Chronik.Ereignis1036 Besuch im Vanyadâl 35: Unterschied zwischen den Versionen
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Der Wind bauschte seine Robe und fuhr kalt seine Beine herauf. [[Amando von Harmamund|Amando Almadarich von Harmamund]] schlang die Arme fester um seinen hageren Leib. Eiskristalle hingen in seinem Bart und in den graumelierten Haaren. Seine geprellte Nase schmerzte noch immer, unter seinem linken Auge prangte ein blauschwarzer Bluterguss. Seine Füße fühlten sich tot an. Seit mehreren Stunden irrte er durch die verschneite Landschaft, orientierungslos, hungrig, zornig. | |||
Vor einem Tag war [[Rifada da Vanya]] aus der winzigen Burg geflohen, in die sie ihn verschleppt hatte, und der alte Soldat, der ihm noch am vernünftigsten von seinen Bewachern erschienen war, mit ihr. Zwar hatte der Alte dem anderen Gardisten befohlen, ihn, Amando, bis aufs Blut zu verteidigen, aber darauf wollte Amando sich nicht verlassen. Stunden hatte er gewartet, nichts war geschehen, Rifada war nicht zurückgekehrt. Nachts hatte Amando den Gardisten – Gambron hieß er – beschworen, ihn gehen zu lassen, hatte an dessen Götterfurcht appelliert, an die Schuld, die sie alle vor Boron zu begleichen hätten. | |||
Im Morgengrauen schließlich war es so weit gewesen: Der Gardist hatte eingeschüchtert zugestimmt, ihn zurück zum Kloster zu geleiten. Sie hatten den Torwachen befohlen, ihnen zu öffnen, doch da war ein weiteres Hindernis aufgetaucht: die Burgherrin. Jedenfalls glaubte Amando, dass es sich bei der Frau um eben diese gehandelt haben musst. Gesehen hatte er sie nicht, sie hatte sich wohlweislich im Schatten des Turmes gehalten, das Gesicht verborgen unter einer weiten Kapuze. Nur ihre Stimme hatte er gehört. Letztlich war ihm gleich, wer sie war. Sie hatte ihn gehen lassen. Nicht sofort, aber bald dann doch, nachdem er Borons Namen ein weiteres Mal in die Waagschale geworfen hatte. Amando hatte den Eindruck, dass die Frau Rifada nicht besonders mochte. Wer konnte es ihr verdenken? | |||
Nicht lange, nachdem Amando und Gambron die kleine Festung verlassen hatten, war dieser blonde Bursche aufgetaucht, der am Vortag angekommen war und noch geschlafen hatte, als sie aufgebrochen waren. Norre hieß er. Der Bengel hatte allen Ernstes versucht, sie aufzuhalten! Und er hatte es ankommen lassen auf ein Gefecht mit dem Gardisten. Dieser war ihm weit überlegen gewesen an Kraft und Erfahrung, zumal der Junge verletzt war. Allerdings hatte der Bengel es geschafft, den Gardisten durch einen raschen Ausfall rückwärts auf eine gefrorene Pfütze zu drängen, wo dieser unglücklich ausgerutscht und sich offenbar die Schulter gebrochen hatte. Da hatten sie gelegen, wie die schlechten Schauspieler in einer noch schlechteren Posse der Yaquirbühne. | |||
Innerlich fluchend hatte Amando sich alleine auf den Weg gemacht, denn was sollte er mit einem Gardisten, der nicht kämpfen konnte und einem verletzten Burschen, der der verfluchten Rifada hörig schien und ihm ohnehin nur Schwierigkeiten bereiten würde? | |||
Dummerweise hatte Amando nicht die leiseste Ahnung, wo er sich befand, und die verschneiten Wege waren teilweise kaum von den umliegenden Wiesen zu unterscheiden. Einmal war Amando gar in einem Bach eingebrochen, der unter der Schneedecke nicht zu erkennen gewesen war. Sein rechter Fuß war zu Eis gefroren, dem linken ging es kaum besser. | |||
Rifada! In Amando brodelte derselbe hilflose Zorn, den er vor vielen Jahrzehnten deren Mutter gegenüber verspürt hatte. Er war ein Priester der Zwölfe, auch wenn sie das einfach zu ignorieren schien! Für sie war er nichts als der unliebsame kleine Vetter, der ihrer geliebten Schwester versprochen gewesen war, die dann aber zu ihrer Genugtuung und seinem Gram einen anderen geheiratet hatte. Seither, so schien ihn, verachtete sie ihn umso mehr und wusste nicht, wie tief die Wunde saß, die ihre Mutter ihm durch das gebrochene Verlöbnis beigefügt hatte. Sein Leben gehörte Boron. Sein Herz aber gehörte nicht dem Herrn des Todes, es gehörte einer Toten. | |||
Pferdeschnauben und das Klirren von Rüstungen ließen Amando aufhorchen. Die Geräusche kamen von schräg rechts vor ihm hinter einer kleinen Anhöhe. Dort musste ein Weg sein. Amando raffte die Robe und stolperte eilig den Hang hinauf. Tatsächlich, da war ein Weg, und ihm kamen einige Reiter entgegen, der Anführer in einem grünen Wappenrock mit einem geflügelten Einhorn über der Rüstung, das rechte Auge unter dem Helm hinter einer Klappe verborgen. | |||
Na nu?, dachte Amando. Was machte der neue Khahirioser Vogt hier in der Mark? Zumal mit Bewaffneten in seinem Gefolge! Kurz mahnte Amando eine innere Stimme zur Vorsicht. Kurz auch hörte er die Stimmen seiner Mutter und Schwester, die wieder und wieder beschworen, Khahirios sei ihr Land und niemandes sonst. | |||
Dann trat Amando auf die Hügelkuppe, mit wehender Robe und wehendem Haar, ein aufrechter Diener des Schweigsamen, und hob beide Hände, um die Reiter zum Anhalten zu bewegen. | |||
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Version vom 1. Juni 2016, 13:25 Uhr
Baronie Schrotenstein, 12. Tsa 1036 BF
Nahe Norderwacht, morgens
Autor: Von Scheffelstein
Der Wind bauschte seine Robe und fuhr kalt seine Beine herauf. Amando Almadarich von Harmamund schlang die Arme fester um seinen hageren Leib. Eiskristalle hingen in seinem Bart und in den graumelierten Haaren. Seine geprellte Nase schmerzte noch immer, unter seinem linken Auge prangte ein blauschwarzer Bluterguss. Seine Füße fühlten sich tot an. Seit mehreren Stunden irrte er durch die verschneite Landschaft, orientierungslos, hungrig, zornig.
Vor einem Tag war Rifada da Vanya aus der winzigen Burg geflohen, in die sie ihn verschleppt hatte, und der alte Soldat, der ihm noch am vernünftigsten von seinen Bewachern erschienen war, mit ihr. Zwar hatte der Alte dem anderen Gardisten befohlen, ihn, Amando, bis aufs Blut zu verteidigen, aber darauf wollte Amando sich nicht verlassen. Stunden hatte er gewartet, nichts war geschehen, Rifada war nicht zurückgekehrt. Nachts hatte Amando den Gardisten – Gambron hieß er – beschworen, ihn gehen zu lassen, hatte an dessen Götterfurcht appelliert, an die Schuld, die sie alle vor Boron zu begleichen hätten.
Im Morgengrauen schließlich war es so weit gewesen: Der Gardist hatte eingeschüchtert zugestimmt, ihn zurück zum Kloster zu geleiten. Sie hatten den Torwachen befohlen, ihnen zu öffnen, doch da war ein weiteres Hindernis aufgetaucht: die Burgherrin. Jedenfalls glaubte Amando, dass es sich bei der Frau um eben diese gehandelt haben musst. Gesehen hatte er sie nicht, sie hatte sich wohlweislich im Schatten des Turmes gehalten, das Gesicht verborgen unter einer weiten Kapuze. Nur ihre Stimme hatte er gehört. Letztlich war ihm gleich, wer sie war. Sie hatte ihn gehen lassen. Nicht sofort, aber bald dann doch, nachdem er Borons Namen ein weiteres Mal in die Waagschale geworfen hatte. Amando hatte den Eindruck, dass die Frau Rifada nicht besonders mochte. Wer konnte es ihr verdenken?
Nicht lange, nachdem Amando und Gambron die kleine Festung verlassen hatten, war dieser blonde Bursche aufgetaucht, der am Vortag angekommen war und noch geschlafen hatte, als sie aufgebrochen waren. Norre hieß er. Der Bengel hatte allen Ernstes versucht, sie aufzuhalten! Und er hatte es ankommen lassen auf ein Gefecht mit dem Gardisten. Dieser war ihm weit überlegen gewesen an Kraft und Erfahrung, zumal der Junge verletzt war. Allerdings hatte der Bengel es geschafft, den Gardisten durch einen raschen Ausfall rückwärts auf eine gefrorene Pfütze zu drängen, wo dieser unglücklich ausgerutscht und sich offenbar die Schulter gebrochen hatte. Da hatten sie gelegen, wie die schlechten Schauspieler in einer noch schlechteren Posse der Yaquirbühne.
Innerlich fluchend hatte Amando sich alleine auf den Weg gemacht, denn was sollte er mit einem Gardisten, der nicht kämpfen konnte und einem verletzten Burschen, der der verfluchten Rifada hörig schien und ihm ohnehin nur Schwierigkeiten bereiten würde?
Dummerweise hatte Amando nicht die leiseste Ahnung, wo er sich befand, und die verschneiten Wege waren teilweise kaum von den umliegenden Wiesen zu unterscheiden. Einmal war Amando gar in einem Bach eingebrochen, der unter der Schneedecke nicht zu erkennen gewesen war. Sein rechter Fuß war zu Eis gefroren, dem linken ging es kaum besser.
Rifada! In Amando brodelte derselbe hilflose Zorn, den er vor vielen Jahrzehnten deren Mutter gegenüber verspürt hatte. Er war ein Priester der Zwölfe, auch wenn sie das einfach zu ignorieren schien! Für sie war er nichts als der unliebsame kleine Vetter, der ihrer geliebten Schwester versprochen gewesen war, die dann aber zu ihrer Genugtuung und seinem Gram einen anderen geheiratet hatte. Seither, so schien ihn, verachtete sie ihn umso mehr und wusste nicht, wie tief die Wunde saß, die ihre Mutter ihm durch das gebrochene Verlöbnis beigefügt hatte. Sein Leben gehörte Boron. Sein Herz aber gehörte nicht dem Herrn des Todes, es gehörte einer Toten.
Pferdeschnauben und das Klirren von Rüstungen ließen Amando aufhorchen. Die Geräusche kamen von schräg rechts vor ihm hinter einer kleinen Anhöhe. Dort musste ein Weg sein. Amando raffte die Robe und stolperte eilig den Hang hinauf. Tatsächlich, da war ein Weg, und ihm kamen einige Reiter entgegen, der Anführer in einem grünen Wappenrock mit einem geflügelten Einhorn über der Rüstung, das rechte Auge unter dem Helm hinter einer Klappe verborgen.
Na nu?, dachte Amando. Was machte der neue Khahirioser Vogt hier in der Mark? Zumal mit Bewaffneten in seinem Gefolge! Kurz mahnte Amando eine innere Stimme zur Vorsicht. Kurz auch hörte er die Stimmen seiner Mutter und Schwester, die wieder und wieder beschworen, Khahirios sei ihr Land und niemandes sonst.
Dann trat Amando auf die Hügelkuppe, mit wehender Robe und wehendem Haar, ein aufrechter Diener des Schweigsamen, und hob beide Hände, um die Reiter zum Anhalten zu bewegen.
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