Chronik.Ereignis1036 Besuch im Vanyadâl 35: Unterschied zwischen den Versionen
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'''Autor:''' [[Benutzer:Lindholz|Lindholz]] | |||
"Domna Rifada, welch Glück, dass ich Euch treffe!", rief Amaros von Lindholz der adligen Reckin zu und brachte sein Roß zum Stehen, welches mehr als dankbar ob dieses Umstands zu sein schien. "Der Wagenzug, von dem ihr sprecht, ist keine Meile von hier in einen Hinterhalt geraten. Wegelagerer, keine Barbaren aus den Bergen, doch mit ebensowenig Respekt vor der Kirche. Ich bin auf dem Weg, um in Schrotenstein Bericht zu erstatten und Hilfe zu ersuchen." | |||
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'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]] | |||
Der Wind hatte zugenommen und blies Abelardo Mansarez von Leuendâl direkt ins Gesicht. Obwohl er sich ein Wolltuch um Nase, Mund und Hals geschlungen hatte, stachen feine Eiskristalle in seine Haut, die vom verharschten Boden aufstoben. Trotz der Kälte rann der Schweiß dem alten Kämpen den Nacken hinunter. Die Vanyadâlerin war beinahe ohne Pause geritten, und selbst, als sie gerastet hatte, hatte er sie nicht eingeholt, da er die Spur verloren hatte und erst im Morgengrauen auf ihr Lager gestoßen war. Er selbst hatte kaum geschlafen, nur einmal war er im Sattel eingenickt und erwacht, als er vom Pferd zu rutschen begann. Die Müdigkeit brannte ihm in den alten Knochen, aber er hatte nicht aufgeben wollen, zu wichtig erschien es ihm, die Fehde nicht auf die Grafschaft übergreifen zu lassen, ja, selbst: die nächste Bluttat möglicherweise ganz zu verhindern. | |||
Keuchend hielt Abelardo einen Moment inne und beschirmte die Augen mit der Linken. Da, weiter oben auf dem verschneiten Weg, sah er die Junkerin. Sie hatte ihr Pferd angehalten und sprach mit einem Reiter. Abelardo trotzte der Erschöpfung und trieb sein Ross erneut zur Eile an. | |||
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'''Autor:''' [[Benutzer:SteveT|SteveT]] | |||
"Gut!", nickte Rifada zur Verblüffung Amaros' nur zu diesen Neuigkeiten. "Ich kümmere mich darum!" Sie deutete mit ihrem gezogenen Schwert in die Richtung, aus der der Magier gerade gekommen war. | |||
Dass gerade ein Wagenzug mit den Schätzen ihrer Familia überfallen wurde, schien sie nicht sonderlich zu beunruhigen. In der Tat trieb Rifada eher die Sorge um, dass dieses Raubgesindel ihrer Rache an der Mörderin ihrer Tochter zuvorkommen könnte, was sie für den Rest ihres Lebens nicht würde verwinden können. Oder - schlimmer noch! - dass es sich sogar um Schergen Praiosmins handelte, die das elende Aas befreiten, ehe sie es in die Finger bekommen konnte. | |||
"Eins noch, Dom - ehe Ihr nach Hause zurückkehrt: Richeza und meine greise Muhme Belisetha, die Ihr vor Eurem Verschwinden ebenfalls kennengelernt habt, wurden in der Zwischenzeit von den Harmamunds gefangen genommen und sind auf deren Stammburg in der Mark Ragathsquell eingekerkert. Ich habe bereits Maßnahmen zu ihrer Freipressung in die Wege geleitet. Aber sollten diese fehlschlagen und Euch in drei bis vier Tagen zu Ohren kommen, dass man meine Blutsverwandten noch immer dort arretiert hält, so unternehmt bitte einen Versuch mit Euren ... hm, Ihr wisst schon ... mit diesen Zauberkräften, an die Leute wie Ihr glaubt, ob Ihr sie aus der Burg befreien könnt." | |||
Sie ritt los in Richtung Selaque. "Ich muss mich sputen, um das größte Unheil zu verhindern! Gehabt Euch wohl - und seht Euch vor! Mich verfolgt seit gestern ein Reiter, der höchstwahrscheinlich ein Mörder der Harmamunds ist. Wartet versteckt, bis er an Euch vorüber ist oder entledigt mich seiner - ganz wie es Euch besser gefällt." | |||
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'''Autor:''' [[Benutzer:Lindholz|Lindholz]] | '''Autor:''' [[Benutzer:Lindholz|Lindholz]] | ||
" | Amaros von Lindholz blickte der einsamen Reiterin hinterher, deren Pferd weißen Schnee und Dreck hinter sich aufwirbelte, als diese ihren Weg unbeirrt fortsetzte. Auch wenn er die Entscheidung der Kriegerin für einen Fehler hielt, kam er nicht umhin, ihrem Mut und ihrer Entschlossenheit Respekt zu zollen. Der Magier nahm sich vor, der schönen Domna Richeza und der klugen Domna Belisetha beizustehen, so es nötig werden sollte. Zuvor würde er aber seinen Weg gen Schrotenstein fortzusetzen. Der [[Lucrann da Vanya|Baron]] musste erfahren, was auf dem Höhenweg vorgefallen war! Amaros ritt wieder an; auch wenn ihm noch Erfahrung fehlte und seine Kräfte nur begrenzt für eine direkte Auseinandersetzung geeignet waren: Einem einzelnen Reiter würde er nicht ausweichen, selbst wenn es sich um einen gedungenen Mörder handeln sollte. | ||
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'''Autor:''' [[Benutzer:SteveT|SteveT]] | |||
"Orkverflucht!", schimpfte Filippo di Lacara, als er einen der güldenen Kandelaber anhob, die im vierten und hintersten Wagen lagen. Sie waren nicht nur mannshoch, sondern auch so schwer wie ein ausgewachsener Mann - mindestens. | |||
"Außer dem goldenen Viech haben wir noch nicht viel gefunden, was man wegtragen und durch die Wälder mit sich schleppen könnte. Und zu Geld machen kann man das auch nur bei den Horasiern oder vielleicht noch bei den Wickelköpfen in Süd-Almada." | |||
"Eslamabad?", schlug sein Vetter nach kurzem Sinnieren vor. "Ihr könntet erstmal nach Eslamabad gehen. Ist nicht allzu weit von hier und die Leute dort sind reich." | |||
Azzato von San Owilmar öffnete derweil ganz vorsichtig die Tür der ersten Kutsche, die weiter über dem Abhang hing als jede andere. Ein anderer Hofjunker hielt ihn von hinten am Gürtel fest, um ihn notfalls zurück zu reißen, wenn die Kutsche in die Tiefe stürzen sollte. | |||
"Herrin? Ganz ruhig! Bleibt sitzen wie Ihr seid und verlagert Euer Gewicht nur ganz, ganz vorsichtig!", rief er in die Chaise hinein. "Wir sind hier, um Euch zu befreien! Wir werden Euch gleich ein Seil hinein reichen, welches Ihr Euch ganz vorsichtig um die Hüfte binden solltet." | |||
"Azzato?", rief Praiosmin von Elenta verwundert. "Mein Lieber, Euch schicken die Götter!" | |||
"Die weniger", entgegnete der Caballero pervalisch, der um sich herum erstochene Inquisitions-Büttel blutgetränkt im Schnee liegen sah. | |||
"So wollt Ihr verhindern, dass Eurer Herrin ein abgekarteter Schauprozess gemacht wird? Dafür werde ich Euch überreich belohnen!" | |||
''Oh ja! Das wirst du - mit Selaque!'', dachte Azzato stumm bei sich, laut aber sagte er: "Erst einmal müssen wir Euch in Sicherheit bringen, Herrin! Hier kommt das Seil! Seid vorsichtig ..." | |||
Rifada trieb ihr abgekämpftes Ross zur größten Eile an, die auf diesem steilen Serpentinenpfad möglich war. Nach wenigen hundert Schritt und dem Umrunden einer scharfen Kurve kam die ganze Misere in ihr Blickfeld, die ihr der Magus schon angekündigt hatte. Vier schwere Reisewagen standen in grotesken Winkeln auf dem Weg, die in Anbetracht der Verlaufsrichtung des Weges völlig sinnlos und aberwitzig erschienen. Zwischen den Wagen wuselten etwa zwei Dutzend Menschen umher, vereinzelt wurde auch gekämpft, wobei sich nur noch zwei der weißberobten Waffenknechte der Suprema ihres Onkels gegen eine Überzahl an verlottert aussehenden Caldabreser-Trägern verteidigte. Die Angreifer trugen magnatische Tracht mit bunten Wämsern, Reitstiefeln, Pluderhosen und Umhängen in verschiedenen Farben, dass man beinahe hätte meinen können, sie wären gerade den Höfen von Punin oder Ragath entsprungen. | |||
Rifada verlangsamte ihr Pferd nicht, sondern hielt geradewegs auf den vordersten Wagen zu, der halb über dem Abhang hing. Es fehlte buchstäblich nur noch ein Windhauch, dass er dreißig bis vierzig Schritt in die Tiefe stürzte. | |||
Zwei der Angreifer machten sich an dem Wagen zu schaffen, einer davon hielt den anderen am Gürtel fest. Er zog ihn jedoch erschrocken zurück, als sie und die anderen Briganten Rifada bemerkten. | |||
Die Vanyadâlerin schnaufte verächtlich: Der Vordere, der sich halb in die Kutsche gelehnt hatte, das war doch ... ja, kein Zweifel, es war der Hundsfott Azzato von San Owilmar! Diese Burschen versuchten also tatsächlich, Praiosmin zu befreien. Wo steckte Amando? War er auch in einem der Wagen, und hatten diese Ratten am Ende nicht einmal davor zurückgeschreckt, einen Geweihten der Reichskirche zu ermorden? | |||
"Da kommt eine! Mach sie weg!", befahl Dom Azzato dem Hofjunker, der ihn festgehalten hatte, und schubste ihn Rifada entgegen. Der junge Mann erwartete sie mit beidhändig ausgeholtem Rapier, aber Rifada parierte seinen Hieb im Vorbeireiten und versetzte ihm dabei einen Fußstritt, dass er ein paar Schritte rückwärts taumelte. | |||
"Wer zum Namenlosen ist das denn?", rief Filippo di Lacara, der trotz seiner Suche nach Kostbarem mitbekommen hatte, was am vordersten Wagen vor sich ging. "Wo kommt in dieser götterverlassenen Gegend plötzlich das Weib her? Ist sie übergeschnappt, alleine zwanzig Mann anzugreifen?" | |||
"Ich kenne sie", antwortete Juanito di Dubiana. "Es ist Rifada da Vanya, eine Ferkina-Bekämpferin aus dem hintersten Bosquirien. Die würde uns auch angreifen, wenn wir Tausend wären. Die Leute dort sind selbst Halb-Wilde!" | |||
Rifada wendete ihr Ross und ritt schnurstracks auf Azzato von San Owilmar los. Wo der Lump auftauchte, war auch Praiosmin nicht weit. Vermutlich hockte sie in der Kutsche. | |||
Der junge Hofjunker, mit dem sie den ersten Waffenkontakt gehabt hatte, sprang ihr wieder in den Weg. "Muhme - nicht! Haltet Euch aus diesem Gefecht heraus und reitet Eurer Wege! Ich ersuche Euch! Es wird sonst bös' für Euch enden!" | |||
Rifada zügelte ihr Pferd haarscharf vor ihm. Was rief der da? "Muhme?" Als sie ihn genauer betrachtete, schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf. "Pellazio? Bist du das?" | |||
Pellazio von Schlehen, der Großneffe ihres toten Gemahls Berengar - sie hatte ihn zuletzt als kleinen Jungen vor 15 Jahren gesehen. Den Augen nach konnte er es tatsächlich sein. "Was hast du mit diesem Brigantenpack zu schaffen? Das hier war ein Wagenzug der Suprema! Ihr befreit gerade eine Reichsverräterin!" | |||
"Die Usurpatorin auf dem Kaiserthron hat uns geächtet und unserer Titel beraubt, weil wir dem rechtmäßigen Almadanerkaiser bis zuletzt die Treue gehalten haben!", rechtfertigte sich Pellazio. "Wenn man uns zu diesem Leben zwingt, holen wir uns, was wir brauchen und durchkreuzen die Pläne der falschen Kaiserin, wo immer wir nur können!" | |||
"Deine Kaiser kümmern mich einen Scheißdreck!", fauchte ihn Rifada an. "Aber Praiosmin von Elenta - die geht nirgendwo hin! Sie hat meine Tochter - deine Base! - umgebracht und wird dafür selber sterben!" | |||
"Azzato?", rief es aus der Kutsche. "Mir war, als hätte ich gerade die Stimme der verräterischen Da Vanya gehört. Was hat das zu bedeuten?" | |||
Rifadas Kopf, eben noch Pellazio zugewandt, drehte sich ruckartig in Richtung der Kutsche. Auch sie erkannte die nölige Stimme ihrer Erzfeindin unter tausenden wieder. Sie trat ihrem Pferd mit den Fersen in die Seite, dass es den im Weg stehenden Schlehener einfach aus dem Weg rammte und geradewegs auf die Kutsche zu hielt. | |||
"Sie ist hier, Herrin!", warnte Azzato von San Owilmar, der sein Rapier zum Schlag erhob. "Sie will sich scheinbar an Euch rächen!" | |||
"Tötet sie - bei allen Heiligen! Tötet sie!", rief Praiosmin hysterisch. | |||
Auch Fillipo di Lacara und Juanito di Dubiana kamen nun vom Ende des Zuges mit ihren Waffen in der Hand herbei gelaufen, kamen aber zu Fuß auf dem vereisten Weg langsamer voran. Rifada stürzte sich vom Pferderücken auf Azzato, dessen Rapierhieb sie an der Seite verletzte. Aber ihr Zorn und ihr Rachedurst ließen sie den tiefen Schnitt kaum spüren. Sie rammte dem schönen Caballero, der unter ihr begraben zu Boden stürzte, die Parierstange ihres Bastardschwertes ins Gesicht und packte ihn dann mit beiden Händen um die Gurgel, um seinen Kopf ein paar Mal fest auf den eisigen Boden zu schlagen. Die Augenlieder des Caballeros flackerten, er kämpfte, nicht das Bewusstsein zu verlieren. Rifada versetzte ihm noch einen Schlag aufs Kinn und rappelte sich dann schwankend hoch, schwang sich durch die offenstehende Kutschentür ins Innere der Chaise. | |||
Die Kutsche hatte innen Platz für sechs Personen - es saß jedoch nur eine einzige darin. Böse, aber auch entsetzt und ungläubig, blickte sie ihre langjährige Vogtin und Rivalin Praiosmin von Elenta aus ihren schmalen Schweinsäuglein an. | |||
"Waaaah! Ihr Götter! Rifada, Ihr treulose Verräterin! Was zum Henker wollt Ihr hier? Euretwegen wäre mir beinahe der Process auf dem kaiserlichen Hoftag gemacht worden! Hättet Ihr nicht über Jahre hinweg Eurer Vasallenpflicht entsagt, wäre alles gar nicht so weit gekommen! Das Kaiserhaus glaubt die Lügen von Euch und Eurem Oheim und will jetzt mich treue Reichsbeamtin anstatt Euch dreckige Verräterin zur Rechenschaft ziehen ..." | |||
Praiosmin trug tatsächlich ein einfaches weißes Büßergewand, das sich eng um ihren voluminösen Körper spannte. Um den Bauch hatte sie einen Strick gebunden, wohingegen ihre Hände seltsamerweise gar nicht gefesselt waren. | |||
"Halt dein Maul, Dämonenbuhle!", zischte Rifada. "Erst hast du mir den Sohn, dann den Gemahl und nun auch noch meine Tochter und Erbin genommen! Deine Busenfreundin Morena, Aldeas Tochter, hält zudem auch noch meine Muhme und geliebte Nichte gefangen. Da braucht es keinen Process irgendeiner fremden Kaiserin um zu wissen, dass du an alledem schuld bist und sterben musst, niederträchtige Hexe!" Sie stürzte sich auf Praiosmin, packte auch diese an der Gurgel und drückte zu. Praiosmin tat es ihr gleich und schloss ihre fleischigen Finger um Rifadas Hals. Beiden trat vor Anstrengung der Schweiß auf die Stirn, sie blickten sich hasserfüllt ins Gesicht, während die beiden ungleichen Frauen einander würgten. "Die K...utsch..e!", presste Praiosmin erstickt hervor, da sich das Gefährt durch die Gewichtsverlagerung Rifadas noch weiter neigte. "Wir...stür...zen...ab!" | |||
Und genau so kam es. Als Filippo di Lacara und Juanito di Dubiana die Chaise erreichten, neigte sich der Wagen endgültig zu weit über den Abhang und stürzte rumpelnd und krachend in die Tiefe. Filippo riss seinen Vetter am Arm drei Schritte zurück in Sicherheit, so konnte keiner von beiden und auch nicht der mit zerschlagenem Gesicht am Boden liegende Azzato von San Owilmar sehen, dass sich der Wagen mehrmals überschlug und die Schnee- und Eismassen einer neuerlichen Lawine mit sich riss. | |||
Kurz waren die Schreie zweier Frauen zu hören gewesen, die aber erstarben, noch ehe der Wagen drunten im Tal endlich zum Liegen kam. | |||
"Neeeeiiiin! Herrin!", rief Azzato und starrte auf allen Vieren entsetzt von oben herab in die Tiefe. | |||
"Die sind hin!", stellte Filippo di Lacara lakonisch fest. | |||
"Es ist vielleicht besser so!", streckte Juanito Azzato eine helfende Hand zum Aufstehen hin. "Wir beide stehen ja nicht unter Acht und kehren jetzt erstmal nach Ragath zurück. In Selaque sind jetzt Titel und Ämter neu zu vergeben - wer könnte dafür besser geeignet sein, als ein Ansässiger wie du? Lass uns zu diesem kaiserlichen Hoftag reiten und deinen Namen dort ins Spiel bringen." | |||
Azzato blickte die beiden mitleidlosen Hofjunker unschlüssig an und dann noch einmal in die Tiefe, wo sich die aufgewirbelte Schneewolke um den zerschellten Wagen langsam legte. Unmöglich, diesen Absturz zu überleben, den er nicht hatte verhindern können. | |||
"Vielleicht habt ihr Recht!", nickte er und ließ sich hochhelfen. "Reiten wir nach Ragath." | |||
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'''Autor:''' [[Benutzer:Lindholz|Lindholz]] | |||
Dom Amaros blickte in den Abgrund. Die Reste der Kutsche und die Pferdekadaver konnte er selbst aus dieser Entfernung deutlich ausmachen. Der Anblick der zerschmetterten Körper der beiden Edeldamen blieb ihm jedoch erspart. Als er Domna Rifada hatte passieren lassen, das musste er sich eingestehen, war ihm klar gewesen, welches Schicksal die stolze Kriegerin für sich gewählt hatte. Hätte er sie stoppen können? Wäre es denkbar gewesen, sich ihr entgegenzustellen und zu überleben? "Mögen die Götter mir meine Schwäche vergeben", erbat er sich flüsternd, unfähig den Blick von dem abzuwenden, was geschehen war. | |||
Der Schnee knirschte, als Abelardo Mansarez von Leuendâl neben ihn trat. "Wir müssen ihre Wohlgeboren bergen. Und Domna Praiosmin ebenfalls." Sein kräftiger Bass klang brüchig. Amaros von Lindholz nickte, musste jedoch zweimal ansetzen, um seine Stimme dazu zu bringen, ihren Dienst aufzunehmen: "Schrotenstein sollte nicht weit sein. Wir sollten uns dorthin wenden." Ihm schauderte bei dem Gedanken, dem dortigen Baron von dem Schicksal seiner Anverwandten berichten zu müssen. Auch wenn dies immer noch leichter sein würde als seiner Eminenz gegenüber zu stehen. Mochte manche hochgeborene Familia die Nase rümpfen über den Umgang seines Vaters mit den di Dalias, doch im Angesicht dieses Verhängnisses, war er dankbar für die Entscheidung seines Soberans. | |||
Der junge Yaquirtaler Adelige sammelte sich. "Domna Rifada erwähnte, dass sich ihre Nichte und Tante in einer misslichen Lage befänden. Ich fühle mich verpflichtet, den beiden Damen beizustehen, so es in meiner Macht steht. Dieses Anliegen scheint mir wie ein an mich gerichteter letzter Wille", ließ er den Leuendâler wissen, den er noch vor Kurzem für einen Feind gehalten hatte, den es aufzuhalten galt. | |||
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Der Caballero blickte den jungen Mann ernst an, ehe er nickte. "Das ist sehr ehrbar von Euch. Doch muss ich Euch warnen: Sowohl Domna Rifada – mögen Boron und Rondra ihre Seele wohl geleiten – als auch ihre Verwandten scheinen mir in eine, wenn nicht gar zwei Fehden von höchster Brisanz verstrickt zu sein. So Ihr Partei ergreift, wird dies möglicherweise auch Euch und Euer Haus betreffen. Und, wie Euch vielleicht bekannt ist, ist eine der Parteien niemand anderes als das Haus des Fürsten." Er verzog düster das Gesicht. "Gleichwohl: Sofern die Domna Richeza und Belisetha noch immer auf Harmamund gefangen gehalten werden, so bin ich es meinem Herrn schuldig, sie dort herauszuholen." Er lachte düster. "Wie immer das möglich ist." | |||
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'''Autor:''' [[Benutzer:Lindholz|Lindholz]] | |||
"Nun, wer kann einem jungen Mann schon vorwerfen, im Angesicht einer Schönheit wie Domna Richeza die Folgen nicht bedacht zu haben?", gab Amaros von Lindholz zurück und der Hauch eines grimmigen Lächelns huschte trotz der entsetzlichen Ereignisse der letzten Tage und Stunden über seine Lippen. "Nach meinen bisherigen Erfahrungen scheint es in dieser Grafschaft zudem nicht ganz unüblich, die eigenen Rechte großzügig auszulegen." | |||
Endlich gelang es dem blonden Magier, sich von der Szenerie loszureißen und er erwiderte den Blick des Caballeros: „Lasst uns gemeinsam mit dem Baron von Schrotenstein sprechen und ihm unsere Unterstützung in dieser Sache anbieten. Soll er entscheiden, wie unsere Fähigkeiten den größten Nutzen bringen. Womöglich mögen unsere Namen auch mehr bewirken als unsere Taten.“ | |||
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Aktuelle Version vom 1. Dezember 2016, 18:44 Uhr
Kaiserlich Selaque, 12. Tsa 1036 BF[Quelltext bearbeiten]
Auf der Straße zwischen Selaque und Schrotenstein, vormittags[Quelltext bearbeiten]
Autor: Lindholz
Wieder einmal geriet die Kolonne ins Stocken. Mit einem Seufzen schlang Amaros den Mantel enger um sich und lenkte Azucar neben den vordersten Wagen. Erfreulicherweise hatte er sein Ross in den Stallungen der Reichsvögtin aufgefunden und wieder in Besitz genommen. Mit dem edlen Tier hätte er schon längst Schrotenstein erreichen können, doch es widerstrebte ihm, in diesen Landen wieder alleine zu reisen. Die Wagen, begleitet von acht Männern und Frauen im Dienste der Praioskirche, würde kein götterfürchtiger Mittelreicher angreifen - dessen war er sich gewiss. Und so fühlte auch er sich wesentlich geschützter. Dieser Schutz mochte ihn Tage kosten, aber nicht sein Leben. Ein Blick nach hinten verriet dem jungen Zauberer, wie sehr sich die edlen Tempelritter damit abquälten, einen der schwer mit den Gütern der da Vanyas beladenen Wagen aus einem Schlammloch zu befreien, in das die linke Seite abgedriftet war. Der vorderste der Wagen bereitete dem kleinen Trupp deutlich weniger Probleme - trotz des nicht unerheblichen Gewichts seines unfreiwilligen Passagiers.
"Noch etwas Geduld, Euer Hochgeboren, ich bin sicher, auf die Mannen seiner Eminenz wird auch in diesem Fall verlass sein und ihr werdet Ragath sicher erreichen", erklärte Amaros von Lindholz als das feiste Gesicht der Reichsvögtin sichtbar wurde, "Ich hoffe, Ihr seid der beschwerlichen Reise und meiner Anwesenheit noch nicht überdrüssig."
"Spart Euch Eure höhnischen Worte. Der Fürst der Götter wird eines Tages über Euer verdorbenes Blut richten und im Angesicht seiner Wahrheit wird Eure verräterische Zunge verdorren wie ein Blatt im Herbst." Praiosmin von Elenta hatte ihren Hochmut schnell wieder gefunden, nachdem sie dem gestrengen Blick des Großinquisitors entkommen war.
"Wie Ihr meint, Euer Hochgeboren", gab Amaros zurück, "Doch ich frage mich, ob Ihr ein milderes Urteil zu erwarten habt; in dieser Welt wie in der nächsten."
Die blitzenden Schweinsäuglein verschwanden wieder hinter den dicken Vorhängen des Gefährts und dem jungen Adligen blieb nichts als schweigend abzuwarten, wenn er nicht mit einem Faltenwurf zu reden gedachte.
Autor: SteveT
"Pssst! Colonello! Ich glaube, sie kommen!"
Boronello von Kupfertann, der Hofjunker der zur Zeit Wachdienst hatte, winkte Filippo di Lacara zu, er möge zu seinem verdeckten Aussichtspunkt kommen, von dem aus man mehrere Meilen des Briesacher Höhenweges einsehen konnte - einer gewundenen Passstraße zwischen dem gleichnamigen Ort am Schwarzen See in Schrotenstein und dem Kaisergut Selaque, die die meiste Zeit über den Kamm der Hügelkuppen der Ausläufer des Raschtulswalls führte.
Der ehemalige Commandante des kaiserlichen Banners der Hofjunker, der dieses auch heute noch - oder vielmehr gerade jetzt - befehligte, da es offiziell unehrenhaft aufgelöst worden war und viele seiner ehemaligen Mitglieder nunmehr in kaiserlicher Ungnade standen, lief gebückt zu seinem Gefolgsmann hinüber und spähte mit ihm durch die Zweige des Dickichts, das sie komplett verbarg. Tatsächlich näherte sich aus der Richtung in die Boronello zeigte eine kleine Kolonne aus vier Reisewagen, jeder davon von zwei Rössern gezogen. Zwei Personen ritten dem Wagenzug voraus, eine weitere Person - diese mit einer bannerbewehrten Lanze bewaffnet - folgte ihm hintendrein.
"Juanito!", winkte Filippo di Lacara auch seinen Vetter zu sich, damit er die Wagenkolonne ebenfalls in Augenschein nehmen konnte. "Wie dein Cumpan prophezeit hat ... es scheinen nur wenige Wachen zu sein", grinste Filippo vorfreudig.
"Hm, ich glaube auf jedem Kutschbock hockt neben dem Kutscher ein Goldfass in Eisen", bremste Juanito ein wenig seine Vorfreude.
"Und ist der eine der Reiter, der vorneweg reitet, nicht möglicherweise ein Magus? Sein Stecken sieht so merkwürdig aus", argwöhnte Boronello.
"Ein Magus bei einem Wagenzug der Heiligen Suprema ... wo hat man sowas schon gehört?", lachte ihn Azzato von San Owilmar aus, der ebenfalls dazugekommen war.
"Vieles ist sehr seltsam dieser Tage!", entgegnete Boronello ernst.
"Wir werden sie uns direkt unter uns greifen!", entschied Colonello Filippo und deutete mit einem Kopfnicken auf das Wegstück, das unter ihnen lag. Azzato musste zugeben, dass die Stelle für einen Hinterhalt perfekt gewählt war. Auch wenn die Hofjunker früher bei den gemeinen Gardisten den Ruf eines "Gecken-Regiments" genossen hatten, das vor allem Repräsentationszwecken diente und in das man nur mit äußerst blauem Blut aufgenommen werden konnte, schienen doch so einige mit militärischer Bildung darunter zu sein. Sie konnten versteckt aus einem Tannenwäldchen, zwanzig Schritt über der Straße, hangabwärts angreifen, während es direkt hinter beziehungsweise jenseits der Straße vierzig Schritt steil bergab ging. Keiner der Wagen konnte also auf der Flucht die Straße verlassen.
"Bereitet unsere hübschen Schneebretter vor, die wir wie einen Firunschlag in sie hinein donnern lassen werden!", befahl Filippo seinen Leuten.
"Was? Seid Ihr verrückt?", fragte Azzato entsetzt, dem dieser Teil des Plans ganz neu war. "Schneebretter könnten die Wagen den Abhang hinunter reißen! Denkt daran, dass ich meine Herrin befreien will - ich will nicht ihre Überreste drunten im Tal aufsammeln."
"Genau das ist aber mein Plan!", grinste der Colonello. "Die Wachen stürzen ja mit ab! Mich interessieren nur die Schätze auf den Wagen. Deine Herrin wollte uns fangen und hängen lassen! Wenn sie den Wagensturz und Überschlag überlebt, dann bringe sie besser schnell in Sicherheit, ehe sie meinen Leuten und mir in die Hände fällt! Die Schätze interessieren uns mehr - aber wenn ich die bosquirische Jungfer in die Finger kriege, dann ergeht es ihr schlecht, Compadre!"
Azzato blickte entsetzt zu Juanito, aber der zuckte nur mit den Achseln und nickte dabei zu den Worten seines Vetters: "Wir haben alle einen Eid geschworen. Einjeder für das Banner - das Banner für einjeden. Du weißt ..."
Einen kurzen Moment dachte Azzato daran, die Sache auffliegen zu lassen und zum Beispiel Lärm zu machen, ehe die Wagen heran waren. Aber letztendlich waren die Wachen der Suprema, die seine Herrin zu ihrem sicher verhängnisvollen Prozess eskortierten, noch mehr seine Feinde als diese Gesetzlosen und Vogelfreien. Vielleicht ging die Sache ja gut aus, sollten sie sich die Schätze der verfluchten Da Vanyas holen. Er selbst würde von Domna Praiosmin für ihre Befreiung reich belohnt werden, wenn man erst wieder diese Pfaffen aus Albacim hinaus gejagt hatte.
Azzato zog sein Rapier und ging neben Juanito in Position. Auch alle anderen der verfehmten Hofjunker verteilten sich an die Stellen im Wald, die ihnen der Colonello zugewiesen hatte. Aus viel Schnee, Steinen und Schlamm hatten sie tatsächlich mannshohe Kugeln geformt, die wohl Firunschlägen gleich, den Hang hinunter gerollt werden sollten. Dom Filippo hob seine behandschuhte Linke als Zeichen, noch zu warten, bis die Wagen wirklich fast direkt unter ihnen waren. Azzato hoffte, irgendetwas von Domna Praiosmin zu erblicken, um wenigstens zu wissen, welchem der schweren Planwagen er sich zuwenden sollte. Er sah nichts von ihr, wohl aber jemand anderes, den er beim Näherkommen erkannte - der eine Bursche, der dem Zug vorausritt, war das nicht tatsächlich jener naseweise Magus aus dem Yaquirtal, den seine Herrin wohlweislich eingekerkert hatte? Wieso aber sollte ausgerechnet die Inquisition einen Zauberer befreit haben?
Ehe er den Gedanken zu Ende führen konnte, senkte der Colonello ruckartig seine Hand und die ersten beiden Schneebretter krachten hangabwärts, den Kutschen entgegen.
Autor: Lindholz
Der Hang war unter der Schneeschicht, die ihn bedeckte, bewachsen, doch das Strauchwerk konnte das Gemisch aus Geröll und Schnee nicht aufhalten. Die schmalen Zweige und mickrigen Stämmchen gaben unter der herabrasenden Masse nach oder wurden gar mitgerissen und setzten so weitere Erde und Schnee frei. Als die ersten Warnrufe erschallten und Amaros von Lindholz den Kopf den Hang hinauf wandt, hatte sich der Einflussbereich der Schneebretter schon enorm verbreitert. Mit voller Wucht traf die Naturgewalt die ersten beiden Wagen der Kolonne und riss den hinteren der beiden, ohne an Fahrt zu verlieren, den Abhang hinab. Die Laute der in Panik geratenden Pferde klangen schrill und vermischten sich mit den Schreien der Menschen. Der Kutscher versuchte noch, mit einem beherzten Sprung zu entkommen, doch er konnte auf den in Bewegung befindlichen Boden keinerleich Halt finden und wurde ebenso von der Tiefe verschluckt. Auch um die Kutsche der Reichsvögtin war es kaum besser bestellt: Langsam aber stetig wurde das Gefährt zur Seite gedrückt und befand sich bereits in einer gefährlichen Schräglage. Die kräftigen Zugtiere stemmten sich gegen ihr Schicksal, mehr der Panik als der Peitsche des Fuhrmannes folgend, und brachten das Gespann schließlich in ein fragiles Gleichgewicht, das jedoch durch jede noch so kleine Bewegung des Untergrundes zerstört zu werden drohte.
Der Magier nahm sich aber nicht die Zeit, den Ausgang dieses Schicksalskampfes abzuwarten. Er trieb sein Pferd an, dem Einflussbereich der Schneemasse zu entkommen und hätten ihm nicht die Rufe der Kirchenkrieger und sein Instinkt schon darauf hingewiesen, so bestätigten ihm spätestens seine Augen, dass dieser Zwischenfall kein Werk der grimmigen Laune Firuns war: Dort oben bewegten sich Menschen - nein, keie Menschen - gottloses Gesindel! Was war nur mit den Bewohnern dieser Lande geschehen, das sie nur die Sprache der Faust zu sprechen schienen und darüber gar die Gebote der Zwölfe vergaßen? Amaros konnte später darüber philosophieren! 'Ich werde hier nicht sterben!', schwor er sich und hieb Azucar die Sporen in die Flanken. Mochten sie ihn feige nennen, doch lieber versuchte er, Hilfe zu finden, statt hier in falschem Heldenmut sein Leben zu lassen. Irgendwo in Schrotenstein musste es doch noch rechtgläubige Frauen und Männer geben!
Autor: SteveT
"Attencion!", rief der Hofjunker Girolamo von Valposruh, der die Lawine buchstäblich ins Rollen gebracht hatte. "Einer will Reißaus nehmen!" Er deutete auf den entfleuchenden Amaros von Lindholz.
Einer der Hofjunker nahm seinen Bogen vom Rücken, zog einen Pfeil aus dem Köcher und zielte auf den Fliehenden, aber Azzato von San Owilmar fiel ihm in den Arm. "Lasst ihn reiten! Umso besser für uns, denn ich erkenne den Kerl! Er ist ein Zauberer, den meine Herrin wegen Schwarzhexerei eingekerkert hatte. Warum man sie wie eine Gefangene in einen Wagen pfercht, der Zauberer aber frei einen Wagenzug der Suprema anführen darf, weiß nur der Ober-Pfaffe allein..."
"DRAUF!", brüllte Filippo di Lacara, der ihm gar nicht zugehört hatte, weil er seinen Männern voran den Abhang hinunter stürmte. "Schnappt euch das Gold und alles, was euch sonst von Wert erscheint! Keine Gnade mit denen, die euch aufhalten wollen!"
Dom Azzato und Juanito di Dubiana beeilten sich, ihm zu folgen.
"Ein Hinterhalt!", schrie der Kutscher von Domna Praiosmins Kalesche, die - von einer großen Schneekugel getroffen - mit anderthalb Rädern über dem steilen Abgrund hing. Der Kutscher sprang auf der anderen Seite vom Kutschbock herunter, direkt vor die Füße von Azzato und Juanito, die schneller, als ihnen lieb war, den Abhang herab geschlittert kamen. "Was wird das, ihr Briganten-Pack? Ihr wisst wohl nicht, dass ich einen Passagier für den Großinquisitor höchstpersönlich fahre? An eurer Stelle würd ich ganz schnell ..."
"Halt's Maul!", unterbrach ihn Azzato und rammte dem gurgelnd rückwärts taumelnden Mann seinen Linkhand bis zum Heft in den Hals. Dummerweise prallte der dumme Tropf dabei gegen die Kutsche, die sich noch weiter über den Abhang neigte. Die beiden vorgespannten großen Kaltblut-Rösser wieherten panisch, eines stieg auf die Hinterbeine.
"Hau die Geschirrseile der Pferde durch!", rief Juanito di Dubiana seinem Cumpadre zu, der den grässlich verletzten Kutscher grob am Wams von dem Wagen wegzerrte und ihm mit einem Rapierstich den Rest gab.
"Schützt die Wagen!", brüllte der Ordensritter Ucurio von Ragath, der für gewöhnlich die Leibgarde Seiner Eminenz Amando Laconda da Vanyas befehligte.
Dummerweise war er hier an diesem Ort der einzige Ritter des Bannstrahlordens. Die anderen Wachen waren lediglich ungeweihte Laien-Waffenknechte der Suprema oder sogar nur Büttel von Burg Albacim, die der Großinquisitor zur Bewachung des Zuges abkommandiert hatte. Entsprechend dumm stellten sie sich auch im Kampfe an, während die Angreifer trotz ihrer langen Haare und Bärte und ihres zerlumpten Äußeren allesamt erfahrene Fechter zu sein schienen.
"Holla, ihr da! Zu mir!", rief Dom Azzato drei jungen Maiden und Burschen im grünen Waffenrock Selaques am Ende des Wagenzuges zu. "Helft mir, Eure Herrin zu erretten!"
"Dom Azzato?", rief eine von ihnen erleichtert, froh im Kampfgetümmel ein vertrautes Gesicht zu entdecken. Vielleicht mussten sie hier doch nicht alle sterben, sondern es gab irgendwie einen Ausweg.
"Kämpft! Verteidigt die Wagen, ihr Elenden!", brüllte Ucurio von Ragath mit der Stimme, die befiehlt, der sich hoch zu Ross von zwei Seiten durch Filippo di Lacara und einen weiteren Hofjunker bedrängt sah. Ein anderer warf ihm ganz unritterlich aus kürzester Entfernung einen Ball aus Schnee, Eis und Stein ins Gesicht, und der kurze Moment der Unachtsamkeit genügte Filippo di Lacara, um dem Gerüsteten sein Rapier durch die ungepanzerte Armbeuge in den Leib zu stechen.
Gierig riss er die Tür der zweiten Chaise auf, während seine Gefolgsleute auf den vom Pferd stürzenden Ordensritter einstachen, bis er sich nicht mehr rührte und den Schnee um sich herum blutrot färbte. Im Inneren der Chaise fand Filippo mehrere Truhen und kleinere Schatullen vor. Vorfreudig grinsend riss er die erste davon auf - aber was war das? Sie enthielt Bücher, nichts als zehn oder zwölf ledergebundene Bücher in einer Sprache, die er nicht kannte. Er öffnete wütend die nächste Truhe - darin war zumindest ein güldenes Weihrauchpendel und ein Gürtel in der gleichen Farbe mit diesen Sphärenkugeln daran, wie sie die Praiospfaffen trugen. Vielleicht von Wert - aber wie sollte er so etwas in einem der Dörfer der Umgebung zu Geld machen?
Filippo di Lacara konnte seine Enttäuschung nicht verbergen. "Orksch! Was ist das für ein wertloser Scheißdreck, den die transportieren, als wären es die Kleinodien des Almadanerkönigs?" Der dritte Wagen enthielt nur Möbelstücke und zwei große Gemälde, die eine Gruppe dummglotzender Personen zeigte, die ihm völlig unbekannt waren - vermutlich war dies diese unselige Da-Vanya-Sippe, von denen Juanitos Cumpadre gesprochen hatte. Wütend stach er mit dem Rapier ein paar Mal in die Gesichter der abgebildeten Personen - wenn sie für ihn keine verwertbaren Schätze zu bieten hatten, dann sollten sie selbst an ihrem Plunder auch keine Freude mehr haben.
"Colonello!", rief ihn Radamel di Siguenza zu sich, der sich den vierten und letzten Wagen vorgenommen hatte. "Seht Euch das an!" Er schleppte eine güldene Monstranz, das Bildnis eines hockenden Greifens, so groß, dass der Großteil von Radamels Oberkörper dahinter verschwand. Und das alles offenbar aus purem Gold! Filippo di Lacara pfiff anerkennend durch die Zähne: "Nicht gerade unauffällig das Ding. Aber von dem Gold allein könnten wir alle ein Jahr lang in den besten Gasthäusern des Horasreichs leben! Jemand soll dir tragen helfen, das Vieh nehmen wir auf alle Fälle mit!"
Autor: SteveT
Etwa eine Meile weiter östlich näherte sich eine geschwinde Reiterin auf dem Briesacher Höhenweg, die aus der entgegengesetzten Richtung kam, aus der des namensgebenden Dorfes in Schrotenstein. Rifada da Vanya mühte sich, ihre Fassung wiederzufinden, die ihr mit der Nachricht vom Tod ihrer Tochter und Erbin abhanden gekommen war. Aber es gelang ihr nicht.
Trotz ihres aufgewühlten Zustandes war sie allerdings nicht benebelt genug, um nicht zu bemerken, dass sie verfolgt wurde. Irgendwer folgte schon kurz nach ihrem Aufbruch aus Norderwacht ihrer Spur mit einem Abstand von ein bis zwei Meilen. Wann immer sich der Höhenweg auf einen der namensgebenden Hügel von teilweise beträchtlicher Höhe hinauf schwang, konnte sie von oben auf der Hügelkuppe ihren Verfolger oder ihre Verfolgerin im schneeweißen Talgrund sehen. Ob es ein von den Harmamunds gedungener Mörder war? Es war ihr im Moment einerlei - sie gehörte rondraseidank nicht zu den Hänflingen, denen schon ein einzelner Gegner Sorge bereiten musste. Erst musste sie Praiosmin in die Finger kriegen! Sie hoffte, dass sie Amandos Nachricht an Lucrann richtig deutete und dass man sie auf diesem Weg zum Hoftag gen Ragath schaffte.
"Nur das Blut kann sühnen, was das Blut verbrach!", rezitierte sie im Geist die uralte Losung, die sie wie jede gute Almadanerin schon mit der Muttermilch aufgesogen hatte.
Es war zwar schon ein paar Jahre her, seit sie diesen Weg das letzte Mal genutzt hatte, aber wenn sie ihr Orientierungssinn nicht betrog, dann war sie bereits wieder im heimatlichen Selaque. Mit einem Male bemerkte sie, dass sie nicht nur verfolgt wurde, es kam ihr auch ein einsamer Reiter entgegen, der dafür, dass der kurvenreiche Pfad vereist und rutschig war und oftmals an steilen Abhängen entlangführte, viel zu schnell unterwegs war. Rifada zog ihr Bastardschwert und verstellte ihm mit ihrem Pferd den Weg. Umso näher er kam, umso mehr kam ihr etwas an ihm bekannt vor. War das nicht ... ja, das war doch dieser Yaquirtaler Magus von Stand, der mit einer Nachricht für Richeza auf ihrem Castillo aufgetaucht war, als diese ganze neuerliche Malaise ihren Anfang genommen hatte. "Ihr, Dom ...?" Sein Name war ihr entfallen, da sie damals nicht damit gerechnet hatte, ihn noch ein weiteres Mal zu treffen. "Was sucht Ihr noch immer hier in unserem Landstrich? Und vor allem: Habt Ihr sonst noch jemanden gesichtet? Vielleicht einen größeren Zug auf dem Weg vom Markt Selaque hierher?"
Autor: Lindholz
"Domna Rifada, welch Glück, dass ich Euch treffe!", rief Amaros von Lindholz der adligen Reckin zu und brachte sein Roß zum Stehen, welches mehr als dankbar ob dieses Umstands zu sein schien. "Der Wagenzug, von dem ihr sprecht, ist keine Meile von hier in einen Hinterhalt geraten. Wegelagerer, keine Barbaren aus den Bergen, doch mit ebensowenig Respekt vor der Kirche. Ich bin auf dem Weg, um in Schrotenstein Bericht zu erstatten und Hilfe zu ersuchen."
Autor: von Scheffelstein
Der Wind hatte zugenommen und blies Abelardo Mansarez von Leuendâl direkt ins Gesicht. Obwohl er sich ein Wolltuch um Nase, Mund und Hals geschlungen hatte, stachen feine Eiskristalle in seine Haut, die vom verharschten Boden aufstoben. Trotz der Kälte rann der Schweiß dem alten Kämpen den Nacken hinunter. Die Vanyadâlerin war beinahe ohne Pause geritten, und selbst, als sie gerastet hatte, hatte er sie nicht eingeholt, da er die Spur verloren hatte und erst im Morgengrauen auf ihr Lager gestoßen war. Er selbst hatte kaum geschlafen, nur einmal war er im Sattel eingenickt und erwacht, als er vom Pferd zu rutschen begann. Die Müdigkeit brannte ihm in den alten Knochen, aber er hatte nicht aufgeben wollen, zu wichtig erschien es ihm, die Fehde nicht auf die Grafschaft übergreifen zu lassen, ja, selbst: die nächste Bluttat möglicherweise ganz zu verhindern.
Keuchend hielt Abelardo einen Moment inne und beschirmte die Augen mit der Linken. Da, weiter oben auf dem verschneiten Weg, sah er die Junkerin. Sie hatte ihr Pferd angehalten und sprach mit einem Reiter. Abelardo trotzte der Erschöpfung und trieb sein Ross erneut zur Eile an.
Autor: SteveT
"Gut!", nickte Rifada zur Verblüffung Amaros' nur zu diesen Neuigkeiten. "Ich kümmere mich darum!" Sie deutete mit ihrem gezogenen Schwert in die Richtung, aus der der Magier gerade gekommen war.
Dass gerade ein Wagenzug mit den Schätzen ihrer Familia überfallen wurde, schien sie nicht sonderlich zu beunruhigen. In der Tat trieb Rifada eher die Sorge um, dass dieses Raubgesindel ihrer Rache an der Mörderin ihrer Tochter zuvorkommen könnte, was sie für den Rest ihres Lebens nicht würde verwinden können. Oder - schlimmer noch! - dass es sich sogar um Schergen Praiosmins handelte, die das elende Aas befreiten, ehe sie es in die Finger bekommen konnte.
"Eins noch, Dom - ehe Ihr nach Hause zurückkehrt: Richeza und meine greise Muhme Belisetha, die Ihr vor Eurem Verschwinden ebenfalls kennengelernt habt, wurden in der Zwischenzeit von den Harmamunds gefangen genommen und sind auf deren Stammburg in der Mark Ragathsquell eingekerkert. Ich habe bereits Maßnahmen zu ihrer Freipressung in die Wege geleitet. Aber sollten diese fehlschlagen und Euch in drei bis vier Tagen zu Ohren kommen, dass man meine Blutsverwandten noch immer dort arretiert hält, so unternehmt bitte einen Versuch mit Euren ... hm, Ihr wisst schon ... mit diesen Zauberkräften, an die Leute wie Ihr glaubt, ob Ihr sie aus der Burg befreien könnt."
Sie ritt los in Richtung Selaque. "Ich muss mich sputen, um das größte Unheil zu verhindern! Gehabt Euch wohl - und seht Euch vor! Mich verfolgt seit gestern ein Reiter, der höchstwahrscheinlich ein Mörder der Harmamunds ist. Wartet versteckt, bis er an Euch vorüber ist oder entledigt mich seiner - ganz wie es Euch besser gefällt."
Autor: Lindholz
Amaros von Lindholz blickte der einsamen Reiterin hinterher, deren Pferd weißen Schnee und Dreck hinter sich aufwirbelte, als diese ihren Weg unbeirrt fortsetzte. Auch wenn er die Entscheidung der Kriegerin für einen Fehler hielt, kam er nicht umhin, ihrem Mut und ihrer Entschlossenheit Respekt zu zollen. Der Magier nahm sich vor, der schönen Domna Richeza und der klugen Domna Belisetha beizustehen, so es nötig werden sollte. Zuvor würde er aber seinen Weg gen Schrotenstein fortzusetzen. Der Baron musste erfahren, was auf dem Höhenweg vorgefallen war! Amaros ritt wieder an; auch wenn ihm noch Erfahrung fehlte und seine Kräfte nur begrenzt für eine direkte Auseinandersetzung geeignet waren: Einem einzelnen Reiter würde er nicht ausweichen, selbst wenn es sich um einen gedungenen Mörder handeln sollte.
Autor: SteveT
"Orkverflucht!", schimpfte Filippo di Lacara, als er einen der güldenen Kandelaber anhob, die im vierten und hintersten Wagen lagen. Sie waren nicht nur mannshoch, sondern auch so schwer wie ein ausgewachsener Mann - mindestens.
"Außer dem goldenen Viech haben wir noch nicht viel gefunden, was man wegtragen und durch die Wälder mit sich schleppen könnte. Und zu Geld machen kann man das auch nur bei den Horasiern oder vielleicht noch bei den Wickelköpfen in Süd-Almada."
"Eslamabad?", schlug sein Vetter nach kurzem Sinnieren vor. "Ihr könntet erstmal nach Eslamabad gehen. Ist nicht allzu weit von hier und die Leute dort sind reich."
Azzato von San Owilmar öffnete derweil ganz vorsichtig die Tür der ersten Kutsche, die weiter über dem Abhang hing als jede andere. Ein anderer Hofjunker hielt ihn von hinten am Gürtel fest, um ihn notfalls zurück zu reißen, wenn die Kutsche in die Tiefe stürzen sollte. "Herrin? Ganz ruhig! Bleibt sitzen wie Ihr seid und verlagert Euer Gewicht nur ganz, ganz vorsichtig!", rief er in die Chaise hinein. "Wir sind hier, um Euch zu befreien! Wir werden Euch gleich ein Seil hinein reichen, welches Ihr Euch ganz vorsichtig um die Hüfte binden solltet."
"Azzato?", rief Praiosmin von Elenta verwundert. "Mein Lieber, Euch schicken die Götter!"
"Die weniger", entgegnete der Caballero pervalisch, der um sich herum erstochene Inquisitions-Büttel blutgetränkt im Schnee liegen sah.
"So wollt Ihr verhindern, dass Eurer Herrin ein abgekarteter Schauprozess gemacht wird? Dafür werde ich Euch überreich belohnen!" Oh ja! Das wirst du - mit Selaque!, dachte Azzato stumm bei sich, laut aber sagte er: "Erst einmal müssen wir Euch in Sicherheit bringen, Herrin! Hier kommt das Seil! Seid vorsichtig ..."
Rifada trieb ihr abgekämpftes Ross zur größten Eile an, die auf diesem steilen Serpentinenpfad möglich war. Nach wenigen hundert Schritt und dem Umrunden einer scharfen Kurve kam die ganze Misere in ihr Blickfeld, die ihr der Magus schon angekündigt hatte. Vier schwere Reisewagen standen in grotesken Winkeln auf dem Weg, die in Anbetracht der Verlaufsrichtung des Weges völlig sinnlos und aberwitzig erschienen. Zwischen den Wagen wuselten etwa zwei Dutzend Menschen umher, vereinzelt wurde auch gekämpft, wobei sich nur noch zwei der weißberobten Waffenknechte der Suprema ihres Onkels gegen eine Überzahl an verlottert aussehenden Caldabreser-Trägern verteidigte. Die Angreifer trugen magnatische Tracht mit bunten Wämsern, Reitstiefeln, Pluderhosen und Umhängen in verschiedenen Farben, dass man beinahe hätte meinen können, sie wären gerade den Höfen von Punin oder Ragath entsprungen.
Rifada verlangsamte ihr Pferd nicht, sondern hielt geradewegs auf den vordersten Wagen zu, der halb über dem Abhang hing. Es fehlte buchstäblich nur noch ein Windhauch, dass er dreißig bis vierzig Schritt in die Tiefe stürzte.
Zwei der Angreifer machten sich an dem Wagen zu schaffen, einer davon hielt den anderen am Gürtel fest. Er zog ihn jedoch erschrocken zurück, als sie und die anderen Briganten Rifada bemerkten.
Die Vanyadâlerin schnaufte verächtlich: Der Vordere, der sich halb in die Kutsche gelehnt hatte, das war doch ... ja, kein Zweifel, es war der Hundsfott Azzato von San Owilmar! Diese Burschen versuchten also tatsächlich, Praiosmin zu befreien. Wo steckte Amando? War er auch in einem der Wagen, und hatten diese Ratten am Ende nicht einmal davor zurückgeschreckt, einen Geweihten der Reichskirche zu ermorden?
"Da kommt eine! Mach sie weg!", befahl Dom Azzato dem Hofjunker, der ihn festgehalten hatte, und schubste ihn Rifada entgegen. Der junge Mann erwartete sie mit beidhändig ausgeholtem Rapier, aber Rifada parierte seinen Hieb im Vorbeireiten und versetzte ihm dabei einen Fußstritt, dass er ein paar Schritte rückwärts taumelte.
"Wer zum Namenlosen ist das denn?", rief Filippo di Lacara, der trotz seiner Suche nach Kostbarem mitbekommen hatte, was am vordersten Wagen vor sich ging. "Wo kommt in dieser götterverlassenen Gegend plötzlich das Weib her? Ist sie übergeschnappt, alleine zwanzig Mann anzugreifen?"
"Ich kenne sie", antwortete Juanito di Dubiana. "Es ist Rifada da Vanya, eine Ferkina-Bekämpferin aus dem hintersten Bosquirien. Die würde uns auch angreifen, wenn wir Tausend wären. Die Leute dort sind selbst Halb-Wilde!"
Rifada wendete ihr Ross und ritt schnurstracks auf Azzato von San Owilmar los. Wo der Lump auftauchte, war auch Praiosmin nicht weit. Vermutlich hockte sie in der Kutsche. Der junge Hofjunker, mit dem sie den ersten Waffenkontakt gehabt hatte, sprang ihr wieder in den Weg. "Muhme - nicht! Haltet Euch aus diesem Gefecht heraus und reitet Eurer Wege! Ich ersuche Euch! Es wird sonst bös' für Euch enden!"
Rifada zügelte ihr Pferd haarscharf vor ihm. Was rief der da? "Muhme?" Als sie ihn genauer betrachtete, schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf. "Pellazio? Bist du das?"
Pellazio von Schlehen, der Großneffe ihres toten Gemahls Berengar - sie hatte ihn zuletzt als kleinen Jungen vor 15 Jahren gesehen. Den Augen nach konnte er es tatsächlich sein. "Was hast du mit diesem Brigantenpack zu schaffen? Das hier war ein Wagenzug der Suprema! Ihr befreit gerade eine Reichsverräterin!"
"Die Usurpatorin auf dem Kaiserthron hat uns geächtet und unserer Titel beraubt, weil wir dem rechtmäßigen Almadanerkaiser bis zuletzt die Treue gehalten haben!", rechtfertigte sich Pellazio. "Wenn man uns zu diesem Leben zwingt, holen wir uns, was wir brauchen und durchkreuzen die Pläne der falschen Kaiserin, wo immer wir nur können!"
"Deine Kaiser kümmern mich einen Scheißdreck!", fauchte ihn Rifada an. "Aber Praiosmin von Elenta - die geht nirgendwo hin! Sie hat meine Tochter - deine Base! - umgebracht und wird dafür selber sterben!"
"Azzato?", rief es aus der Kutsche. "Mir war, als hätte ich gerade die Stimme der verräterischen Da Vanya gehört. Was hat das zu bedeuten?"
Rifadas Kopf, eben noch Pellazio zugewandt, drehte sich ruckartig in Richtung der Kutsche. Auch sie erkannte die nölige Stimme ihrer Erzfeindin unter tausenden wieder. Sie trat ihrem Pferd mit den Fersen in die Seite, dass es den im Weg stehenden Schlehener einfach aus dem Weg rammte und geradewegs auf die Kutsche zu hielt.
"Sie ist hier, Herrin!", warnte Azzato von San Owilmar, der sein Rapier zum Schlag erhob. "Sie will sich scheinbar an Euch rächen!"
"Tötet sie - bei allen Heiligen! Tötet sie!", rief Praiosmin hysterisch.
Auch Fillipo di Lacara und Juanito di Dubiana kamen nun vom Ende des Zuges mit ihren Waffen in der Hand herbei gelaufen, kamen aber zu Fuß auf dem vereisten Weg langsamer voran. Rifada stürzte sich vom Pferderücken auf Azzato, dessen Rapierhieb sie an der Seite verletzte. Aber ihr Zorn und ihr Rachedurst ließen sie den tiefen Schnitt kaum spüren. Sie rammte dem schönen Caballero, der unter ihr begraben zu Boden stürzte, die Parierstange ihres Bastardschwertes ins Gesicht und packte ihn dann mit beiden Händen um die Gurgel, um seinen Kopf ein paar Mal fest auf den eisigen Boden zu schlagen. Die Augenlieder des Caballeros flackerten, er kämpfte, nicht das Bewusstsein zu verlieren. Rifada versetzte ihm noch einen Schlag aufs Kinn und rappelte sich dann schwankend hoch, schwang sich durch die offenstehende Kutschentür ins Innere der Chaise.
Die Kutsche hatte innen Platz für sechs Personen - es saß jedoch nur eine einzige darin. Böse, aber auch entsetzt und ungläubig, blickte sie ihre langjährige Vogtin und Rivalin Praiosmin von Elenta aus ihren schmalen Schweinsäuglein an.
"Waaaah! Ihr Götter! Rifada, Ihr treulose Verräterin! Was zum Henker wollt Ihr hier? Euretwegen wäre mir beinahe der Process auf dem kaiserlichen Hoftag gemacht worden! Hättet Ihr nicht über Jahre hinweg Eurer Vasallenpflicht entsagt, wäre alles gar nicht so weit gekommen! Das Kaiserhaus glaubt die Lügen von Euch und Eurem Oheim und will jetzt mich treue Reichsbeamtin anstatt Euch dreckige Verräterin zur Rechenschaft ziehen ..." Praiosmin trug tatsächlich ein einfaches weißes Büßergewand, das sich eng um ihren voluminösen Körper spannte. Um den Bauch hatte sie einen Strick gebunden, wohingegen ihre Hände seltsamerweise gar nicht gefesselt waren.
"Halt dein Maul, Dämonenbuhle!", zischte Rifada. "Erst hast du mir den Sohn, dann den Gemahl und nun auch noch meine Tochter und Erbin genommen! Deine Busenfreundin Morena, Aldeas Tochter, hält zudem auch noch meine Muhme und geliebte Nichte gefangen. Da braucht es keinen Process irgendeiner fremden Kaiserin um zu wissen, dass du an alledem schuld bist und sterben musst, niederträchtige Hexe!" Sie stürzte sich auf Praiosmin, packte auch diese an der Gurgel und drückte zu. Praiosmin tat es ihr gleich und schloss ihre fleischigen Finger um Rifadas Hals. Beiden trat vor Anstrengung der Schweiß auf die Stirn, sie blickten sich hasserfüllt ins Gesicht, während die beiden ungleichen Frauen einander würgten. "Die K...utsch..e!", presste Praiosmin erstickt hervor, da sich das Gefährt durch die Gewichtsverlagerung Rifadas noch weiter neigte. "Wir...stür...zen...ab!"
Und genau so kam es. Als Filippo di Lacara und Juanito di Dubiana die Chaise erreichten, neigte sich der Wagen endgültig zu weit über den Abhang und stürzte rumpelnd und krachend in die Tiefe. Filippo riss seinen Vetter am Arm drei Schritte zurück in Sicherheit, so konnte keiner von beiden und auch nicht der mit zerschlagenem Gesicht am Boden liegende Azzato von San Owilmar sehen, dass sich der Wagen mehrmals überschlug und die Schnee- und Eismassen einer neuerlichen Lawine mit sich riss.
Kurz waren die Schreie zweier Frauen zu hören gewesen, die aber erstarben, noch ehe der Wagen drunten im Tal endlich zum Liegen kam.
"Neeeeiiiin! Herrin!", rief Azzato und starrte auf allen Vieren entsetzt von oben herab in die Tiefe.
"Die sind hin!", stellte Filippo di Lacara lakonisch fest.
"Es ist vielleicht besser so!", streckte Juanito Azzato eine helfende Hand zum Aufstehen hin. "Wir beide stehen ja nicht unter Acht und kehren jetzt erstmal nach Ragath zurück. In Selaque sind jetzt Titel und Ämter neu zu vergeben - wer könnte dafür besser geeignet sein, als ein Ansässiger wie du? Lass uns zu diesem kaiserlichen Hoftag reiten und deinen Namen dort ins Spiel bringen."
Azzato blickte die beiden mitleidlosen Hofjunker unschlüssig an und dann noch einmal in die Tiefe, wo sich die aufgewirbelte Schneewolke um den zerschellten Wagen langsam legte. Unmöglich, diesen Absturz zu überleben, den er nicht hatte verhindern können.
"Vielleicht habt ihr Recht!", nickte er und ließ sich hochhelfen. "Reiten wir nach Ragath."
Autor: Lindholz
Dom Amaros blickte in den Abgrund. Die Reste der Kutsche und die Pferdekadaver konnte er selbst aus dieser Entfernung deutlich ausmachen. Der Anblick der zerschmetterten Körper der beiden Edeldamen blieb ihm jedoch erspart. Als er Domna Rifada hatte passieren lassen, das musste er sich eingestehen, war ihm klar gewesen, welches Schicksal die stolze Kriegerin für sich gewählt hatte. Hätte er sie stoppen können? Wäre es denkbar gewesen, sich ihr entgegenzustellen und zu überleben? "Mögen die Götter mir meine Schwäche vergeben", erbat er sich flüsternd, unfähig den Blick von dem abzuwenden, was geschehen war.
Der Schnee knirschte, als Abelardo Mansarez von Leuendâl neben ihn trat. "Wir müssen ihre Wohlgeboren bergen. Und Domna Praiosmin ebenfalls." Sein kräftiger Bass klang brüchig. Amaros von Lindholz nickte, musste jedoch zweimal ansetzen, um seine Stimme dazu zu bringen, ihren Dienst aufzunehmen: "Schrotenstein sollte nicht weit sein. Wir sollten uns dorthin wenden." Ihm schauderte bei dem Gedanken, dem dortigen Baron von dem Schicksal seiner Anverwandten berichten zu müssen. Auch wenn dies immer noch leichter sein würde als seiner Eminenz gegenüber zu stehen. Mochte manche hochgeborene Familia die Nase rümpfen über den Umgang seines Vaters mit den di Dalias, doch im Angesicht dieses Verhängnisses, war er dankbar für die Entscheidung seines Soberans.
Der junge Yaquirtaler Adelige sammelte sich. "Domna Rifada erwähnte, dass sich ihre Nichte und Tante in einer misslichen Lage befänden. Ich fühle mich verpflichtet, den beiden Damen beizustehen, so es in meiner Macht steht. Dieses Anliegen scheint mir wie ein an mich gerichteter letzter Wille", ließ er den Leuendâler wissen, den er noch vor Kurzem für einen Feind gehalten hatte, den es aufzuhalten galt.
Autor: von Scheffelstein
Der Caballero blickte den jungen Mann ernst an, ehe er nickte. "Das ist sehr ehrbar von Euch. Doch muss ich Euch warnen: Sowohl Domna Rifada – mögen Boron und Rondra ihre Seele wohl geleiten – als auch ihre Verwandten scheinen mir in eine, wenn nicht gar zwei Fehden von höchster Brisanz verstrickt zu sein. So Ihr Partei ergreift, wird dies möglicherweise auch Euch und Euer Haus betreffen. Und, wie Euch vielleicht bekannt ist, ist eine der Parteien niemand anderes als das Haus des Fürsten." Er verzog düster das Gesicht. "Gleichwohl: Sofern die Domna Richeza und Belisetha noch immer auf Harmamund gefangen gehalten werden, so bin ich es meinem Herrn schuldig, sie dort herauszuholen." Er lachte düster. "Wie immer das möglich ist."
Autor: Lindholz
"Nun, wer kann einem jungen Mann schon vorwerfen, im Angesicht einer Schönheit wie Domna Richeza die Folgen nicht bedacht zu haben?", gab Amaros von Lindholz zurück und der Hauch eines grimmigen Lächelns huschte trotz der entsetzlichen Ereignisse der letzten Tage und Stunden über seine Lippen. "Nach meinen bisherigen Erfahrungen scheint es in dieser Grafschaft zudem nicht ganz unüblich, die eigenen Rechte großzügig auszulegen."
Endlich gelang es dem blonden Magier, sich von der Szenerie loszureißen und er erwiderte den Blick des Caballeros: „Lasst uns gemeinsam mit dem Baron von Schrotenstein sprechen und ihm unsere Unterstützung in dieser Sache anbieten. Soll er entscheiden, wie unsere Fähigkeiten den größten Nutzen bringen. Womöglich mögen unsere Namen auch mehr bewirken als unsere Taten.“
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