Chronik.Ereignis1033 Feldzug Raschtulswall 18: Unterschied zwischen den Versionen
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"Gut, dass Ihr kommt. Vielleicht könnt Ihr uns den Weg ins Tal beschreiben, so dass wir allein hinab finden? Oder kommt Ihr gleich mit uns?" | "Gut, dass Ihr kommt. Vielleicht könnt Ihr uns den Weg ins Tal beschreiben, so dass wir allein hinab finden? Oder kommt Ihr gleich mit uns?" | ||
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Tsacharias Krähenfreund blickte auf Gendahar und Romina herab, sein Gesicht war ernst, ja, fast kummervoll. Er murmelte etwas, das nach "''der Friede der Menschen''" klang und seufzte. | |||
"Ihr wollt also gehen", stellte er fest. "So Ihr nicht warten wollt, kann ich Euch nicht begleiten. Wo die jüngsten ihrer Kinder in Not sind, muss Tsa die größeren ziehen lassen." Seine Augen wanderten über die Frauen und Zaida und hielten dann Gendahars Blick fest. | |||
"Gebt gut acht auf die Mädchen! Es ist ein gefährlicher Weg ins Tal in diesen Zeiten. Noch gefährlicher aber, so scheint es, ist der Weg durch die Ebene selbst. Seid also vorsichtig, haltet Euch verborgen, denn Kühnheit ist der Dummheit dieser Tage nicht fern. Es gibt zwei Wege hinab ins Tal. Der eine führt über Grezzano, nordöstlich von hier. Der Ort ist geplündert, aber es treiben sich noch viele Ferkinas in der Gegend herum. Das Dorf selbst solltet Ihr meiden, wenn Ihr könnt, und wenn nicht, so verzichtet Ihr besser auf ein Feuer, das Euch verrät. Von Grezzano führt eine Straße ins Tal. Sie kreuzt den Weg ins Vanyadâl, also haltet Euch nach Westen. Besser aber Ihr meidet die Straßen, denn sie sind nicht sicher. Der andere Weg ..." | |||
Er seufzte. "Der andere Weg ist kürzer. Er führt durch den Wald und über versteckte Weiden. Er ist auch sicherer, aber für Fremde ist er schwer zu finden. – Wenn Ihr diesen Weg gehen wollt," sagte er, "dann wartet Ihr besser, bis die Dame zurückkehrt, denn ich bin mir sicher, dass sie ihn kennt und sich jetzt schon auf ihm befindet." | |||
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Version vom 19. Januar 2012, 21:29 Uhr
Im Raschtulswall, 29. und 30. Praios 1033 BF
Nahe Grezzano
29. Praios
Autor: von Scheffelstein
Als Domna Richeza erwachte, fühlte sie sich wie gerädert. Sie fror, und ein bellender Husten entrang sich ihrer Kehle, wann immer sie den Mund aufmachte. Ihr war, als hätte sie nicht geschlafen, dabei waren alle anderen schon auf den Beinen.
Die junge Ferkina Golshan war zurückgekehrt. Sehr zum Missfallen des alten Krähenfreund hatte sie zwei tote Kaninchen mitgebracht. Zu wenig, als dass sie alle davon satt werden konnten, zumal der Alte streng untersagte, in dieser Höhle ein Feuer zu entzünden.
Auch der Hund war wieder da, sprang kläffend um die anderen herum und schien seine Furcht vor der Höhle vergessen zu haben. Das Mädchen Zaida hatte ihn heulend in einem Gang unweit der Höhle gefunden.
Selbst Praiodor war wach. Sein Fieber war gesunken, aber er war sehr matt und blinzelte Richeza aus halb geschlossenen Augen an, als sie ihm durch das verfilzte Haar fuhr.
Richeza selbst hätte am liebsten weitergeschlafen, allein, ihr Hunger war mittlerweile unerträglich, und ihre Tante drängte zum Aufbruch. Offenbar hatte sie es nur dem alten Heiler zu verdanken, dass Domna Rifada sie nicht schon vor Stunden geweckt hatte.
Krähenfreund führte die Gruppe nicht wieder hinauf zu der Höhle, durch die sie den Berg betreten hatten, sondern durch einen anderen Gang tiefer ins Innere des Djer Kalkarif hinein. Domna Rifada und Dom Gendahar wechselten sich damit ab, den kleinen Praiodor zu tragen. Mehr als einmal fluchten sie über die engen, feuchten Tunnel, die oft so schmal und niedrig waren, dass sie auch ohne ihre Last Schwierigkeiten gehabt hätten, sich hindurchzuzwängen.
Anfangs wies ihnen das blakende Licht einer Fackel den Weg, mit der Domnatella Romina ihrem Führer leuchtete. Doch nach etlichen Stunden und zwei kurzen Rasten, in denen sie die letzten spärlichen Vorräte der Männer und Golshans Kaninchen geteilt hatten, war die letzte Fackel niedergebrannt, und sie hatten nur noch drei Kerzen übrig. Krähenfreund mahnte sie, während jeder Rast, das Licht zu löschen, um länger etwas von den Kerzen zu haben.
Das sei doch Irrsinn, schimpfte Domna Rifada, hier durch die Dunkelheit zu irren und forderte den Alten auf, sie sofort wieder ans Licht zu führen. Es war ihr anzusehen, dass es ihr gar nicht schmeckte, sich hier seiner Führung anzuvertrauen, doch da nur er den Weg kannte und sie mittlerweile tief in die verzweigten Gänge unter dem Berg hinabgestiegen waren, blieb ihr nichts anderes übrig, als ihm weiterhin fluchend zu folgen.
Irgendwann war Richeza so erschöpft, dass sie sich am liebsten geweigert hätte, weiterzugehen, doch sie riss sich zusammen, setzte mechanisch Fuß vor Fuß und tappte hinter Moritatio her, dem sie mehrmals in die Hacken stolperte. Falls er sich an seinen Angriff in der Nacht erinnerte, zog er es vor, darüber zu schweigen, und Richeza ihrerseits verspürte wenig Lust, ihren Vetter darauf anzusprechen. Überhaupt sprach sie wenig, denn ihr Hals schmerzte, und das Gehen allein kostete sie genug Kraft.
Auch die anderen waren schweigsam, allein Krähenfreund kommentierte ab und an den Weg, und die kleine Zaida sprach mit dem Hund, der freudig bellend voraussprang, und ab und an durchbrachen die Flüche Domna Rifadas oder Dom Gendahars die Stille, wenn der Streitzig sich den Kopf stieß oder Richezas Tante mit ihren breiten Schultern in der sperrigen Lederrüstung in einer Verengung des Ganges stecken blieb.
Schließlich kamen sie in eine schmale Höhle, durch die ein glucksender Bach floss, und Krähenfreund sagte, hier würden sie nun schlafen. Domna Rifadas Wutschnauben nützte ihr gar nichts, der Alte ließ sich nicht zum Weitergehen bewegen, und Richeza war mehr als froh darüber. Während sich alle einen Platz zwischen Bach und Höhlenwand suchten, fragte sie sich, was wohl mit dem Wasserlauf geschähe, wenn es draußen einen der berüchtigten bosquirischen Gewitterstürme gäbe. Doch wenigstens konnten sie ihre Wasserschläuche auffüllen.
30. Praios
Als Domna Rifada zum Weitergehen drängte, war Richeza eben erst eingeschlafen. Der Hunger hatte sie lange wach gehalten. Den anderen schien es mittlerweile nicht sehr viel besser zu gehen, und so war es das Knurren ihrer Mägen, das sie begleitete, als sie schweigend ihren Weg fortsetzten.
Endlich wurde es heller: Graues Zwielicht kam vor ihnen aus dem Gang, und wenig später traten sie durch einen Spalt auf ein Plateau, vier Schritt über dem Boden einer langen, bewaldeten Schlucht. Der Morgen dämmerte erst, doch nach den langen Stunden der Dunkelheit war Richeza froh über das erste schwache Licht des Tages.
Sie kletterten die Wand an einem Seil hinab, die Ferkina löste es und folgte als Letzte – behände wie eine Katze. "Grezzano ist weiter im Norden", erklärte Domna Rifada, nachdem sie sich kurz umgesehen hatte. "Richeza, Moritatio, folgt mir, und auch du, alter Mann!" Doch wie Tsacharias erklärte und sie bald feststellen mussten, waren die Wände der Schlucht zu steil, als dass sie aus ihr hinausklettern konnten. Und so blieb ihnen nichts anderes übrig, als dem Alten abermals zu vertrauen, als er sie nach einer Weile aus dem Licht der Morgensonne heraus in eine Höhle führte und weiter durch schier endlose Gänge und Tunnel. Mehrmals war es Richeza, als sei der Alte sich nicht mehr ganz sicher, welchen Wege er wählen sollte, und einmal ließ er sie nach kurzer Zeit umkehren und einen anderen Tunnel versuchen, was Domna Rifadas Unmut nur weiter zu fördern schien.
Ab und an wenigstens kamen sie an Kaminen vorbei, durch die Sonnenlicht fiel, und zweimal führte ihr Weg sie wieder hinaus ins Freie, doch jedes Mal befanden sie sich hoch oben über einer Schlucht oder einem unpassierbaren Geröllhang und es gab keine Möglichkeit, einen gangbaren Weg hinab zu finden.
Bald nach einer längeren Pause in der Dunkelheit, ging ihnen die letzte Kerze aus, und sie standen in der Finsternis. Die Stimmung fiel, auch wenn Tsacharias versicherte, es sei nun nicht mehr weit, er sei sich ganz gewiss. Sie kamen nur noch langsam voran, schrammten sich Hände und Knie auf, und Richeza fragte sich allmählich, ob ihre Tante nicht doch recht hatte und sie besser den gewundenen Pfad den Djer Kalkarif hinabgestiegen wären, den sie heraufgekommen waren, auch auf die Gefahr hin, den Ferkinas direkt in die Arme zu laufen.
Als es diesmal heller wurde, war Richeza fest entschlossen, lieber einen Steilhang hinabzurutschen als noch einen Schritt weiter durch die Dunkelheit zu stapfen. Doch wie sich herausstellte, war dies nicht nötig.
Der Gang öffnete sich zu einer Höhle, und kurz darauf empfing sie die bereits über der almadanischen Ebene stehende Nachmittagssonne. Weit im Süden erkannte Richeza die Gipfel des Djer Kalkarif.
"Jetzt ist es nicht mehr weit", verkündete Tsacharias Krähenfreund strahlend. "Keine zehn Meilen mehr, und wir sind in Grezzano."
Richeza rutschte an der Felswand vor der Höhle zu Boden und lehnte den Hinterkopf an den von der Sonne gewärmten Stein. Sie schloss die Augen, spürte, wie zum ersten Mal seit Tagen die Lebensgeister in ihren verkühlten Körper zurückkehrten. Keine zehn Meilen?! Der Alte war irre! Sie würde keine zehn Schritt mehr gehen heute, soviel stand fest!
Autor: SteveT
"Ich habe meinen Mann und mein Burggesinde in Grezzano zurückgelassen!", kündigte Rifada nun in Sichtweite der Selaquer Gemarkungsgrenzen an. "Genauer gesagt, ganz in der Nähe - nämlich in der Kate deiner Schwester, Kräutersammler, die sich leider etwas verstockt und unfolgsam zeigte."
Sie beschirmte die Augen mit einer Hand vor dem hellen Sonnenlicht und ließ ihren Blick von hier oben aus dem Gebirge heraus weit über die Elentinische Ebene schweifen. Immerhin waren - zumindest auf den ersten Blick - nirgendwo Reiter der Ferkinas und auch keine Soldaten Praiosmins zu entdecken. Sie hoffte, daß diese selbst nach wie vor in Selaque auf Albacim weilte - auf dem Weg dorthin hatte sie ihre Erzfeindin das letzte Mal gesehen.
"Ihr bleibt am besten hier und ruht noch ein wenig aus!", bestimmte sie mit einem Seitenblick auf Richeza und den Jungen, die ihr beide gar nicht gefielen. "Ich gehe erst einmal allein nach Grezzano und prüfe die Lage dort. Wenn alles gut steht, dann kehre ich bis zum Abend mit ein paar jungen Burschen aus meinem Gesinde und einer Trage zurück. Auf ihr schaffen wir dann den Jungen zur Hütte deiner Schwester, alter Mann!"
Sie kniete sich neben Richeza hin, die sich einfach rücklings ins Gras hatte plumsen lassen und raunte ihr ins Ohr: "Gib auf den alten Zausel acht! Wenn er sich davonstiehlt, ist auch dein Junge verloren - dann war alles umsonst. Hindert ihn notfalls mit Waffengewalt an der Flucht! Ich hole Verstärkung und dann sehen wir weiter ... auch was die da betrifft." Sie lenkte Richezas Blick mit den Augen zu Golshan, die - noch am frischesten von allen - auf Zaida einredete, die bestimmt kein einziges Wort verstand und allein nur aus Höflichkeit zu allem nickte.
"Ich gehe mit Euch, Mutter!", schulterte Moritatio sein Bündel und kam auf sie zugewankt. Auch er hatte dunkle Ringe unter den Augen.
"Nichts da! Du bleibst hier und gehst Richeza zur Hand - sie weiß was zu tun ist!", beschied ihn Rifada knapp, dann trottete sie mit einem knappen "Bis zum Abend!" talwärts von dannen.
Autor: Ancuiras
Gendahar ließ sich neben Romina nieder, die sehr erschöpft aussah - wie er selbst. Trotzdem durften sie nicht lange weilen.
"Hör zu, wir sollten diesen Ort verlassen, bevor Rifada zurück ist, egal, was der Alte sagt. Es mag gefährlich sein, aber niemand weiß, was Domna Rifada vorhat und ob sie uns nicht in ihre Fehde mit Domna Praiosmin verwickeln will. Wir müssen uns allein durchschlagen, bis wir auf getreue Gefolgsleute deines Vaters treffen. Meinst du wirklich, wir können dem Ferkinamädchen vertrauen? Sie sollte sich in der Gegend auskennen, aber wie machen wir ihr klar, wohin wir wollen?"
Autor: Romina Alba
Romina lehnte sich ein wenig an den Onkel, gerade so viel, dass es noch schicklich war. Sie schaute zu Golshan, die ihren Blick erwiderte und lächelte müde.
"Ich traue Golshan voll und ganz, Onkelchen." Leise neckend flüsterte sie das Kosewort, sie schien seelisch bedeutend intakter, als Gendahar es befürchtete, besonders nach den Bemerkungen in der Höhle, die seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt hatten. "Aber abgesehen davon, dass ich das Gefühl habe, mich drei Wochen nicht mehr bewegen zu können, ist es wirklich schwer, sich ihr verständlich zu machen."
Sie winkte Golshan zu sich. Die junge Wilde kam her und ging mit einen schüchternen Blick zu Gendahar bei den beiden in die Hocke. Romina deutete auf sie und dann auf Gendahar, sich selbst und die kleine Zaida, sagte jeden Namen, beschrieb mit den Fingern einen Kreis, um alle zusammenzufassen und deutete dann nach Westen.
"Ras Ragath?", fragte sie Golshan und deutet wieder auf sie. "Uns alle," wieder führte sie den Finger im Kreis, "nach Ragath?"
Autor: von Scheffelstein
Richeza folgte ihrer Tante mit den Augen, bis diese zwischen den Bäumen verschwunden war. Hechelnd sprang der Hund des Alten hinter der Junkerin her, schnüffelte hier und da an den Sträuchern. Kurz darauf hörte sie ihn kläffen und dann die ärgerliche Stimme ihrer Tante, irgendwo aus dem Wald.
Mit Waffengewalt sollten sie den Alten an der Flucht hindern? Mit welchen Waffen? Ihrem Dolch? Moritatios abgebrochenem Rapier? Aus den Augenwinkeln nahm sie wahr, wie der Streitzig sich zu seiner Nichte setzte und sie leise miteinander sprachen. Sie meinte den Namen ihrer Tante zu hören und auch den Domna Praiosmins. In einem kurzen Anflug von Misstrauen spitzte sie die Ohren. Was, wenn die beiden doch gemeinsame Sache mit der alten Vettel machten? Sie konnten ihre Tante nicht leiden, das war nicht zu übersehen, und vielleicht wollten sie sich den sicheren Weg durch Selaque erkaufen, indem sie der Erzfeindin ihrer Tante in die Hände spielten. Vielleicht planten sie, Moritatio oder sie selbst als Geisel zu nehmen und Praiosmin auszuliefern? In ihrem jetzigen Zustand fühlte Richeza sich mehr als wehrlos, und Moritatio sah auch nicht so aus, als würde er es mit dem kräftigeren Streitzig aufnehmen können, zumal der der weitaus bessere Kämpfer war, wenn die Geschichten stimmten.
"Richeza, wo ist meine Mama?", riss sie die Stimme des kleinen Praiodor aus ihren Gedanken. Sie wandte sich dem Jungen zu, den ihre Tante neben ihr im Gras abgelegt hatte. Sie hatte Rifada noch immer nicht gefragt, ob diese eine Spur Domna Fenias gefunden hatte. Allerdings hätte die Junkerin es ihr wohl erzählt, wenn sie die Domna gesehen hätte oder um ihren Aufenthaltsort wüsste. Nein, wahrscheinlich irrte Praiodors Mutter noch irgendwo allein durch die Berge oder war – was wahrscheinlicher war – bereits verdurstet, erfroren oder den Ferkinas in die Hände gefallen.
"Wir finden sie schon noch, Praiodor!", sagte Richeza und setzte das zuversichtlichste Lächeln auf, zu dem sie in der Lage war. Sie streichelte seine Wange. Er hatte kein Fieber mehr, immerhin etwas. "Komm und schlaf noch ein wenig. Bald sind wir wieder zu Hause, und dann wird alles gut!" Sie zog ihn zu sich heran, bettete seinen Kopf auf ihrem Oberschenkel und lauschte seinem Atem, der bald wieder tief und regelmäßig war. Wie schmächtig er war für sein Alter, vor allem aber: wie furchtsam.
Tsacharias Krähenfreund ließ sich ihr gegenüber im Gras nieder und reichte ihr eine Handvoll Nüsse. Richeza nahm sie wortlos entgegen.
"Könnt Ihr ihn heilen?", fragte sie kauend.
"Sein Fieber ist zurückgegangen. Die Wunde wird heilen." Sie sah ihn an. "Ich meine: Ob Ihr ihn gesund machen könnt. Richtig gesund."
"Was fehlt ihm denn?"
"Guckt ihn Euch an: Er ist krank und schwächlich. Er war nicht immer so. Als kleiner Junge war er ... lebendig. Dann ist sein Vater gestorben, seine Mutter ist verrückt geworden vor Kummer, und er ist an einer Sieche erkrankt, von der er sich nie erholt hat."
Tsacharias schwieg.
"Heißt das: Nein?" Richeza lehnte den Kopf zurück, sah Krähenfreund weiter an. "Wir haben ziemlich viel auf uns genommen, um Euch zu finden. Es hieß, Ihr wärt ein Heiler. Es hieß, Ihr wäret gut."
Tsacharias schwieg weiter. Seine grüngesprenkelten Augen ruhten auf ihrem Gesicht. Richeza wich seinem Blick aus. "Eine Krankheit ist eine Bürde, die wir uns freiwillig auferlegen oder für andere tragen", sagte er. "Sie erfüllt einen Sinn. Sie ist wie Tsas Regenbogen, der uns den Weg weist vom Regen ins Sonnenlicht. Der uns Hoffnung gibt, unser Leben zu ändern, aus dem Regen herauszutreten und das Wohlwollen der Götter wie das wärmende Licht der Sonne auf uns zu spüren. Doch solange wir unseren Blick für die Möglichkeiten des Wandels verschließen, wird auch der Regenbogen für uns nichts weiter sein als ein Zeichen des Unwetters, das ihm vorausgeht."
Richeza runzelte die Stirn, klappte den Mund auf und wieder zu und schüttelte unwillig den Kopf. "So ein ... Unsinn! Hört auf, Euch zu rechtfertigen! Ihr ... könnt ihm also nicht helfen, ja?" Ihre Miene verfinsterte sich. "Das wird meiner Tante aber nicht gefallen."
Er war die Ruhe selbst. "Und was würde Euch gefallen?" Sein Gleichmut verunsicherte Richeza.
"Mir? Ich ... ich will, dass Praiodor wieder gesund wird. Dass er wieder so wird wie früher, als kleiner Junge, was glaubt Ihr wohl?"
Er wiegte den Kopf. "Nichts wird wieder so, wie es einmal war. Das Leben ist Wandel. Stillstand ist der Tod. Die Zeit läuft nicht rückwärts. Das Werden und Vergehen, der stete Neubeginn, das ist Lebendigkeit."
Richeza dröhnte der Kopf. Sie rieb sich die Stirn und sah an ihm vorbei, zur ganz langsam tiefer sinkenden Sonne. Dieser ganze Unsinn musste endlich ein Ende haben! Sie sollte nach Kornhammer zurückkehren, sich um ihr eigenes Leben kümmern. Ihr Großvater hatte recht gehabt, es war unverantwortlich gewesen ...
"Er hält an Altem fest", sagte Tsacharias. "Genauso wie Ihr." Er erhob sich. "Ich werde mit ihm sprechen, wenn es ihm besser geht, und sehen, was ich für ihn tun kann. Wenn Ihr das wünscht."
Richeza nickte nur und sah ihm nach, als er zu der Comtessa und deren Onkel trat, die mit der Wilden sprachen und ihre Worte gestenreich unterstrichen.
Autor: Ancuiras
Diese Golshan schien zwar sehr hilfsbegierig, aber schlau wurde Gendahar aus ihr nicht. Sie hüpfte von einem Bein aufs andere und zeigte mal in die eine, mal in die andere Richtung, dann auf die beiden Streitzigs und Zaida. "Ras'Ragh! Ras'Ragh!"
Gendahar warf seiner Nichte einen zweifelnden Blick zu. Diese schien auch nicht schlau draus zu werden. "Nun, vielleicht sollten wir uns einfach erst einmal nach Grezzano begeben und dann versuchen, den Weg talwärts zu finden, den wir gekommen sind. Hauptsache, wir laufen den Ferkinas nicht in die Arme. Ich schlage vor, dass wir am Nachmittag aufbrechen."
Romina nickte nur geistesabwesend und versuchte weiterhin, Golshans Zeichensprache zu deuten.
Ihr Onkel blickte zu den anderen hinüber. Moritatio hatte sich auf dem Boden ausgestreckt und Richeza hatte sich gemeinsam mit dem Alten über den Jungen gebeugt. Praiodor. Konnte er ihn den da Vanyas überlassen? Sie waren genauo mit ihm verwandt wie er selbst. Vor Gendahars Augen erschien wieder der Anblick der toten Fenia, die kaum wieder zu erkennen war. Selten zuvor hatte ihn ein solches Grauen gepackt, tagelang hatte er es nicht abschütteln können. Er hatte seine Cousine nicht sehr gut gekannt, Stordan, ihren Bruder, der nur wenige Jahre jünger war als Gendahar, schon etwas besser. Aber Freunde waren sie nie geworden, sie schienen immer in einer Art Wettstreit zueinander zu stehen. Würde Stordan für den Jungen sorgen? Er war der nächste Verwandte, doch seine Lande verwüstet, seit der Yaquirbruch so unsicher geworden war. Im Westen war das Königreich bereits zu einem wilden Land geworden und jetzt stiegen auch noch die Ferkinas aus den Bergen herab. Wo sollte das enden?
Erst einmal mussten sie hier weg und wieder sicher ins Tal gelangen. Er wandte sich wieder Romina und Golshan zu. "Runter, ins Tal!" Er zeigte von den Bergen weg, dann machte er die Hand flach. "In die Ebene!"
Es war hoffnungslos. Der Streitziger unterbrach seine Gesten, als ein Schatten auf ihn fiel. Tsacharias Krähenfreund stand vor ihm.
"Gut, dass Ihr kommt. Vielleicht könnt Ihr uns den Weg ins Tal beschreiben, so dass wir allein hinab finden? Oder kommt Ihr gleich mit uns?"
Autor: von Scheffelstein
Tsacharias Krähenfreund blickte auf Gendahar und Romina herab, sein Gesicht war ernst, ja, fast kummervoll. Er murmelte etwas, das nach "der Friede der Menschen" klang und seufzte.
"Ihr wollt also gehen", stellte er fest. "So Ihr nicht warten wollt, kann ich Euch nicht begleiten. Wo die jüngsten ihrer Kinder in Not sind, muss Tsa die größeren ziehen lassen." Seine Augen wanderten über die Frauen und Zaida und hielten dann Gendahars Blick fest.
"Gebt gut acht auf die Mädchen! Es ist ein gefährlicher Weg ins Tal in diesen Zeiten. Noch gefährlicher aber, so scheint es, ist der Weg durch die Ebene selbst. Seid also vorsichtig, haltet Euch verborgen, denn Kühnheit ist der Dummheit dieser Tage nicht fern. Es gibt zwei Wege hinab ins Tal. Der eine führt über Grezzano, nordöstlich von hier. Der Ort ist geplündert, aber es treiben sich noch viele Ferkinas in der Gegend herum. Das Dorf selbst solltet Ihr meiden, wenn Ihr könnt, und wenn nicht, so verzichtet Ihr besser auf ein Feuer, das Euch verrät. Von Grezzano führt eine Straße ins Tal. Sie kreuzt den Weg ins Vanyadâl, also haltet Euch nach Westen. Besser aber Ihr meidet die Straßen, denn sie sind nicht sicher. Der andere Weg ..."
Er seufzte. "Der andere Weg ist kürzer. Er führt durch den Wald und über versteckte Weiden. Er ist auch sicherer, aber für Fremde ist er schwer zu finden. – Wenn Ihr diesen Weg gehen wollt," sagte er, "dann wartet Ihr besser, bis die Dame zurückkehrt, denn ich bin mir sicher, dass sie ihn kennt und sich jetzt schon auf ihm befindet."
Autor: Ancuiras
"Die Mädchen?" Gendahar richtete sich auf, so dass er Tsachariaus um einen halben Kopf überragte. "Das eine Mädchen ist die Tochter Eures Grafen, eine Ritterin des Kaisers. Ihr solltet Euch hüten, sie in einem Atemzug mit einem Ferkinaweib zu nennen! Ich habe auch nicht um Belehrungen zum Zusammenhang zwischen Kühnheit und Dummheit gebeten, sondern lediglich um eine Beschreibung des Weges und ihrer Fährnisse." Er atmete tief durch. "Für Letzteres danke ich Euch, auch dafür, dass Ihr Euch um den kleinen Praiodor kümmern werdet... Ob wir gehen wollen? In der Tat. Mein Gefühl sagt mir, dass wir von der Dame zumindest keinen Schutz zu erwarten haben. Mir scheint", fuhr er nun an Romina gewandt fort, "und bleibt nichts anderes übrig, als den Weg über Grezzano zu nehmen."
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