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Efferdane warf einen kurzen Blick zurück aufs Bett. "Rohaja", flüsterte sie. "Ich glaube, da liegt was im Schnee. Ein totes Tier vielleicht?" | Efferdane warf einen kurzen Blick zurück aufs Bett. "Rohaja", flüsterte sie. "Ich glaube, da liegt was im Schnee. Ein totes Tier vielleicht?" | ||
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'''Autor:''' [[Benutzer:SteveT|SteveT]] | |||
Auch wenn ihr alles weh tat, besonders ihr Schädel, hob Rohaja von Ragathsquell ächzend den Kopf. "Unter anderen Umständen würde ich rausgehen und nachschauen ... aber so." Sie überlegte. "Geh runter und sag den Dienern Bescheid, einer oder zwei von ihnen sollen nachsehen und zur Sicherheit mein Rapier und Brigant mitnehmen. Nicht, dass es am Ende noch Eslam ist! Ich hoffe und bete, dass das spurlose Verschwinden unseres Bruderherzes nichts mit diesem Kerl mit dem Stierhelm zu tun hat. Ich weiß nicht, ob ich heute schon reisen kann – aber wenigstens du musst dann Vater verständigen und ihm alles berichten, was wir gesehen haben. Wenn du nicht alleine nach Hause zurückkehren willst, dann gehe heute wenigstens – zu einer etwas angenehmeren Zeit – nach Schloss Quazzano hinüber. Der Großinquisitor kennt und schätzt Vater, er wird dich empfangen und dann besser als wir wissen, was zu tun ist." | |||
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'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]] | |||
Efferdane eilte die Treppe hinunter in den Schlafsaal, in dem die Diener nächtigten. Rohaja hörte Schritte im Schankraum, das Klappen der Haustür. Kurz zog es kalt die Stiege herauf und durch den Türspalt, denn ihre Schwester hatte die Tür nicht hinter sich geschlossen. | |||
Kurz darauf klappte die Tür erneut, wieder eilige Schritte, aufgeregte Stimmen – Efferdanes darunter, doch was sie sagte, konnte Rohaja nicht verstehen – dann noch einmal die Tür – und lange nichts. | |||
Rohaja lauschte dem Knarren der Balken, starrte hinauf in das reetgedeckte Dach. | |||
Lautes Gepolter und wieder Rufe von unten. Rohaja tastete nach dem Dolch auf der Truhe neben dem Bett, zog die Waffe unter die Decke. Schritte auf der Treppe, schnelle Schritte. | |||
Efferdane platzte herein, aufgeregt. "Da war eine Frau", keuchte sie atemlos. "Da im Schnee lag eine Frau. Sehr wohlhabend gekleidet. Halb erfroren." Sie stützte die Hände auf ihre Oberschenkel und rang nach Luft, atmete ein paarmal tief aus, kam dann herüber und setzte sich auf die Bettkante. Mit weit aufgerissenen Augen sah sie die Schwester an. "Wo kommt mitten in der Nacht diese Frau her? Sie war zu Fuß, ohne Pferd, ohne Waffe, ohne Begleiter. Ob sie überfallen wurde? Was machen wir jetzt? Sie spricht nicht, ist zu schwach, rot und blau gefroren, hat einen schlimmen Husten und Fieber. Ich fürchte, sie wird sterben, wenn wir nichts tun." Sie sprang wieder auf. "Wenn sie nun überfallen wurde? Vielleicht war sie in einer Kutsche unterwegs und ist weggelaufen? Was, wenn das dieser unheimliche Mann war, der dich so übel zugerichtet hat." | |||
"Oder ein Weib", unterbrach Rohaja den Redeschwall. | |||
"Ja, aber wenn ..." | |||
Rohaja griff nach Efferdanes Arm, hielt sie fest, um das kopflose Umherzappeln zu beenden, das die Dielen knarzen ließ und ihr Kopfschmerzen bereitete. | |||
Fragend sah Efferdane die Schwester an. | |||
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'''Autor:''' [[Benutzer:SteveT|SteveT]] | |||
"Ist ja gut, ist ja gut!", stöhnte Rohaja, in der die Einsicht reifte, dass ihr Zwilling ihr ohnehin keine Ruhe zur Wiedererlangung ihrer Kräfte lassen würde. "Bettet die Frau unten direkt vor dem Kaminfeuer. Du selbst, der Wirt und wer-auch-sonst-noch kümmert euch um sie. Ich selbst werde, sobald das Praiosrund aufgegangen ist und sich normale Leute aus dem Bett erhoben haben, hinüber nach Schloss Quazzano reiten und dem alten Da Vanya alles berichten. Er und Vater sind Freunde, die Da Vanyas bekamen dieses Schloss von uns - deswegen wird er mir kaum seine Hilfe verweigern. Vielleicht weiß er auch über unseren Bruder mehr? Um ihn mache ich mir mehr Sorgen, als um diese Fremde. Aber nichtsdestotrotz wollen wir uns mühen, ihr zu helfen, vielleicht steht das, was ihr widerfahren ist, ja mit dem Verschwinden unseres Bruders in Zusammenhang?" Sie erhob sich stöhnend - hui, was war ihr schwindelig. "Hilf mir, mich anzukleiden, ehe du wieder hinunter rennst!", befahl sie ihrer Schwester noch. "Eine von Ragathsquell tritt nicht verlottert wie ein Wildfang vor den Großinquisitor." | |||
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'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]] | |||
Die Schwestern blickten auf die schlafende Frau hinab. Sie mochte Mitte dreißig sein, vielleicht auch schon um die vierzig, hatte lange schwarze Haare und eine lange blasse Narbe auf ihrer linken Wange. Sie hatte blaurote Erfrierungen im Gesicht, und ihre Stirn glänzte fiebrig, aber wenn man davon absah, war sie für eine Frau ihres Alters ausgesprochen hübsch. | |||
Sie trug Efferdanes Wechselkleidung: Reithosen, knielange Wollstrümpfe, ein besticktes Hemd und ein gefüttertes Wams. Alles war ihr zu groß: Obwohl die Frau nicht so schlank war wie Efferdane, war Letztere doch ein Stück größer. Es war mühsam gewesen, sie davon zu überzeugen, sich den nassen Mantel und das nasse Kleid auszuziehen. Besser: ausziehen zu lassen, denn auch ihre Hände wiesen Erfrierungen auf, und so kraftlos, wie sie war, hatte sie es alleine nicht geschafft. Obwohl sie zu schwach zum Sprechen gewesen war, hatte sie sich gegen jede Hilfe gesträubt. Beinahe so, als schäme sie sich ihres Körpers. Oder als seien ihr die Blicke und Berührungen anderer Menschen unangenehm. | |||
Efferdane schüttelte verständnislos den Kopf. Wie konnte jemand mit einem solchen Äußeren so frigide sein, dass selbst die Gegenwart einer anderen Frau sie einschüchterte? Andererseits ... Efferdane dachte an den unheimlichen Stier-Mann und schauderte bei den Gedanken, den Bildern, die ihr in den Kopf kamen. Unwillkürlich griff sie nach der Hand ihrer Schwester, wie sie es als Kind schon getan, wenn etwas sie geängstigt hatte, denn auch, wenn Rohaja die Jüngere der beiden war, war sie doch auch stets die Forschere und Wagemutigere gewesen. | |||
Man hatte die Arme und Beine der Frau mit Schnee abgerieben, ihr Efferdanes Kleidung angezogen – da sie edel gekleidet gewesen war, hatte Efferdane es für unangemessen gehalten, ihr die Kleidung einer Magd geben zu lassen –, dann hatte man sie zugedeckt und ihr Weidenrindentee, etwas Suppe und einen Weinbrand eingeflößt, und sehr bald war die Fremde vor Erschöpfung eingeschlafen. | |||
Efferdane wandte sich vollends ihrer Schwester zu und betrachtete diese besorgt. Die Verbände unter dem Wams ließen Rohaja unförmig aussehen, und der Verband um ihre geschundene Nase verrutschte ständig. | |||
"Bist du sicher, dass du das schaffst?", fragte sie. Aber was für eine unsinnige Frage: Rohaja war hartgesotten und fest entschlossen! Also rückte Efferdane ihr fürsorglich den Mantel zurecht, drückte ihre Hände und gab ihr einen Kuss auf die Wange. "Pass auf dich auf, ja? Und verzichte auf alle Tollkühnheiten!" | |||
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'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]] | |||
===Auf Burg Harmamund, bei Sonnenaufgang am 11. Tsa=== | |||
[[Morena von Harmamund|Morena Solivai von Harmamund]] tobte. Rastlos schritt sie in ihrem Gemach auf und ab, die Fäuste geballt, sodass ihre Fingernägel schmerzhaft in ihre Handflächen drückten, die Kiefer aufeinander gepresst, bis ihre Zähne schmerzten. Ab und an entfuhr ihr ein zorniger Schrei, und sie fegte ein Schriftstück vom Schreibpult oder gar die hässliche Vase ihrer armseligen Großmutter gegen die Wand. | |||
Dieser hirnbefreite Ochse von einem Junker hatte sie wahrlich in Schwierigkeiten gebracht! Was, zur niedersten Niederhölle!, war so schwer daran, mit dem Segen Ras'Raghs ein paar Reiter und zwei wehrlose Frauen niederzumachen? Aber nein, er hatte es wieder einmal vermasselt! Und warum? Dieser unverfrorene Kerl hatte die Impertinenz besessen, es ihr direkt ins Gesicht zu sagen: ''Glaubt Ihr, wenn ich die Gelegenheit habe, die schönste Frau Almadas in die Finger zu kriegen, dass ich die dann nicht nutzen werde?'' | |||
Dieser ...! Morena wusste kaum, was sie mehr erzürnte. ''Die schönste Frau Almadas.'' Dieser Hundsfott! Wut und Eifersucht loderten in ihrem Herzen. Dabei hasste sie den Pferdejunker in diesem Augenblick vor allem für seine Dummheit! Alles, was sie sonst an ihm anzog, die brachiale, animalische Gewalt, die Unbeherrschtheit und ursprüngliche Wildheit, stießen sie in diesem Augenblick ab. Beinahe wünschte sie, einen ihrer anderen Geliebten mit der delikaten Aufgabe betraut zu haben. Den Kanzler vielleicht. [[Rafik von Taladur ä. H.|Rafik]] war ein Langweiler, aber ein kluger Kopf, der diese Angelegenheit gewiss zu einem erfolgreichen Ende gebracht hätte. Aber nein, hätte er nicht: Er war zwar stets auf den eigenen Vorteil bedacht, aber viel zu weichherzig, um über Leichen zu gehen. Schöne Leichen jedenfalls. | |||
Da war es schon wieder, dieses Wort, das einer anderen galt! Aber nicht einmal seine Geilheit hatte der Trottel-Junker befriedigen können. Die kleine Scheffelstein, die sich neuerdings nach ihrer Mutter nannte, war ihm entkommen. Und nach allem, was ihre Späher Morena zugetragen hatten, war auch die alte Wildenfesterin nicht so richtig tot! Ja, schlimmer noch: Die Einzigen, die ganz sicher tot waren, waren ''ihre eigenen Leute''! Unter ihnen ihre treue Capitana! | |||
Verfluchte Ferkinakkenscheiße! Wusste dieser Bauer denn nicht, was sie das alles gekostet hatte? Einen guter Stier aus ihrer Zucht, sechs Soldaten und eine Menge Ärger, der noch auf sie warten würde! | |||
Morena von Harmamund zertrat die Scherben der Vase unter ihrem Stiefel. Das Knirschen befriedigte ihren Zorn. Sie wischte sich eine Strähne des schwarzen Haars aus dem Gesicht und atmete langsam fauchend aus. Sie musste nachdenken. Die Tatsache, dass nur sie zu Schaden gekommen war, musste sich doch irgendwie nutzen lassen. Was für ein übler Zufall sollte das wohl sein: Sie schickte ihre besten Soldaten als Leibwache der beiden da Vanyas, und dann wurden diese ausgerechnet von ein paar scheinbar als Stierkultisten verkleideten Strauchdieben niedergemacht? Es war nun einmal leider allgemein bekannt, dass ihre [[Aldea von Harmamund|Mutter]] zuletzt dem Schwarzen Stier gehuldigt hatte und ihre Götzenergebenheit mit dem Leben bezahlt hatte. Glaubte denn irgendjemand allen Ernstes, auch sie, Morena Solivai von Harmamund, habe sich mit diesem Stiergötzen eingelassen, nachdem dies ihrer Mutter zum Verhängnis geworden war? Also bitte! | |||
Nein, hier spielte ihr jemand ganz übel mit: Auf Quazzano-Land wurden ihre Leute überfallen von vermeintlichen Kultisten, die jeder mit den Harmamunds in Verbindung bringen würde, aber die Einzigen, die starben, waren ihre eigenen Leute, während die da Vanyas irgendwie überlebten? Was für eine Posse war das denn? Nein, nein, hier ''wollte'' es jemand so ''aussehen'' lassen, als sei ''sie'', Morena, eine ganz hinterhältige Schlange, hier wollte jemand ihren ''Ruf'' ruinieren! | |||
Und es war glasklar, wer dieser Jemand war. Morena schlug sich mit grimmiger Miene eine Faust in die Hand. Eine Stierkultistin – oder ein Kultist, ja, ja! –, so stark wie ein Oger, metzelte alleine sechs Leute nieder. Das alleine war ja schon unglaubwürdig. Aber hinter so einer Maske ließ sich ja trefflich eine so hässliche Visage wie die der da Vanya-Krähe verbergen. Und wenn es doch wer anders gewesen sein sollte unter dieser Maske, so stand doch eindeutig fest, dass diese Schelkin dieses Schurkenstück aufgeführt hatte und niemand sonst. | |||
Zorn flammte erneut auf, gerechter Zorn. Beinahe glaubte Morena selbst bereits an diese Version der Geschichte. So sehr, dass sie fast bereit gewesen wäre, dem Pferdejunker, [[Rasdan di Vascara]], zu verzeihen. Zu dumm, dass sie ihn fortgejagt hatte nach seiner Beichte. Zu dumm, dass sie, nachdem sie ihn geschlagen und er sie gepackt und an die Wand gedrückt hatte, ihm mit ihrem Giftdolch gedroht hatte. Zu dumm, dass er von ihr abgelassen und in die Nacht hinaus verschwunden war. Jetzt, da ihr Zorn auf ihn sich in Zorn auf die da Vanya verwandelt hatte, wollte sie ihn. Lustvoll stöhnend ließ Morena eine Hand unter ihr Nachtgewand und sich auf alle Viere nieder gleiten. Zu dumm, dass sie Rascha nun allein würde opfern müssen. Mit halb geschlossenen Lidern blinzelte sie durch das offene Fenster ins Licht der soeben hinter dem Raschtulswall aufgehenden Sonne. | |||
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