Chronik.Ereignis1036 Besuch im Vanyadâl 35: Unterschied zwischen den Versionen

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==[[Kaiserlich Selaque]], 12. Tsa 1036 BF==
==[[Baronie Schrotenstein]], 12. Tsa 1036 BF==
===Auf der Straße zwischen Selaque und Schrotenstein, vormittags===
===Nahe Norderwacht, morgens===


'''Autor:''' [[Benutzer:Lindholz|Lindholz]]
'''Autor:''' [[Benutzer:von Scheffelstein|Von Scheffelstein]]


Wieder einmal geriet die Kolonne ins Stocken. Mit einem Seufzen schlang [[Amaros Desidero von Lindholz|Amaros]] den Mantel enger um sich und lenkte Azucar neben den vordersten Wagen. Erfreulicherweise hatte er sein Ross in den Stallungen der [[Praiosmin von Elenta|Reichsvögtin]] aufgefunden und wieder in Besitz genommen. Mit dem edlen Tier hätte er schon längst [[Schrotenstein]] erreichen können, doch es widerstrebte ihm, in diesen Landen wieder alleine zu reisen. Die Wagen, begleitet von acht Männern und Frauen im Dienste der Praioskirche, würde kein götterfürchtiger Mittelreicher angreifen - dessen war er sich gewiss. Und so fühlte auch er sich wesentlich geschützter. Dieser Schutz mochte ihn Tage kosten, aber nicht sein Leben. Ein Blick nach hinten verriet dem jungen Zauberer, wie sehr sich die edlen Tempelritter damit abquälten, einen der schwer mit den Gütern der [[Familia da Vanya|da Vanyas]] beladenen Wagen aus einem Schlammloch zu befreien, in das die linke Seite abgedriftet war. Der vorderste der Wagen bereitete dem kleinen Trupp deutlich weniger Probleme - trotz des nicht unerheblichen Gewichts seines unfreiwilligen Passagiers.
Der Wind bauschte seine Robe und fuhr kalt seine Beine herauf. [[Amando von Harmamund|Amando Almadarich von Harmamund]] schlang die Arme fester um seinen hageren Leib. Eiskristalle hingen in seinem Bart und in den graumelierten Haaren. Seine geprellte Nase schmerzte noch immer, unter seinem  linken Auge prangte ein blauschwarzer Bluterguss. Seine Füße fühlten sich tot an. Seit mehreren Stunden irrte er durch die verschneite Landschaft, orientierungslos, hungrig, zornig.


"Noch etwas Geduld, Euer Hochgeboren, ich bin sicher, auf die Mannen seiner [[Amando Laconda da Vanya|Eminenz]] wird auch in diesem Fall verlass sein und ihr werdet [[Ragath]] sicher erreichen", erklärte Amaros von Lindholz als das feiste Gesicht der Reichsvögtin sichtbar wurde, "Ich hoffe, Ihr seid der beschwerlichen Reise und meiner Anwesenheit noch nicht überdrüssig."
Vor einem Tag war [[Rifada da Vanya]] aus der winzigen Burg geflohen, in die sie ihn verschleppt hatte, und der alte Soldat, der ihm noch am vernünftigsten von seinen Bewachern erschienen war, mit ihr. Zwar hatte der Alte dem anderen Gardisten befohlen, ihn, Amando, bis aufs Blut zu verteidigen, aber darauf wollte Amando sich nicht verlassen. Stunden hatte er gewartet, nichts war geschehen, Rifada war nicht zurückgekehrt. Nachts hatte Amando den Gardisten – Gambron hieß er – beschworen, ihn gehen zu lassen, hatte an dessen Götterfurcht appelliert, an die Schuld, die sie alle vor Boron zu begleichen hätten.  


"Spart Euch Eure höhnischen Worte. Der Fürst der Götter wird eines Tages über Euer verdorbenes Blut richten und im Angesicht seiner Wahrheit wird Eure verräterische Zunge verdorren wie ein Blatt im Herbst."
Im Morgengrauen schließlich war es so weit gewesen: Der Gardist hatte eingeschüchtert zugestimmt, ihn zurück zum Kloster zu geleiten. Sie hatten den Torwachen befohlen, ihnen zu öffnen, doch da war ein weiteres Hindernis aufgetaucht: die Burgherrin. Jedenfalls glaubte Amando, dass es sich bei der Frau um eben diese gehandelt haben musst. Gesehen hatte er sie nicht, sie hatte sich wohlweislich im Schatten des Turmes gehalten, das Gesicht verborgen unter einer weiten Kapuze. Nur ihre Stimme hatte er gehört. Letztlich war ihm gleich, wer sie war. Sie hatte ihn gehen lassen. Nicht sofort, aber bald dann doch, nachdem er Borons Namen ein weiteres Mal in die Waagschale geworfen hatte. Amando hatte den Eindruck, dass die Frau Rifada nicht besonders mochte. Wer konnte es ihr verdenken?
Praiosmin von Elenta hatte ihren Hochmut schnell wieder gefunden, nachdem sie dem gestrengen Blick des Großinquisitors entkommen war.


"Wie Ihr meint, Euer Hochgeboren", gab Amaros zurück, "Doch ich frage mich, ob Ihr ein milderes Urteil zu erwarten habt; in dieser Welt wie in der nächsten."
Nicht lange, nachdem Amando und Gambron die kleine Festung verlassen hatten, war dieser blonde Bursche aufgetaucht, der am Vortag angekommen war und noch geschlafen hatte, als sie aufgebrochen waren. Norre hieß er. Der Bengel hatte allen Ernstes versucht, sie aufzuhalten! Und er hatte es ankommen lassen auf ein Gefecht mit dem Gardisten. Dieser war ihm weit überlegen gewesen an Kraft und Erfahrung, zumal der Junge verletzt war.  Allerdings hatte der Bengel  es geschafft, den Gardisten durch einen raschen Ausfall rückwärts auf eine gefrorene Pfütze zu drängen, wo dieser unglücklich ausgerutscht und sich offenbar die Schulter gebrochen hatte. Da hatten sie gelegen, wie die schlechten Schauspieler in einer noch schlechteren Posse der Yaquirbühne.


Die blitzenden Schweinsäuglein verschwanden wieder hinter den dicken Vorhängen des Gefährts und dem jungen Adligen blieb nichts als schweigend abzuwarten, wenn er nicht mit einem Faltenwurf zu reden gedachte.
Innerlich fluchend hatte Amando sich alleine auf den Weg gemacht, denn was sollte er mit einem Gardisten, der nicht kämpfen konnte und einem verletzten Burschen, der der verfluchten Rifada hörig schien und ihm ohnehin nur Schwierigkeiten bereiten würde?


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Dummerweise hatte Amando nicht die leiseste Ahnung, wo er sich befand, und die verschneiten Wege waren teilweise kaum von den umliegenden Wiesen zu unterscheiden. Einmal war Amando gar in einem Bach eingebrochen, der unter der Schneedecke nicht zu erkennen gewesen war. Sein rechter Fuß war zu Eis gefroren, dem linken ging es kaum besser.
'''Autor:''' [[Benutzer:SteveT|SteveT]]


"Pssst! Colonello! Ich glaube, sie kommen!"
Rifada! In Amando brodelte derselbe hilflose Zorn, den er vor vielen Jahrzehnten deren Mutter gegenüber verspürt hatte. Er war ein Priester der Zwölfe, auch wenn sie das einfach zu ignorieren schien! Für sie war er nichts als der unliebsame kleine Vetter, der ihrer geliebten Schwester versprochen gewesen war, die dann aber zu ihrer Genugtuung und seinem Gram einen anderen geheiratet hatte. Seither, so schien ihn, verachtete sie ihn umso mehr und wusste nicht, wie tief die Wunde saß, die ihre Mutter ihm durch das gebrochene Verlöbnis beigefügt hatte. Sein Leben gehörte Boron. Sein Herz aber gehörte nicht dem Herrn des Todes, es gehörte einer Toten.
Boronello von Quaranca, der Hofjunker der zur Zeit Wachdienst hatte, winkte [[Filippo di Lacara]] zu, er möge zu seinem verdeckten Aussichtspunkt kommen, von dem aus man mehrere Meilen des Briesacher Höhenweges einsehen konnte - einer gewundenen Passstraße zwischen dem gleichnamigen Ort am Schwarzen See in Schrotenstein und dem Kaisergut Selaque, die die meiste Zeit über den Kamm der Hügelkuppen der Ausläufer des Raschtulswalls führte.


Der ehemalige Commandante des kaiserlichen Banners der Hofjunker, der dieses auch heute noch - oder vielmehr gerade jetzt - befehligte, da es offiziell unehrenhaft aufgelöst worden war und viele seiner ehemaligen Mitglieder nunmehr in kaiserlicher Ungnade standen, lief gebückt zu seinem Gefolgsmann hinüber und spähte mit ihm durch die Zweige des Dickichts, das sie komplett verbarg.
Pferdeschnauben und das Klirren von Rüstungen ließen Amando aufhorchen. Die Geräusche kamen von schräg rechts vor ihm hinter einer kleinen Anhöhe. Dort musste ein Weg sein. Amando raffte die Robe und stolperte eilig den Hang hinauf. Tatsächlich, da war ein Weg, und ihm kamen einige Reiter entgegen, der Anführer in einem grünen Wappenrock mit einem geflügelten Einhorn über der Rüstung, das rechte Auge unter dem Helm hinter einer Klappe verborgen.
Tatsächlich näherte sich aus der Richtung in die Boronello zeigte eine kleine Kolonne aus vier Reisewagen, jeder davon von zwei Rössern gezogen. Zwei Personen ritten dem Wagenzug voraus, eine weitere Person - diese mit einer bannerbewehrten Lanze bewaffnet - folgte ihm hintendrein.


"Juanito!", winkte Filippo di Lacara auch seinen Vetter zu sich, damit er die Wagenkolonne ebenfalls in Augenschein nehmen konnte. "Wie dein Cumpan prophezeit hat ... es scheinen nur wenige Wachen zu sein", grinste Filippo vorfreudig.
Na nu?, dachte Amando. Was machte der neue Khahirioser Vogt hier in der Mark? Zumal mit Bewaffneten in seinem Gefolge! Kurz mahnte Amando eine innere Stimme zur Vorsicht. Kurz auch hörte er die Stimmen seiner Mutter und Schwester, die wieder und wieder beschworen, Khahirios sei ihr Land und niemandes sonst.


"Hm, ich glaube auf jedem Kutschbock hockt neben dem Kutscher ein Goldfass in Eisen", bremste Juanito ein wenig seine Vorfreude.
Dann trat Amando auf die Hügelkuppe, mit wehender Robe und wehendem Haar, ein aufrechter Diener des Schweigsamen, und hob beide Hände, um die Reiter zum Anhalten zu bewegen.


"Und ist der eine der Reiter, der vorneweg reitet, nicht möglicherweise ein Magus? Sein Stecken sieht so merkwürdig aus", argwöhnte Boronello.


"Ein Magus bei einem Wagenzug der Heiligen Suprema ... wo hat man sowas schon gehört?", lachte ihn [[Azzato von San Owilmar]] aus, der ebenfalls dazugekommen war.
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"Vieles ist sehr seltsam dieser Tage!", entgegnete Boronello ernst.
 
"Wir werden sie uns direkt unter uns greifen!", entschied Colonello Filippo und deutete mit einem Kopfnicken auf das Wegstück, das unter ihnen lag. Azzato musste zugeben, dass die Stelle für einen Hinterhalt perfekt gewählt war. Auch wenn die Hofjunker früher bei den gemeinen Gardisten den Ruf eines "Gecken-Regiments" genossen hatten, das vor allem Repräsentationszwecken diente und in das man nur mit äußerst blauem Blut aufgenommen werden konnte, schienen doch so einige mit militärischer Bildung darunter zu sein. Sie konnten versteckt aus einem Tannenwäldchen, zwanzig Schritt über der Straße, hangabwärts angreifen, während es direkt hinter beziehungsweise jenseits der Straße vierzig Schritt steil bergab ging. Keiner der Wagen konnte also auf der Flucht die Straße verlassen.
 
"Bereitet unsere hübschen Schneebretter vor, die wir wie einen Firunschlag in sie hinein donnern lassen werden!", befahl Filippo seinen Leuten.
 
"Was? Seid Ihr verrückt?", fragte Azzato entsetzt, dem dieser Teil des Plans ganz neu war. "Schneebretter könnten die Wagen den Abhang hinunter reißen! Denkt daran, dass ich meine Herrin befreien will - ich will nicht ihre Überreste drunten im Tal aufsammeln."
 
"Genau das ist aber mein Plan!", grinste der Colonello. "Die Wachen stürzen ja mit ab! Mich interessieren nur die Schätze auf den Wagen. Deine Herrin wollte uns fangen und hängen lassen! Wenn sie den Wagensturz und Überschlag überlebt, dann bringe sie besser schnell in Sicherheit, ehe sie meinen Leuten und mir in die Hände fällt! Die Schätze interessieren uns mehr - aber wenn ich die bosquirische Jungfer in die Finger kriege, dann ergeht es ihr schlecht, Compadre!"
 
Azzato blickte entsetzt zu Juanito, aber der zuckte nur mit den Achseln und nickte dabei zu den Worten seines Vetters: "Wir haben alle einen Eid geschworen. Einjeder für das Banner - das Banner für einjeden. Du weißt ..."
 
Einen kurzen Moment dachte Azzato daran, die Sache auffliegen zu lassen und zum Beispiel Lärm zu machen, ehe die Wagen heran waren. Aber letztendlich waren die Wachen der Suprema, die seine Herrin zu ihrem sicher verhängnisvollen Prozess eskortierten, noch mehr seine Feinde als diese Gesetzlosen und Vogelfreien. Vielleicht ging die Sache ja gut aus, sollten sie sich die Schätze der verfluchten Da Vanyas holen. Er selbst würde von Domna Praiosmin für ihre Befreiung reich belohnt werden, wenn man erst wieder diese Pfaffen aus Albacim hinaus gejagt hatte.
 
Azzato zog sein Rapier und ging neben Juanito in Position. Auch alle anderen der verfehmten Hofjunker verteilten sich an die Stellen im Wald, die ihnen der Colonello zugewiesen hatte. Aus viel Schnee, Steinen und Schlamm hatten sie tatsächlich mannshohe Kugeln geformt, die wohl Firunschlägen gleich, den Hang hinunter gerollt werden sollten. Dom Filippo hob seine behandschuhte Linke als Zeichen, noch zu warten, bis die Wagen wirklich fast direkt unter ihnen waren. Azzato hoffte, irgendetwas von Domna Praiosmin zu erblicken, um wenigstens zu wissen, welchem der schweren Planwagen er sich zuwenden sollte. Er sah nichts von ihr, wohl aber jemand anderes, den er beim Näherkommen erkannte - der eine Bursche, der dem Zug vorausritt, war das nicht tatsächlich jener naseweise Magus aus dem Yaquirtal, den seine Herrin wohlweislich eingekerkert hatte? Wieso aber sollte ausgerechnet die Inquisition einen Zauberer befreit haben?
 
Ehe er den Gedanken zu Ende führen konnte, senkte der Colonello ruckartig seine Hand und die ersten beiden Schneebretter krachten hangabwärts, den Kutschen entgegen.
 
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'''Autor:''' [[Benutzer:Lindholz|Lindholz]]
 
Der Hang war unter der Schneeschicht, die ihn bedeckte, bewachsen, doch das Strauchwerk konnte das Gemisch aus Geröll und Schnee nicht aufhalten. Die schmalen Zweige und mickrigen Stämmchen gaben unter der herabrasenden Masse nach oder wurden gar mitgerissen und setzten so weitere Erde und Schnee frei. Als die ersten Warnrufe erschallten und Amaros von Lindholz den Kopf den Hang hinauf wandt, hatte sich der Einflussbereich der Schneebretter schon enorm verbreitert. Mit voller Wucht traf die Naturgewalt die ersten beiden Wagen der Kolonne und riss den hinteren der beiden, ohne an Fahrt zu verlieren, den Abhang hinab. Die Laute der in Panik geratenden Pferde klangen schrill und vermischten sich mit den Schreien der Menschen. Der Kutscher versuchte noch, mit einem beherzten Sprung zu entkommen, doch er konnte auf den in Bewegung befindlichen Boden keinerleich Halt finden und wurde ebenso von der Tiefe verschluckt. Auch um die Kutsche der Reichsvögtin war es kaum besser bestellt: Langsam aber stetig wurde das Gefährt zur Seite gedrückt und befand sich bereits in einer gefährlichen Schräglage. Die kräftigen Zugtiere stemmten sich gegen ihr Schicksal, mehr der Panik als der Peitsche des Fuhrmannes folgend, und brachten das Gespann schließlich in ein fragiles Gleichgewicht, das jedoch durch jede noch so kleine Bewegung des Untergrundes zerstört zu werden drohte.
 
Der Magier nahm sich aber nicht die Zeit, den Ausgang dieses Schicksalskampfes abzuwarten. Er trieb sein Pferd an, dem Einflussbereich der Schneemasse zu entkommen und hätten ihm nicht die Rufe der Kirchenkrieger und sein Instinkt schon darauf hingewiesen, so bestätigten ihm spätestens seine Augen, dass dieser Zwischenfall kein Werk der grimmigen Laune Firuns war: Dort oben bewegten sich Menschen - nein, keie Menschen - gottloses Gesindel! Was war nur mit den Bewohnern dieser Lande geschehen, das sie nur die Sprache der Faust zu sprechen schienen und darüber gar die Gebote der Zwölfe vergaßen? Amaros konnte später darüber philosophieren! 'Ich werde hier nicht sterben!', schwor er sich und hieb Azucar die Sporen in die Flanken. Mochten sie ihn feige nennen, doch lieber versuchte er, Hilfe zu finden, statt hier in falschem Heldenmut sein Leben zu lassen. Irgendwo in Schrotenstein musste es doch noch rechtgläubige Frauen und Männer geben!
 
 
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Version vom 1. Juni 2016, 13:25 Uhr

Baronie Schrotenstein, 12. Tsa 1036 BF

Nahe Norderwacht, morgens

Autor: Von Scheffelstein

Der Wind bauschte seine Robe und fuhr kalt seine Beine herauf. Amando Almadarich von Harmamund schlang die Arme fester um seinen hageren Leib. Eiskristalle hingen in seinem Bart und in den graumelierten Haaren. Seine geprellte Nase schmerzte noch immer, unter seinem linken Auge prangte ein blauschwarzer Bluterguss. Seine Füße fühlten sich tot an. Seit mehreren Stunden irrte er durch die verschneite Landschaft, orientierungslos, hungrig, zornig.

Vor einem Tag war Rifada da Vanya aus der winzigen Burg geflohen, in die sie ihn verschleppt hatte, und der alte Soldat, der ihm noch am vernünftigsten von seinen Bewachern erschienen war, mit ihr. Zwar hatte der Alte dem anderen Gardisten befohlen, ihn, Amando, bis aufs Blut zu verteidigen, aber darauf wollte Amando sich nicht verlassen. Stunden hatte er gewartet, nichts war geschehen, Rifada war nicht zurückgekehrt. Nachts hatte Amando den Gardisten – Gambron hieß er – beschworen, ihn gehen zu lassen, hatte an dessen Götterfurcht appelliert, an die Schuld, die sie alle vor Boron zu begleichen hätten.

Im Morgengrauen schließlich war es so weit gewesen: Der Gardist hatte eingeschüchtert zugestimmt, ihn zurück zum Kloster zu geleiten. Sie hatten den Torwachen befohlen, ihnen zu öffnen, doch da war ein weiteres Hindernis aufgetaucht: die Burgherrin. Jedenfalls glaubte Amando, dass es sich bei der Frau um eben diese gehandelt haben musst. Gesehen hatte er sie nicht, sie hatte sich wohlweislich im Schatten des Turmes gehalten, das Gesicht verborgen unter einer weiten Kapuze. Nur ihre Stimme hatte er gehört. Letztlich war ihm gleich, wer sie war. Sie hatte ihn gehen lassen. Nicht sofort, aber bald dann doch, nachdem er Borons Namen ein weiteres Mal in die Waagschale geworfen hatte. Amando hatte den Eindruck, dass die Frau Rifada nicht besonders mochte. Wer konnte es ihr verdenken?

Nicht lange, nachdem Amando und Gambron die kleine Festung verlassen hatten, war dieser blonde Bursche aufgetaucht, der am Vortag angekommen war und noch geschlafen hatte, als sie aufgebrochen waren. Norre hieß er. Der Bengel hatte allen Ernstes versucht, sie aufzuhalten! Und er hatte es ankommen lassen auf ein Gefecht mit dem Gardisten. Dieser war ihm weit überlegen gewesen an Kraft und Erfahrung, zumal der Junge verletzt war. Allerdings hatte der Bengel es geschafft, den Gardisten durch einen raschen Ausfall rückwärts auf eine gefrorene Pfütze zu drängen, wo dieser unglücklich ausgerutscht und sich offenbar die Schulter gebrochen hatte. Da hatten sie gelegen, wie die schlechten Schauspieler in einer noch schlechteren Posse der Yaquirbühne.

Innerlich fluchend hatte Amando sich alleine auf den Weg gemacht, denn was sollte er mit einem Gardisten, der nicht kämpfen konnte und einem verletzten Burschen, der der verfluchten Rifada hörig schien und ihm ohnehin nur Schwierigkeiten bereiten würde?

Dummerweise hatte Amando nicht die leiseste Ahnung, wo er sich befand, und die verschneiten Wege waren teilweise kaum von den umliegenden Wiesen zu unterscheiden. Einmal war Amando gar in einem Bach eingebrochen, der unter der Schneedecke nicht zu erkennen gewesen war. Sein rechter Fuß war zu Eis gefroren, dem linken ging es kaum besser.

Rifada! In Amando brodelte derselbe hilflose Zorn, den er vor vielen Jahrzehnten deren Mutter gegenüber verspürt hatte. Er war ein Priester der Zwölfe, auch wenn sie das einfach zu ignorieren schien! Für sie war er nichts als der unliebsame kleine Vetter, der ihrer geliebten Schwester versprochen gewesen war, die dann aber zu ihrer Genugtuung und seinem Gram einen anderen geheiratet hatte. Seither, so schien ihn, verachtete sie ihn umso mehr und wusste nicht, wie tief die Wunde saß, die ihre Mutter ihm durch das gebrochene Verlöbnis beigefügt hatte. Sein Leben gehörte Boron. Sein Herz aber gehörte nicht dem Herrn des Todes, es gehörte einer Toten.

Pferdeschnauben und das Klirren von Rüstungen ließen Amando aufhorchen. Die Geräusche kamen von schräg rechts vor ihm hinter einer kleinen Anhöhe. Dort musste ein Weg sein. Amando raffte die Robe und stolperte eilig den Hang hinauf. Tatsächlich, da war ein Weg, und ihm kamen einige Reiter entgegen, der Anführer in einem grünen Wappenrock mit einem geflügelten Einhorn über der Rüstung, das rechte Auge unter dem Helm hinter einer Klappe verborgen.

Na nu?, dachte Amando. Was machte der neue Khahirioser Vogt hier in der Mark? Zumal mit Bewaffneten in seinem Gefolge! Kurz mahnte Amando eine innere Stimme zur Vorsicht. Kurz auch hörte er die Stimmen seiner Mutter und Schwester, die wieder und wieder beschworen, Khahirios sei ihr Land und niemandes sonst.

Dann trat Amando auf die Hügelkuppe, mit wehender Robe und wehendem Haar, ein aufrechter Diener des Schweigsamen, und hob beide Hände, um die Reiter zum Anhalten zu bewegen.