenden gehört, hatte das Kloster des schwächlichen Gottes, der sich anmaßte, Herr über die Toten zu sein, brennen sehen. Genugtuung hatte die Flammen seines Hasses gelöscht und nun blieben ihm nur die verbrannten Trümmer. Nach und nach entglitt ihm die Kontrolle über sein untotes Gefolge, doch es scherte ihn wenig. Nur als seine Todesmähre den Fährmann zerfleischt hatte, der sie über den Bosquir hätte setzen sollen, keimte Unzufriedenheit in ihm auf. Notgedrungen hatte er selbst das Boot mehr schlecht als recht ans jenseitige Ufer bringen müssen und war dabei weit vom Weg abgekommen.

Dennoch konnte der Nekromant untrüglich die richtige Fährte wieder aufnehmen. Mit einer Kraft, die keinen Widerspruch duldete, hatte ein unhörbarer Ruf ihn zu diesem verwunschenen Castillo geführt. Was für eine Ironie, dass er am Ende doch noch an jenem Ort stand, den zu finden er so lange getrachtet hatte. Ein weiterer Blitz zerriss die Dunkelheit und enthüllte den mit wilden Ranken und dornigen Gestrüpp bestandenen Innenhof hinter dem offenen Torbogen. Erschöpft trat Grordan ein.

Tiefer und tiefer hinein in die Festung führte ihn seine Suche. Jetzt, da der Regen nicht mehr unaufhöhrlich auf ihn einströmte, stieg ihm wieder der Verwesungsgestank in die Nase, der von seinem Arm ausging. Vielleicht sollte er sich wünschen, dass das Dämonenmal bald sein Antlitz erreichte, damit er den abstoßenden Geruch nicht mehr wahrnehmen konnte. Doch er fürchtete, bevor es soweit war, hätten die Niederhöllen ihn schon längst verschlungen. Vorsichtig tastete er sich die Stufen hinab durch die Dunkelheit in dem eisigen Gemäuer. Seine noch lebendige Hand ertastete, wie gemauerte Wände abgeschliffenem Fels und schließlich unbearbeitetem Stein wichen. In der Schwärze lauerten Abgründe und Fallen, das spürte Grordan, doch blieb er unversehrt; ihm war es bestimmt, sein Ziel unverletzt zu erreichen.

Er wusste nicht, wie weit er durch die Schatten geirrt war, doch schließlich konnte der Nekromant flackernden Feuerschein vor sich ausmachen und eilte sich, in den Lichtkreis zu treten, wie ein Ertrinkender der Küste zustrebt. Er betrat eine Kaverne, von dessen Wänden ihn die Schädel, der unterschiedlichsten Kreaturen Deres anstarrten. Das Licht entstammte sieben eisernen Feuerschalen, die einen steinernen Altar umstanden. Reliefs zogen sich um den Block, dessen frühere Verwendung sich durch eine Blutrinne erahnen ließ, doch Grordan hatte kaum einen Blick dafür übrig, denn in der Mitte des Altars stand ein kopfgroßes, beinernes Ei.

"Die Gebeinhöhlen des Nirraven." Trotz der Größe der Kaverne erreichte kein Echo seiner Stimme Grordans Ohren, als widerstrebe es diesem Ort, selbst den Nachhall des Lebendigen zu dulden. Ein Lächeln huschte über die Züge des Nekromanten. Nun wandelte er wahrlich auf den Pfaden der großen Aroqa von Punin! Für einige Augenblicke kehrte seine alte Neugier zurück und er entdeckte die zahlreichen Schutzzeichen, manche mit Blut aufgetragen, die die Macht dieses Ortes in Ketten legten. Die Glyphen konnten nicht aus der Zeit vor Bosparans Fall stammen. Jemand anders hatte hier nach Aroqa gewirkt. Die gleiche Person, die das Öl in den Feuerschalen entzündet hatte? Nervös leckte sich Grordan über die Lippen, straffte sich dann und rief sich seiner Würde erinnernd "Zeige Dich!" aus - in der Hoffnung, die Situation irgendwie meistern zu können, sollte seinem Befehl Folge geleistet werden.

Und tatsächlich schälte sich auf seine Worte hin eine Gestalt aus den Schatten. Als Grordan sie wiedererkannte, verfinsterte sich sein Antlitz. "Was machst du denn hier?", fuhr er den Leib des jungen Mannes an, der zu Lebzeiten auf den Namen Fahd gehört hatte; eine Tatsache, die dem Nekromanten weder bekannt war, noch ihn scherte. "Ich hätte dein hübsches Gesicht bei La Dimenzia gut gebrauchen können", setzte Grordan hinzu, "Da waren genug lästige Weibstücke, die..." Mit einem Aufschrei, halb der Überraschung, halb der Furcht geschuldet, wich der Nekromant vor dem Untoten zurück und ein Schauer lief durch seinen Körper, als er in den Augen seines Gegenübers etwas erblickte, das weit jenseits seiner Kontrolle lag. "Brich die Siegel." sprach die Kreatur mit einer Kälte in der Stimme bar jeder Menschlichkeit. "W... Was?" stotterte Grordan, in dessen Inneren die Erkenntnis reifte, dass er diese Höhlen nicht als künftiger Herr betreten hatte, sondern als niederer Diener. Fahds Leichnam deutete auf eines der blutigen Symbole an der Wand: "Zerstöre den Bann, der uns bindet." Grordan nickte und eilte auf Beinen, die unter jedem Schritt mehr zu zittern schienen, hinüber zu den Zeichen. Würde die Kreatur über ihn herfallen, sobald sein Werk vollendet war? Ein Wimmern entrang sich seiner Kehle und er dauerte seine eigene Torheit. Furcht hatte ihn in die Verdammnis gestürzt, aber seine Wut hatte den Pakt besiegelt. "Du wirst hier leben - du wirst hier wachen", verkündete die Stimme in seinem Nacken, "Das sei Dir gewährt, bis ein Würdigerer kommt, um diesen Ort für sich zu beanspruchen." Diese Worte ließen den Paktierer aufhorchen. So lange ihm sein Dasein noch blieb, konnte er nach einem Ausweg suchen. Einem wachen Verstand waren keine Grenzen gesetzt! Energisch rieb er mit seinem durchnässten Ärmeln über die Glyphe, bis diese zu verblassen begann. Für andere Zeichen würde er Hammer und Meißel benötigen, aber er zweifelte nicht daran, dass ihm das Nötige zugespielt werden würde. Er musste sich eilen - wer wusste schon zu sagen, wie viel Zeit ihm noch blieb?