Chronik.Ereignis1043 Die einsame Rose von Culming 05: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Almada Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
K (Link gesetzt)
K (kategorien)
 
Zeile 53: Zeile 53:
[[Junkergut Blumenau|Blumenau]]? Wo lag das überhaupt? Irgendwo in Culming? Er verkorkte das Tinten-Fläschchen und erhob sich. Er würde Dom Stordan einen Besuch abstatten. Irgendwas über Aramyas in der Südpforte und Al'Anfaner in Punin würde es schon zu bereden geben. Und vielleicht ließe sich beiläufig ein Treffen mit dieser Domnatella einrichten. Zufällig. Unverfänglich. Dann konnte er sich ein Bild machen. Er musste ja nicht die erstbeste Langweilerin zur Frau nehmen. Noch lebte Onkel Ramon ja. Aber vielleicht war sie nur eine etwas zu brave Tochter, die in Wahrheit am liebsten ans Ende der Welt flöhe. Dann würde er erst recht beten, dass Ramon sich mit dem Sterben noch ein wenig Zeit ließe. Dagegen, das Ende der Welt gemeinsam zu bereisen, hatte er schließlich nichts einzuwenden, bei Rahja!
[[Junkergut Blumenau|Blumenau]]? Wo lag das überhaupt? Irgendwo in Culming? Er verkorkte das Tinten-Fläschchen und erhob sich. Er würde Dom Stordan einen Besuch abstatten. Irgendwas über Aramyas in der Südpforte und Al'Anfaner in Punin würde es schon zu bereden geben. Und vielleicht ließe sich beiläufig ein Treffen mit dieser Domnatella einrichten. Zufällig. Unverfänglich. Dann konnte er sich ein Bild machen. Er musste ja nicht die erstbeste Langweilerin zur Frau nehmen. Noch lebte Onkel Ramon ja. Aber vielleicht war sie nur eine etwas zu brave Tochter, die in Wahrheit am liebsten ans Ende der Welt flöhe. Dann würde er erst recht beten, dass Ramon sich mit dem Sterben noch ein wenig Zeit ließe. Dagegen, das Ende der Welt gemeinsam zu bereisen, hatte er schließlich nichts einzuwenden, bei Rahja!


{{Chronik.Ereignis|Zurück=[[Chronik.Ereignis1043 Die einsame Rose von Culming 04|Teil 04]]|Chronik:Jahr=Chronik:1043|Ereignisname=[[Chronik:1043#Die einsame Rose von Culming|Die einsame Rose von Culming]]|Teil=Teil 05|Weiter=[[Chronik.Ereignis1043 Die einsame Rose von Culming 06|Teil 06]]}}


 
[[Kategorie:Chronik.Ereignis1043]]
{{Chronik.Ereignis|Zurück=[[Chronik.Ereignis1043 Die einsame Rose von Culming 04|Teil 04]]|Chronik:Jahr=Chronik:1043|Ereignisname=[[Chronik:1043#Die einsame Rose von Culming|Die einsame Rose von Culming]]|Teil=Teil 05|Weiter=[[Chronik.Ereignis1043 Die einsame Rose von Culming 06|Teil 06]]}}

Aktuelle Version vom 2. Juli 2022, 13:01 Uhr

Ragath, 5. Rahja 1043 BF[Quelltext bearbeiten]

Im Palacio des Stadtkämmerers Federigo von Kornhammer-Scheffelstein[Quelltext bearbeiten]

Autor: von Scheffelstein

Rondrigo Ippolito von Kornhammer saß auf einem der Balkone des kornhammerschen Palacios auf dem Ragather Burgberg und blickte über das Weberviertel hinweg auf den fernen Fluss. Sein Rücken lehnte an der Hauswand, seine Beine hatte er auf der Balustrade ausgestreckt, denn noch fühlte er sich nicht alt genug, auf einem der kunstvollen Eisenstühle Platz zu nehmen, die Besuchern einen gefahrlosen Ausblick über die Stadt versprachen.

Rondrigo rollte die Ausgabe des Yaquirblicks in einer Hand und seufzte. Mit dem Alter war das so eine Sache. Er war wohl nicht mehr der junge Mann, als der er sich noch immer fühlte, das musste er sich allmählich eingestehen. Auch wenn sein Körper noch immer muskulös war, gestählt von Scharmützeln und Turnieren, Expeditionen in die Höhenlagen des Raschtulswalls und Ausflüge in die Takelagen horasischer Hochseeschiffe, sprach allein die Tatsache, dass seine Mutter gebrechlich und sein Vater kränklich wurde, sein Onkel Hesindian ein Greis war und ein weiterer, entfernterer Onkel – Ramon – im Sterben lag, dafür, dass er nun zu jener Generation gehörte, der es oblag, die Geschicke des Hauses zu führen.

Rondrigo fuhr gedankenverloren durch seinen gepflegten Vollbart und dachte an das zurückliegende Gespräch vor einer Woche, für das sein Onkel Hesindian auf der Rückreise von Punin nach Kornhammer Halt in Ragath gemacht hatte.

In diesem Gespräch war es um die Zukunft des Hauses gegangen und damit auch letztlich um die seine. Das Haus Kornhammer-Scheffelstein hatte einige erhebliche Schicksalsschläge durchgemacht in den vergangenen Jahrzehnten. Rondrigo, einst Fünftgeborener, stand nach dem Tod der drei ältesten Geschwister inzwischen an zweiter Stelle der Erbfolge des jüngeren Kornhammer-Zweiges. Seine Schwester Gujadania war mit dem Junker von Simancas vermählt und hatte mittlerweile drei Kinder.

Die Söhne von Rondrigos verstorbenem Bruder Piedro, Lerondo und Alonzo, waren erwachsen. Der Ältere, vermählt mit einer von Aranjuez, war Offizier bei den Ragathern und lernte von Onkel Hesindian die Kunst der Lehens-Verwaltung. Der Jüngere hatte sein Leben Boron geweiht.

Dann gab es noch die Nachkommen seines Onkels Hesindian, die mehrheitlich den Namen Scheffelstein trugen, wie ein alter Familienvertrag es verlangte. Doch nur eine Tochter und ein Sohn waren noch am Leben, die Tochter hatte im Streit mit ihrem Vater den Namen abgelegt und der Sohn, ein Magier und Medicus im fernen Vinsalt, war mehr an den Leibern der Toten und Kranken interessiert, so schien es, als an denen der Lebenden.

Onkel Hesindians Enkel waren in alle Welt verstreut. Seine Nichte Richeza Aldonaza hatte erstaunlicherweise doch noch geheiratet, ihren Onkel mütterlicherseits, den Schrotensteiner Baron Lucrann da Vanya. Sie hatte wohl allerhand damit zu tun, gleich mehrere Lehen zu verwalten, die sie geerbt oder verliehen bekommen hatte. Sein Neffe Bodar war mit einer Falcomar di Rastino vermählt und diente hier in Ragath als alternder Offizier bei den Schlachtreitern. Bodars Schwester Baraya hatte einen Novadya geheiratet! Rondrigo verzog abfällig den Mund bei dem Gedanken daran, dass seine Großnichten und Großneffen das Blut eines Sandschluckers in ihren Adern hatten. Rondrigos Nichte Shahane hingegen war mit dem horasischen Comto zu Bomed vermählt, und auch ihr Zwillingsbruder Esidio hatte einer Horasierin die Hand gereicht.

Nicht gerade viele aus den Hauptlinien der altehrwürdigen Häuser, die für die Weiterführung des edlen Namens infrage kamen! Rondrigo schüttelte unwillig den Kopf. Nicht einmal auf Gujadania konnte er sich verlassen: Seine Schwester hatte bei den unsäglichen Hadrokles-Paligan-Spielen zu Punin vor einem Götterlauf Land in Uthuria gewonnen, jenem fernen Kontinent, den zu bereisen Rondrigo sich fest vorgenommen hatte. Aber nein: Gujadania dachte gar nicht daran, ihm die ehrenvolle Aufgabe der Inbesitznahme der Ländereien zu übertragen, sondern plante gar selbst, den fernen Kontinent zu bereisen.

Es sei an der Zeit, hatte Onkel Hesindian gesagt, die Erbfolge des Hauses zu besprechen. Das Junkergut Scheffelstein würde einmal an Rondrigos Nichte Richeza und ihre Töchter übergehen, aber Hesindian schien den jungen Lerondo als Administrador des Gutes heranziehen zu wollen – und schien seine Beziehungen als Cronrat des Fürsten dahingehend zu nutzen, den jungen Mann als zukünftigen Cronvogt ins Gespräch zu bringen.

Den Palacio in Ragath würde zweifellos Gujadania erben, die auf dem besten Wege war, den altadligen Namen dem Commercio zu opfern oder, schmeichelhafter gesagt: das Familienvermögen bedeutend zu vermehren, indem sie nun auch noch in den Kolonialhandel einzusteigen gedachte, nachdem sie bereits formidable Handelsbeziehungen ins Horasreich aufgebaut hatte.

Das Sorgenkind der Familie blieb der inzwischen schwerkranke, aber sterbensunwillige Junker zu Hirschweiler aus dem alten Kornhammer-Zweig. Und genau hier sollte, nach Hesindians Vorstellungen und denen von Rondrigos Vater Federigo, Rondrigo ins Spiel kommen: Da Junker Ramon Volapio von Kornhammer, nachdem ihn der Schlagfluss getroffen hatte, kaum noch zurechnungsfähiger war als sein schwachsinniger Bruder Isonzo Bassanio, hatte er den Plänen des Soberans kaum widersprechen können, als dieser Rondrigo zum Erben des kinderlosen Junkers erklärt hatte.

Hirschweiler! Rondrigo schüttelte stirnrunzelnd den Kopf. Ein Jagdsitz am Rand der verschlafenen Ortschaft Trigo. Weizenfelder und Wald. Zwei Schenken, ein Tempel, ein paar Schreine. Jeder unbedeutende Caballero hätte Luftsprünge gemacht, ob der nicht unbedeutenden Anzahl treuer Bauern und Handwerker. Aber er, Rondrigo, konnte sich kaum etwas Schrecklicheres vorstellen, als sein Leben an ein Lehen gebunden zu verbringen. Ja, irgendwann wäre er zu alt, um das Familienvermögen durch nur mäßig erfolgreiche Turnierteilnahmen zu verprassen. Und ja, irgendwann wäre er auch zu alt, um die Steilhänge des Raschtulswalles oder anderer aventurischer Gebirge zu besteigen. Und auf Dauer wären auch die Salons in Vinsalt, die Thermen in Gareth und die Stadien von Havena, Elenvina oder Perricum langweilig. Aber die Welt hielt so viel mehr bereit: Uthuria! Das Güldenland! Das Eismeer im Norden und das Perlenmeer und Südmeer im Süden Aventuriens. So viele noch unbesuchte Orte! All die noch nicht erlernten Sprachen! Die nie gekannten Gerüche der fernen Welt! All die Abenteuer!

Hirschweiler. Unter der zwingenden Voraussetzung, dass Rondrigo sich endlich ein Weib nähme, Kinder zeugte und sesshaft wurde. Widerspruch? Zwecklos! Rondrigo entrollte den Yaquirblick und las die Anzeige:

"Die Familia von Culming, vertreten durch Domna Madalena von Culming, Junkerin von Blumenau, sucht nach einer geeigneten Partie für die Edle Domnatella Usanza von Culming, zwecks baldiger Vermählung. Heiratswillige Candidatos von Stand werden gebeten, sich mit Stammbaum zu melden."

Und darunter, wohl von der Betroffenen selbst:

"Was meine liebste Schwester mit Ihrer Anzeige sagen möchte, ist, dass ich, Domnatella Usanza da Selaque von Culming, auf der Suche nach einem Mann an meiner Seite bin, um mit ihm glücklich den Rest unseres gemeinsamen Lebens zu verbringen. In mir würdet Ihr eine treue, fürsorgliche, tier- und kinderliebe Frau aus einer traditionsbewussten und altehrwürdigen Familia erhalten, deren größter Wunsch es ist, für Euch da zu sein und Euch in Euren Ambitionen und Eurem Tun nach Kräften zu unterstützen. Wenn auch Ihr das Herz am rechten Fleck und die Sehnsucht nach einer Verbindung vor den Göttern habt, würde es mich sehr freuen, wenn Ihr mir schreibt. Liebevoll, U.V.v. Culming"

Eine Culming. Dom Stordan war immerhin ein Mann der Tat, ein Reconquistador alten Schlages, das gefiel Rondrigo. Aber seine Wie-auch-immer-Verwandte hatte die Anzeige nicht einmal selbst geschrieben, und auch Dom Stordan hatte sie nicht geschrieben, sondern diese Junkerin, die Schwester der zu Vermählenden. Das aber, was eben jene offenbar ergänzt hatte, las sich noch schlimmer:

Eine treue, fürsorgliche, tier- und kinderliebe Frau. Ihr Götter!, dachte Rondrigo. Ging es noch langweiliger? Oh ja, es ging: Um mit ihm glücklich den Rest unseres gemeinsamen Lebens zu verbringen. Den Rest des Lebens! Es klang nach Lehnstuhl, Kamin und einer schreienden Kinderschar! Er würde so fett werden wie sein eigener Vater! Es klang nach Kerker, Ketten und zu wenig Luft zum Atmen. Lebenslänglich! Selbst die Silberminen von Molay und die Marmorbrüche von Selaque erschienen ihm attraktiver.

Deren größter Wunsch es ist, für Euch da zu sein und Euch in Euren Ambitionen und Eurem Tun nach Kräften zu unterstützen.

Mädchen, hast du keine eigenen Träume?, dachte Rondrigo. Es klang so wenig Feuer aus diesen Worten, dass selbst die gute alte Mutter Travia am Herd eingeschlafen wäre. Andererseits, hätte sie geschrieben: 'Ich will mit Euch Pferde stehlen, Euch Phexens Sterne vom Himmel holen und ginge mit Euch bis ans Ende der Welt' – so hätte er sie doch enttäuschen müssen: Nee, Domnatella: Trigo. Hirschweiler. Lehnstuhl, Kinder, Hoppe Reiter.

Rondrigo schwang die Beine vom Geländer und betrat das Arbeitszimmer seines Vaters. Er setzte sich in den ausladenden Lehnstuhl am Schreibtisch, nahm einen Bogen Papier und eine Feder zur Hand, tauchte sie in dunkelblaue Tinte und schrieb:

'Hoch verehrte Domnatella Usanza, mit Freude habe ich Eure Annonce im Yaquirblick gelesen und brenne darauf, Euch kennenzulernen.'

Seine eigenen Worte bereiteten ihm Übelkeit. Er zerknüllte das gute Papier und warf es in die schwache Glut des Kamins. Er legte den Kopf in den Nacken und hoffte, an der vertäfelten Wand oder auf den Rücken der in Leder und Seide eingeschlagenen Bücher passende Worte zu finden. Vergeblich! Noch drei Büttenbögen landeten in der Asche.

Blumenau? Wo lag das überhaupt? Irgendwo in Culming? Er verkorkte das Tinten-Fläschchen und erhob sich. Er würde Dom Stordan einen Besuch abstatten. Irgendwas über Aramyas in der Südpforte und Al'Anfaner in Punin würde es schon zu bereden geben. Und vielleicht ließe sich beiläufig ein Treffen mit dieser Domnatella einrichten. Zufällig. Unverfänglich. Dann konnte er sich ein Bild machen. Er musste ja nicht die erstbeste Langweilerin zur Frau nehmen. Noch lebte Onkel Ramon ja. Aber vielleicht war sie nur eine etwas zu brave Tochter, die in Wahrheit am liebsten ans Ende der Welt flöhe. Dann würde er erst recht beten, dass Ramon sich mit dem Sterben noch ein wenig Zeit ließe. Dagegen, das Ende der Welt gemeinsam zu bereisen, hatte er schließlich nichts einzuwenden, bei Rahja!