Chronik.Ereignis1036 Besuch im Vanyadâl 20: Unterschied zwischen den Versionen
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"Sparen wir uns die Höflichkeiten", erklärte er nicht unhöflich aber bestimmt. "Auf der Reichsstraße geht das Ondit, Ihr hättet Rifada da Vanya aufgeknüpft." Eher Feststellung denn Frage, wobei der Baron und Junker weiterhin in die knisternden Flammen starrte, sodass nicht ganz klar war, was er davon halten mochte. | "Sparen wir uns die Höflichkeiten", erklärte er nicht unhöflich aber bestimmt. "Auf der Reichsstraße geht das Ondit, Ihr hättet Rifada da Vanya aufgeknüpft." Eher Feststellung denn Frage, wobei der Baron und Junker weiterhin in die knisternden Flammen starrte, sodass nicht ganz klar war, was er davon halten mochte. | ||
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Für einen kurzen Moment erstarrte das Gesicht der Harmamund, so kurz nur, dass ihr Gast es nicht bemerkte, der ihr den Rücken zukehrte. Im nächsten Augenblick nämlich brach Morena von Harmamund bereits in schallendes Gelächter aus. | |||
"Ein trefflicher Scherz, Dom Hernán", rief die Junkerin aus, und nachdem sich die erste Heiterkeit gelegt hatte, von der er nicht ganz sicher sein mochte, ob sie ehrlich war, nahm sie einen bedächtigen Schluck aus dem Pokal, blickte auf ihr verzerrtes Spiegelbild auf dessen Oberfläche und lächelte sinnend. "Ich gebe zu, gar manches Mal gelüstete es mich, der alten Krähe ob ihrer Unverschämtheiten den Hals umzudrehen. Doch wie Ihr ebenso gut wisst wie ich, ist es wohl leichter, einem Widergänger die ewige Ruhe zu schenken, als der friedlosen Vanyadâlerin." | |||
Sie schüttelte leicht den Kopf. "Wenn sie sich nicht Hals und Bein gebrochen hat, Dom Hernán, - ohne mein Zutun, versteht sich –, dann versprüht sie wohl just in diesem Moment weiterhin ihr Gift gegen alles, was den Namen Harmamund oder Ehrenstein trägt, da seid gewiss." | |||
Ihr Blick wanderte über den lockigen Hinterkopf des Dubianers. "Aber sagt: Wer hat Euch diesen Bären aufgebunden, wer ein solch lachhaftes Gerücht verbreitet?" | |||
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Version vom 9. Mai 2015, 16:16 Uhr
Baronie Dubios, 4. Tsa 1036 BF
Landedlengut Quaranca, vormittags im Dubianer Forst
Autor: Der Sinnreiche Junker
Der Condottiere versteckte das herzhafte Gähnen hinter dem nietenbesetzten Lederhandschuh. Viel zu früh. Viel zu kalt. Und vor allem hatte er nie den Reiz von Treib- und Drückjagden nachvollziehen können. Treiber und Hundemeuten scheuchten das Wild in seinen Einständen auf, und an den bekannten Wechseln warteten die Jäger. Bei größeren Jagdgesellschaften streng nach Rang geordnet, versteht sich. Hätte beispielsweise Graf Brandil zur Jagd geladen, so stünde nun er hier an ihrer Stelle, mit dem Privileg des ersten Schusses. Es sei denn, es gab einen (ranghöheren) Ehrengast. Dann folgte, verteilt an diesem Wechsel, die gräfliche Familia und mit etwas Glück der eine oder andere bedeutende Baron. Die Niederadligen schließlich bekamen am letzten Wechsel bestenfalls noch ein paar Hasen vor Bogen und Armbrust.
"Langweilt Euch meine Gesellschaft, Geliebter?" Der leicht spöttische Unterton seiner Verlobten riss ihn aus seinen Gedanken. Offenbar hatte sie aus dem Augenwinkel entweder doch das Gähnen gesehen, oder aber die verräterische Handbewegung, mit welcher er es hatte verbergen wollen.
"Niemals, meine Teuerste. Nur diese Art des Jagens." Immerhin entschädigte ihn der Anblick seiner Verlobten für diese vergleichsweise wenig aufregende Angelegenheit. In ihrem eng anliegendem Jagdkostüm war sie im ersten Tageslicht der Mittelpunkt von Castillo Quaranca gewesen, und das nicht nur, weil die goldenen Intarsien ihres waldgrünen Wamses warm die ersten Strahlen der Praiosscheibe einfingen.
"Meine Schwester hat mir erzählt, Ihr teiltet ihre Leidenschaft für Falknerei. Was bitteschön ist aufregender daran einem Vogel bei der Jagd auf einen anderen zuzusehen?"
"Nun ja, gewisslich hat Domna Concabella Euch dann auch erzählt, dass es bei der Falknerei nicht nur um die Jagd an sich geht, sondern auch um Zucht und Abrichten der..."
"...langweilig", unterbrach die Grafentochter ihn, und hielt sich demonstrativ die in einem Wildlederhandschuh steckende schlanke Hand vor den Mund, so als wäre es nun an ihr zu gähnen. "Und erzählt mir nichts von der Schönheit der Vögel und ihres Fluges. Langweilig, langweilig, langweilig."
"Wie Ihr meint, meine Liebe. Gewiss könnt Ihr dann nachempfinden, dass ich lieber dort unten wäre." Er deutete hinab ins bewaldete Tal. "Aug' in Aug' mit einem Keiler, den Wurfspieß oder die Saufeder in der Hand. Das, Teuerste, ist Jagen. Nicht was wie hier tun."
"Womit wir wieder bei der ursprünglichen Frage wären: langweilt Ihr Euch in meiner Gesellschaft?"
Hernán von Aranjuez seufzte ob ihrer Schnippigkeit. "Glaubt nicht, dass ich nicht bemerkt habe, dass Ihr mir grollt."
Rahjada von Ehrenstein-Streitzig wendete kurz das schöne Antlitz in seine Richtung, die Augen leicht zusammen gekniffen. Dann blickte sie wieder in Richtung des Wildwechsels. "Warum sollte ich Euch grollen? Weil Ihr, statt meine und meiner Familia Feinde auszuradieren, lieber gemeinsame Sache mit ihnen macht?"
"Ihr wisst, dass das nicht wahr ist. Hier geht es um Praiosmin von Elenta." Nun war es an ihm beleidigt zu klinge. Zumindest ein wenig.
Seine Verlobte indes winkte nur ab. "Ach, hört doch auf. Ihr benehmt Euch als wärt Ihr irgendein kleiner Landjunker. Schickt Eure Soldaten, schickt Eure Mercenarios. Warum müsst Ihr Euch selbst daran beteiligen?"
Einen Moment lang schwieg der Baron und Junker. "Weil ich dann befürchten müsste, dass Ihr die Sache an die Elenterin verratet. Ich hoffe Ihr habt etwas mehr Skrupel Rifada da Vanyas Kletterseil durchschneiden zu lassen, wenn Ihr wisst, dass auch Euer Verlobter dran hängt."
Wiederum wandte sich Rahjada von Ehrenstein-Streitzig halb um, und einen Augenblick lang teilten sie beide das gleiche, gefährliche Lächeln. "Wenn ich Euch gewähren lasse...", sprach sie schließlich "...versprecht Ihr dann, dass es das letzte Mal war, dass Ihr Euch auf die Seite dieser grässlichen Vettel schlagt?"
Der Aranjuezer kaute auf seiner Unterlippe herum. "Uns verbinden Angelegenheiten der Ehre", begann er vorsichtig. "Es wäre daher töricht ein solches Versprechen abzugeben." Natürlich gefiel er diese Antwort nicht; man konnte sehen, wie sich ihr Körper verspannte. Doch wie maß man solcherlei Schulden? Die Vanyadâlerin hatte damals im Burghof von Castillo da Vanya ihren Rückzug, ihre Flucht gedeckt, war bereit gewesen ihr Leben zu opfern. Sicherlich, er war ihr und den ihren in der Folge gleichfalls behilflich gewesen, teils ebenfalls unter Gefahr für Leib und Leben, doch wann war die Waage ausgeglichen? Konnte derlei Schuld überhaupt jemals getilgt werden, oder war er in einem ständigen Kreislauf gegenseitiger Gefälligkeiten gefangen?
Abermals rissen ihn die Worte Rahjada von Ehrenstein-Streitzigs aus seinen Gedanken: "Dann werdet Ihr sicherlich verstehen, Liebster, dass ich für meinen Teil dann nicht versprechen kann, mich nächstes Mal nicht gegen sie zu stellen. Sie ist eine geschworene Feindin meiner Familia. Je eher sie ins Gras beißt, desto besser."
So unvernünftig wie sich Rifada da Vanya teilweise gebärdete, war dies ohnehin nur eine Frage der Zeit. Hernán von Aranjuez nickte. Soviel musste er seiner zukünftigen Gemahlin wohl oder übel zugestehen. "Mit etwas Glück trifft sie ohnehin demnächst der Schlag, so wie sie sich über Euch echauffiert", versuchte er es mit einem Scherz.
Rahjada von Ehrenstein-Streitzig lachte nicht. "Wie alt ist ihre Tante Belisetha mittlerweile?" Ein berechtigter Einwand. Bedachte man das hohe Alter der Alt-Baronin von Schrotenstein und den mehr als rüstigen Eindruck, den Rifada da Vanya erweckte, war wohl kaum mit einem baldigen Ableben zu rechnen. Es sei denn jemand hülfe ein wenig nach.
"Touché", musste er einräumen. "Aber wenn Praiosmin von Elenta einmal aus dem Weg ist, glaube ich nicht, dass wir noch viel von ihr hören werden. Sie war wahrscheinlich seit Jahrzehnten nicht mehr in Ragath, und ist jetzt auch nur wegen dieser Sache aus ihren Bergen herabgestiegen. Ist ihre Herrschaft im Vanyadâl erst einmal unumstritten, mag sie ruhig dort bleiben und ihren Groll pflegen. Und eines mehr oder weniger fernen Tages wird diese Fehde dann auch mit ihr sterben."
"Die da Vanyas werden ihre Ansprüche niemals aufgeben", schüttelte die Grafentochter das Haupt. "Würdet Ihr etwa? Oder würde ich? Sie werden uns immer hassen."
"Mhm...nun gut, aber wer bleibt dann in einigen Jahren noch? Seine Eminenz ist sogar noch älter als Domna Belisetha und noch dazu kinderlos. Deren Sohn Lucrann ist ledig und wahrscheinlich nur eine seiner Reisen nach Weiden von einer Anklage wegen Felonie entfernt. Nachdem der bedauernswerte Dom Moritatio den Ferkinas zum Opfer fiel, bleibt Domna Rifada nur noch ihre Tochter Gujadanya. Aber die lebt auf Keshal Rondra, und glücklicherweise leben wir nicht zu Zeiten Hals, wo man solchen Leuten Grafentitel gegeben hat, nur um uns Altadeligen ins Gesicht zu spucken. In ein paar Jahren hat sich der da Vanya-Spuk von selbst erledigt."
"Ihr habt die Scheffelsteinerin vergessen."
"Domna Richeza?" Hernán von Aranjuez runzelte die Stirn. "Sie ist so viel da Vanya wie ich ein Harmamund. Natürlich vergisst man nicht woher man kommt, insbesondere wenn die Not groß ist. Aber ich mache mir ja auch nicht tagtäglich Gedanken über die Nachfolge Seiner Durchlaucht."
Mit hochgezogenen Augenbrauen sah Rahjada von Ehrenstein-Streitzig ihren Verlobten an, so als wolle sie sagen: ich wäre enttäuscht, wenn Ihr nicht genau dies sehr wohl tätet. Stattdessen aber sah sie wieder hinunter zum Wildwechsel. "Ich glaube es ist soweit."
In der Tat war in der Ferne Hundegebell zu hören, sodass die ersten Tiere wohl alsbald in ihr Schussfeld laufen würden. Mit der Ruhe des alten Soldaten setzte der Baron und Junker den Fuß in den Bügel der Leichten Armbrust und legte die Zahnradwinde auf um ihre Waffe zu spannen...
Mark Ragathsquell, 5. Tsa 1036 BF
Burg Harmamund, am späten Abend
Autor: Der Sinnreiche Junker
Hernán von Aranjuez fluchte götterlästerlich. Sie hatten von Heldor über die Reichsstraße nach Ciragad beinahe ebenso lange gebraucht, wie von dort bis hierher in Sichtweite des Castillos der Familia von Harmamund. Zwischen Ragath, wo sie zum ersten Mal die Rösser gewechselt hatten, und Ciragad (wo sie zum zweiten Mal wechselten) hatten sie im letzten Licht des kurzen Wintertages beinahe ihre Tiere zu Schanden geritten. Einen Mann hatten sie zurücklassen müssen, dessen Pferd sich auf dem verschneiten Weg hinter Ciragad ein Bein gebrochen hatte. Und das, obwohl sie ihr Tempo merklich gedrosselt hatten. Das gequälte Wiehern in der Ferne klang ihm immer noch in den Ohren, ehe der Mann das Tier von seinem Leiden erlöst hatte. Doch die Angelegenheit duldete keinen Aufschub.
Kurz sah der Condottiere zu dem Reiter neben sich. Sein Ross machte im Vergleich zu ihm noch einen frischen Eindruck. Feuchtigkeit glänzte auf der Stirn des Mannes. Schweiß und geschmolzene Schneekristalle, die sich ansonsten zumindest kurz in seinem Bart verfingen. Unter der Nase war ihm der Rotz in die kurzen Härchen über der Oberlippe gefroren. Die fiebrig glänzenden Augen verrieten, dass der Mann restlos durchgefroren war, und das trotz mehrerer Lagen an Kleidung. Unter ihren Gewändern trugen sie nach Eisenfressermanier zusätzlich Lederkoller, darüber aber Pelz und weite Umhänge. Dennoch schnitt der kalte Wind bei vollem Galopp durch jeden Stoff, durch Mark und Bein. Der verkniffene Blick ließ erahnen, dass die trotz der Handschuhe klammen Finger die Zügel mit letzter Kraft hielten. Hernán von Aranjuez, der, das wusste er, gerade keinen Deut besser aussah als sein braver Anzures, fluchte götterlästerlich und richtete seinen Blick wieder auf das letzte Wegstück vor ihnen. Die Angelegenheit duldete keinen Aufschub.
Noch vor wenigen Wassermaßen waren sie behaglich in Heldor beeinander gesessen und die Rückkehr seiner Verlobten von Castillo Quaranca erwartet. Stattdessen war ein Bote erschienen, geschickt von einem Heldorer Wirt. Reisende hatten sich darüber unterhalten, dass Morena von Harmamund angeblich eine da Vanya gehängt hatte. Hatte sich die Fürstennichte Domna Rifadas bemächtigt, die noch vor drei Tagen sein Gast auf Aranjuez gewesen war? Sogleich war dem Baron und Junker klar gewesen, dass Ärger ins Haus stand. Nicht nur, weil er seiner Verlobten lediglich einige eilig gekritzelte Zeilen hinterlassen hatte - einige nicht minder eilig gekritzelte Zeilen waren an Fürst Gwain nach Punin gegangen. Dann hatten sie ihre Pferde gesattelt, auf dass er sich persönlich vom Wahrheitsgehalt dieser Sache vergewissern konnte. Die Gerüchte waren freilich nicht mehr einzufangen, und wer wusste schon, wann sie wen erreichen würden? Früher oder später die Falschen. Also galt es Maßnahmen zu ergreifen.
Denn sollte dies Gerücht der Wahrheit entsprechen, war diese Geschichte geeignet ganz Ragatien in Brand zu stecken. Uralte Feindschaften, uralte Bündnisse, Familienbande - die wenigsten würden sich einer solchen Blutfehde entziehen können. War nicht Rolban von Quirod, dieser alte Trunkenbold, ein Vetter dieses Beinahe-Felonisten Lucrann da Vanyas? Domna Rifada selbst war väterlicherseits eine halbe Ragathsquellerin. Was würde der alte Scheffelsteiner tun, da seine Nichte gewisslich auf Seiten der da Vanyas fechten würde? Grollte Bernfried von Falado seinem Fürsten noch? Immerhin hatte ihn dieser 1027 BF der Mitgliedschaft im seinerzeit noch verfehmten Bund der Almadinhüter beschuldigt? Die meisten Rescendientes wetzten zweifellos ohnehin bereits seit dem Tage heimlich die Messer, an dem ein ehemaliger Answinist den Fürstenthron bestiegen hatte. Er selbst hatte einen Ausgleich zwischen den Harmamunds und Brandil von Ehrenstein vermittelt, doch wenn sich der Graf für sie erklärte, würde das wohl Graytenaus ins gegnerische Lager treiben. Ein Ludovigo Sforigan würde sich wohl der Seite anschließen, welche den meisten Gewinn versprach. Kaum vorstellbar, dass seine Konkurrentin Radia von Franfeld für die gleiche Partei zu den Fahnen rufen würde. Kopf-ab Radia wiederum war mit einem Viryamun verheiratet, was die Descendientes in die Sache hinein ziehen konnte...
Hernán von Aranjuez brummte der Schädel. Er fluchte götterlästerlich. Die Angelegenheit duldete in der Tat keinen Aufschub. Als sie endlich, endlich das Ende der Zugbrücke erreicht hatten, wo zwei Kohlebecken wenig Licht und keine Wärme spendeten, hob er die Faust um Anzures und den verbliebenen Reiter das Halten zu bedeuten. Die Brücke war herabgelassen, doch galt dies zu dieser Stunde gewiss auch für das Fallgatter hinter dem verschlossenen Tor. "Hernán von Aranjuez", rief er zur Wache hinauf, die nur schemenhaft auf dem Torhaus zu erkennen war, als sie sich zwischen zwei Zinnen nach vorne lehnte. "Öffnet, in der guten Götter Namen." Obgleich er durchaus desöfteren auf der Burg zu Besuch war, konnte er wohl kaum hoffen im Halbdunkel erkannt zu werden. So musste der silberne Rabenschnabel auf schwarzem Grund, der an der Lanzenstange des Begleitreiters flatterte einstweilen genügen.
Autor: von Scheffelstein
An den Wänden des Rittersaales hingen Schilde in den Farben und mit dem Wappen der Familia von Harmamund. Auf Granitsockeln standen diverse Gestechrüstungen, gegenüber des Erkerfensters an der Kopfseite des schmalen Saales sogar die eines Reiters samt Lanze auf einem gerüsteten Holzpferd. Die meisten der Rüstungen hatten laut der Gravuren in den Sockeln dem einstigen Harmamunder Grafen Balbiano dem Älteren gehört.
"Hernán von Aranjuez." Die Hausherrin hatte den Saal beinahe lautlos betreten und schenkte dem noch immer Stehenden ein breites Lächeln, als der sich zu ihr umdrehte. Allein, die dunklen Augen blieben kühl und unterzogen den Gast einer knappen Musterung. "Welch seltener Gast seit Mutters Tod." Sie wies mit der Rechten auf die samtbezogenen Stühle, die den dunklen Tisch in der Saalmitte umstanden und wartete, und ließ sich selbst auf einem der Stühle nieder.
Das sorgfältig geschminkte Gesicht täuschte über ihre verblasste Jugend hinweg, das rotgelbe Brokatkleid mit dem Stehkragen und das Goldcollier mit dem einzelnen roten Stein betonten den makellosen und nicht zu tiefen Ausschnitt, der mehr von ihrem Busen erahnen als sehen ließ.
Morena Solivai von Harmamund bedeutete dem hinter ihr eingetretenen Diener mit beiläufigem Wink, das Silbertablett auf dem Tisch abzustellen. Der Lakai stellte einen Teller Salzbrot, zwei Schälchen mit Öl und eines mit geschmolzener Lauchbutter auf den Tisch und goss der Junkerin und ihrem Gast süßen Valporaner in die Silberpokale.
"Habt Ihr es in dieser Nacht nicht mehr nach Aranjuez geschafft, Dom Hernán, oder was verschafft mir die Ehre Eures späten Besuchs?"
Autor: Der Sinnreiche Junker
Der späte Gast hatte sich lediglich seiner Handschuhe entledigt, und hielt die bloßen Finger in Richtung der Flammen des Feuers im Kamin, vor welchem er stand. Für die reiche Ausstattung des harmamunder Rittersaales hatte er wohl kein Auge, wiewohl er freilich auch nicht zum ersten Male hier war. Offenbar hatte man ihm auch eine Schüssel mit Wasser gereicht, um sich zumindest im Gesicht ein wenig frisch zu machen. Zumindest deuteten einige derangierte Locken an Stirn und Schläfen darauf hin.
Klirrend, nicht nur ob der Silbersporen, wandte sich Hernán von Aranjuez um, als die Hausherrin den Rittersaal betrat. "Habt Dank, aber Nein", beugte er leicht das Haupt, und hob sogleich abwehrend die Hände. Die er dann auch lieber wieder in Richtung der Wärme des Kaminfeuers streckte. Überhaupt wandte er sich halb von Morena von Harmamund ab, sodass es schwer fiel, seinen Gesichtsausdruck zu deuten. Denn falls sie geglaubt hatte, dass er ob seiner schmutzigen Reitkleidung nicht auf dem Samtpolster der Stühle Platz nehmen wollte, wurde sie umgehend eines Besseren belehrt.
"Sparen wir uns die Höflichkeiten", erklärte er nicht unhöflich aber bestimmt. "Auf der Reichsstraße geht das Ondit, Ihr hättet Rifada da Vanya aufgeknüpft." Eher Feststellung denn Frage, wobei der Baron und Junker weiterhin in die knisternden Flammen starrte, sodass nicht ganz klar war, was er davon halten mochte.
Autor:von Scheffelstein
Für einen kurzen Moment erstarrte das Gesicht der Harmamund, so kurz nur, dass ihr Gast es nicht bemerkte, der ihr den Rücken zukehrte. Im nächsten Augenblick nämlich brach Morena von Harmamund bereits in schallendes Gelächter aus.
"Ein trefflicher Scherz, Dom Hernán", rief die Junkerin aus, und nachdem sich die erste Heiterkeit gelegt hatte, von der er nicht ganz sicher sein mochte, ob sie ehrlich war, nahm sie einen bedächtigen Schluck aus dem Pokal, blickte auf ihr verzerrtes Spiegelbild auf dessen Oberfläche und lächelte sinnend. "Ich gebe zu, gar manches Mal gelüstete es mich, der alten Krähe ob ihrer Unverschämtheiten den Hals umzudrehen. Doch wie Ihr ebenso gut wisst wie ich, ist es wohl leichter, einem Widergänger die ewige Ruhe zu schenken, als der friedlosen Vanyadâlerin."
Sie schüttelte leicht den Kopf. "Wenn sie sich nicht Hals und Bein gebrochen hat, Dom Hernán, - ohne mein Zutun, versteht sich –, dann versprüht sie wohl just in diesem Moment weiterhin ihr Gift gegen alles, was den Namen Harmamund oder Ehrenstein trägt, da seid gewiss."
Ihr Blick wanderte über den lockigen Hinterkopf des Dubianers. "Aber sagt: Wer hat Euch diesen Bären aufgebunden, wer ein solch lachhaftes Gerücht verbreitet?"
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