Chronik.Ereignis1044 Selkethaler Pferderennen zu Ehren der schönen Göttin 1044 BF 32
Edlengut Selkethal, 02. Rahja 1044 BF, abends
Autoren: Amarinto, de Verlez & BBB
“Danke Jodga. Du kannst jetzt gehen. Es ist wirklich alles in Ordnung.” Gwena lächelte den Majordomus an. Dieser zog einmal kurz die Stirn kraus und deutete auf den Tisch auf der Veranda. “Es ist alles vorbereitet. Wein, Käse, getrocknetes Obst. Reicht Euch dies wirklich aus, Domnatella?” “Ja, Jodga. Ich erwarte nur einen Gast für einen kleinen Umtrunk. Morgen ist doch noch die Fuchsjagd. Da sollte man nicht über die Stränge schlagen.” “Wie Ihr wünscht. Ich darf mich empfehlen.” Eine kurze Verbeugung und dann war Jodga schon wieder im Inneren der Hacienda verschwunden.
Gwena entspannte sich. Manchmal war der Majordomus schon anstrengend, aber er ist eine gute Seele. Ihr Gast musste auch gleich eintreffen. Sie warf noch einen Blick über ihre Kleidung. Der Reiteranzug saß wie angegossen. Auch die Stiefel glänzten in Licht der untergehenden Praiosscheibe. Sie setzte sich entspannt auf einen der Sessel, welche auf der Veranda bereit standen und schaute auf dem Weg zum Dorf.
Dareius Amarinto lenkte seine Fuchsstute den schmalen Weg hinauf zur Hacienda. Die untergehende Praiosscheibe tauchte die Landschaft in goldene Töne, und ein leichter Windzug trug den Duft von frischem Heu und fernen Jasminbüschen zu ihm. Ein feiner Staubfilm bedeckte seine Reitstiefel. Seine Kleidung war zweckmäßig, nicht prunkvoll, doch allein der feine Schnitt nach neuester Grangorer Mode und die hochwertigen Stoffe ließen keinen Zweifel an seinem Stand als horasischer Adliger. Eine goldene Brosche in Form eines Pfeilbündels aus drei Pfeilen zierte seinen Mantelkragen, ein diskretes Zeichen seines Hauses und an seiner Seite baumelte ein Schwert in einer aufwendig verzierten Scheide, die mit je einem roten Drachen, einer barbusigen Seenixe und einem goldenen Bogen mit drei Pfeilen verziert war. Sein Blick war nach vorne gerichtet, auf das Haus, auf die Frau, die ihn erwartete.
Er ritt langsam heran, hielt kurz inne und strich sich eine widerspenstige Haarsträhne aus der Stirn. Ein inneres Zögern befiel ihn, ein Gedanke an das, was sein könnte, was sein sollte. Doch dann schob er den Anflug von Selbstzweifeln beiseite, wie er es schon häufiger getan hatte, sprang mit einer geschmeidigen Bewegung vom Pferd und band es an den hölzernen Pfosten. Ein tiefer Atemzug, dann betrat er die Veranda.
Gwena erhob sich aus ihrem Sessel. Ihr Reiteranzug betonte ihre anmutige Statur, und das letzte Sonnenlicht glitt sanft über ihr Gesicht. „Eine Freude Euch wiederzusehen, Signora.“ Er ergriff die ihm entgegengehaltene Hand und führte sie zum Handkuss an den Mund.
“Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Signor Amarinto.” Sanft entzog sie ihm die Hand und deutete auf die Sitzgelegenheiten. “Nehmt bitte Platz. Ihr erlaubt?” Sie nahm eine der dargebotenen Weinflaschen und zeigte Dareius das Etikett. “Flogglonder Blut. Ein lieblicher Roter aus den Weinbergen am Südrand des Tosch Mur. Oder bevorzugt ihr eher einen herben oder trockenen Rebensaft? Mein Lehrherr war so gütig und hat mir eine Auswahl aus seinem Weinkeller zur Verfügung gestellt. Mit etwas Glück, wird er sich heute Abend ebenfalls zu uns gesellen.”
Dareius ließ sich in einen der bereitstehenden Sessel sinken und lehnte sich entspannt zurück. Er musterte Gwena und dann den Wein für einen Moment, ehe er mit einem anerkennenden Lächeln nickte. "Flogglonder Blut klingt vortrefflich. Ich habe tatsächlich in Punin schon von diesem Wein gehört, aber noch nicht Gelegenheit gehabt, ihn zu kosten. Lasst uns diesen edlen Tropfen gemeinsam genießen."
Während Gwena einschenkte, glitten Dareius’ Blicke über die elegant gedeckte Veranda. Die feine Auswahl an Speisen und Getränken zeugte von Sorgfalt und Stil, wie es einer Dame von Stand gebührte. Sein Blick verweilte kurz auf ihrer Hand, als sie das Weinglas reichte. Ihre Finger waren gepflegt und doch kräftig, wie man es von einer adligen Kriegerin erwarten konnte.
Er nahm das Glas entgegen und hob es leicht. "Auf einen angenehmen Abend, Signora. Und auf gute Gespräche."
Sie erwiderte seinen Toast, und die Gläser klangen sanft aneinander. Dareius nahm einen ersten Schluck, ließ den vollmundigen Geschmack auf der Zunge zergehen und nickte anerkennend. "Ein ausgezeichneter Tropfen. Eine weise Wahl." Er stellte das Glas beiseite und betrachtete Gwena eingehender. "Ihr erwähntet den Gastgeber. Ist er jemand, der den Wein ebenso schätzt wie Ihr?"
Auch Gwena genoss den Wein, lauschte den Stimmen und der Musik die vom Dorf aus bis nach oben zu vernehmen waren. “Ja, mein Lehrmeister schätzt einen guten Wein sehr. Er handelt unter anderem damit. Als Teilhaber des Handelshaus vom Stein, veräußert er Luxusgütern aller Art. Neuerdings auch im Lieblichen Feld.” Langsam ließ Gwena den Wein in ihrem Glas kreisen. “Und daran trage ich eine Teilschuld. Damit, dass ich hier bleiben und lernen darf, eröffnete mein Haus ihm neue Handelswege.” Sie stellte ihr Glas zurück auf den Tisch, ergriff eine Schale und reichte sie Dareius. “Getrocknete Pfirsiche aus Aranien. Ebenfalls Handelsware.” Dabei dachte sie an die ganzen Kisten, welche sich noch davon im Lager befanden. Sie selbst nahm auch eine der Früchte und aß sie genüsslich.
Langsam ließ Dareius den Wein in seinem Glas kreisen und betrachtete das Farbenspiel im Schein der untergehenden Sonne. "Dann hat er einen klugen Schachzug getan. Das Liebliche Feld ist ein Land der Feinschmecker. Der Handel mit gutem Wein und edlen Speisen wird in unserer Heimat immer ein lohnendes Geschäft sein."
Er lehnte sich etwas vor und musterte Gwena eingehender. "Und Ihr? Seid Ihr mehr als nur seine Vermittlerin oder habt Ihr selbst ein Interesse daran, die Handelsgeschicke mitzugestalten?"
Leicht schüttelte Gwena den Kopf. “Nein, bei den Zwölfen, Handel ist so gar nicht meins. Da liegt mir das Kriegerhandwerk mehr.” Sie lachte. ”Meine Tante Feodora ist mehr die Nutznießerin davon. Sie ist Handelsmeisterin der Weinhandlung Yaquiria Shenilo und hat seinerzeit die Verhandlungen hier vor Ort geführt. Noch etwas Wein, Signor Dareius?” Höflich bot Gwena an nachzuschenken. Sie selber wollte es bei ein, zwei Bechern belassen, steht doch morgen noch die Fuchsjagd an und sie wollte nicht so ein trauriges Bild abgeben wie im Götterlauf davor.
Dareius bedeutete ihr dankbar nachzuschenken und musterte Gwena über den Rand seines Weinglases hinweg. Ihre betonte Ablehnung des Handels amüsierte ihn ein wenig, doch er verstand sie nur zu gut. Das Leben der Händler und Kaufleute mochte glänzend und wohlhabend erscheinen, doch es war auch mühsam, voller harter Arbeit, Intrigen und endloser Verhandlungen. Ein Schwert dagegen konnte klare Lösungen erzwingen, ein Geschäft nicht immer. Er nahm einen weiteren Schluck und stellte das Glas mit einem zufriedenen Lächeln zurück auf den Tisch.
"Dann seid Ihr also eher für die Tugenden Rondras und…” Er zögerte in einer betonten Kunstpause. “... und Rahjas geschaffen?" Er lächelte und lehnte sich ein wenig nach vorne, seine Stimme hatte einen spielerischen Ton angenommen. "Die morgige Fuchsjagd – ist sie nur ein geselliger Anlass für Euch oder habt Ihr ernsthafte Ambitionen, Signora?"
“Ambitionen? Natürlich habe ich diese.” Um ihre Worte zu unterstützen, straffte sich ihr Körper und mit fester Stimme sprach sie voller Überzeugung: ”Besser zu sein, als im letzten Götterlauf, habe ich da doch zu sehr die Freuden der Rahja genossen.” Sie überlegte kurz. ”Natürlich ist dieses Rennen der Liebholden gewidmet, aber sollte man trotz allem nicht den Wettstreit aus den Augen verlieren. Auch ein Zweikampf wie der unsere beim heutigen Rennen, kann Rahja und Rondra gleichermaßen gerecht werden.”
“Wohl gesprochen”, erklang die Stimme des Gastgebers aus Richtung des Zugangs von der Hacienda zur Veranda. Keiner der Anwesenden hatte ihn kommen sehen - oder hören. Entweder waren sie doch tiefer ins Gespräch vertieft gewesen, als ihnen bewusst, oder der Edle des Selkethals war auf sehr leise Sohle gekommen.
“Bitte, ich bitte Euch, bleibt sitzen!”, bedeutete er sofort, mit der Hand eine beschwichtigende Geste machend, als er sich mit zwei, drei schnellen Schritten näherte. Er begrüßte Gwena mit einem Kuss gehaucht erst auf die linke, dann die rechte Wange, wie es Art und Tradition in Almada war, dann wandte er sich zu Dareius und wiederholte die gleiche Geste mit zwei gehauchten Küssen.
“Es tut mir leid, erst jetzt zu Euch zu stoßen - aber es freut mich, dass man sich um Euch gekümmert hat. Die Rennen wurden tatsächlich geschaffen, um beides zu erreichen: Die Schönheit des Lebens zu feiern”, er deutete auf die Gläser Wein, vor ihnen auf dem Tisch, “und zugleich den Reitsport in all seinen Facetten zu zelebrieren. Inklusive des Wettkampfcharakters. Das hat Gwena gut erkannt.”
Dareius erhob sich mit einer geschmeidigen Bewegung, als er bemerkte, dass Dom Algerio die Veranda betrat. Ein höfliches, doch herzliches Lächeln lag auf seinen Lippen, während er den Gastgeber begrüßte.
"Dom Algerio, wie schön, dass Ihr Euch zu uns gesellt! Euer Ruf als großzügiger Gastgeber eilt Euch voraus, doch nach diesem Tage kann ich mit Gewissheit sagen, dass Ihr ihn noch übertroffen habt. Die Rennen waren ein wahres Fest für Reiter und Zuschauer gleichermaßen – bestens organisiert und von einer Atmosphäre durchdrungen, die der schönen Göttin wahrhaft würdig war."
“Ihr schmeichelt mir, Signor… aber ich gebe gerne zu, ich bin so guter Laune, dass ich solch netten Worten gegenüber derzeit sehr empfänglich bin”, grinste Algerio, während er sich selbst einen Wein einschenkte. Nachdem er sich in einen der Sessel gesetzt hatte, hob er das Glas. “Und eine Disziplin steht ja auch noch aus, insofern habt Ihr noch etwas, worauf Ihr Euch für morgen freuen könnt… die unberechenbarste aller Disziplinen. Möge die schöne Göttin weiterhin wohlwollend auf euch”, er schwenkte das Glas erst zu Gwena, dann zu Dareius, “und das letzte Rennen herabblicken.”
“So lange das Rennen nicht so schnell endet, wie die Fuchsjagd beim letzten Mal. Da waren die Reiter schneller als der Fuchs aus seinen Startlöchern.”, scherzte Gwena. “Und ihr habt recht. Möge die Berauschende uns ihr lächelndes Antlitz zeigen.” Sie prostete beiden Männern zu und leerte ihren Becher.
Dareius stieß ebenso mit den beiden an. “Auf den Segen der schönen Göttin!”
Nachdem die drei Adligen sich einige Zeit über das Rennen, die Pferdezucht und den Wein unterhalten hatten ergriff Dareius die Gelegenheit den Gastgeber auf die Rennpferde aus seiner Zucht anzusprechen: “Dom Algerio, ich bin beeindruckt von der Kraft und der Geschwindigkeit Eurer Pferde. Sie sind wirklich allesamt Rennpferde von hoher Güte. Ich habe lange mit dem Gedanken gespielt, neben den Streitrössern, die im Besitz unseres Hauses sind und deren Zucht uns sehr am Herzen liegt, auch ein Rennpferd zu erwerben. Nicht für die Zucht, das überlasse ich gern Experten wie Euch…” Er neigte sein Haupt in einer ehrlichen Geste. “...nein, es soll ein Geschenk sein für eine ganz besondere Dame.” Er lächelte und genoss den kurzen Moment der Spannung, vor allem beobachtete er Gwenas Reaktion genau, bevor er das Geheimnis auflöste. “Bei dieser handelt es sich um meine jüngere Schwester Cariana, eine großartige Reiterin und Turnierstreiterin und meine wichtigste Vertraute.” Er grinste. “Wäre es möglich, eines Eurer Rösser zu kaufen und wenn ja, welches würdet ihr empfehlen?”
Schon leicht angetrunken schaute Gwena in ihren leeren Becher. Es ist schon wieder passiert. Ein Becher Wein, nur ein Becher und ein interessantes Gespräch, das hatte sie sich vorgenommen. Und nun?
Kurz war sie abgelenkt und versuchte wieder dem Gespräch der beiden Männer zu folgen. Als das Thema zum Kauf eines Rennpferdes wechselte, horchte Gwena auf. Auch sie hatte schon über den Kauf eines solchen Pferdes nachgedacht, aber noch keine richtigen Vorstellungen über die Summe an Dukaten, die man dafür aufbringen müsste. Interessiert verfolgte sie den weiteren Ausführungen.
“Sehr freundlich von Euch, habt Dank!”, erwiderte Algerio. Einen Moment überlegte er, ob er Dareius korrigieren sollte, entschied sich aber dagegen. Zwar hatte der Edle des Selkethals zusammen mit seiner guten Freundin, Farfanya von Taladur, mit der Pferdezucht begonnen, doch waren die Früchte dieser längst nicht so weit, geerntet zu werden und der diesbezügliche Hauptverdienst lag eindeutig bei der jungen von Taladur. Die Pferde, die er hier zur Schau gestellt hatte, hatte er selbst erworben, von anderen Zuchten - allerdings nicht ohne Stolz. “Ich werde dafür sorgen, dass jene, die Euer Lob weit mehr verdienen als ich von Euren Worten erfahren”, fügte er stattdessen lächelnd hinzu.
“Was den Erwerb eines Pferdes angeht - nun, ich bin Händler, wie ihr wisst. Fast alles, was Ihr hier sehen könnt, kann erworben werden”, grinste er, halb scherzend, halb ernst. “Ein Rennpferd also… wenn ich Euch eines empfehlen soll, lasst mich zunächst ein paar Fragen stellen. Ist Eure Schwester bei ihrer Teilnahme ambitioniert? Geht es ihr um den Sport an sich, oder hat sie den Ehrgeiz zu gewinnen? Und geht es Euch darum, ein fertig ausgebildetes Pferd zu erwerben, oder möchte Eure Schwester eventuell selbst noch die Entwicklung des Pferdes beeinflussen?”
Dareius verneigte sich demütig. “Entschuldigt meine Unwissenheit, ich habe wohl einige Zusammenhänge falsch interpretiert. Es wäre sehr freundlich wenn ihr mein Lob weiterreichen könntet.” Gwenas teilnahmsloser Blick auf den Becher, als er von der ihm teuren Dame sprach,war ein wenig enttäuschend. Die covernische Kriegerin war eine interessante Frau, in jeder Hinsicht. Aber ihr romantisches Interesse an ihm war offenbar nicht übermäßig. Vielleicht war ihr Herz bereits vergeben oder sie trug ihre Emotionen nur nicht so offen zur Schau. Er beschloss daher, ein wenig direkter zu werden und das Geplänkel ein wenig abzukürzen. Er wandte sich fürs erste wieder an den Gastgeber. “Es freut mich zu hören, dass ihr bereit wärt mir eines dieser feinen Rösser zum Kauf zu überlassen. Meine Schwester steht mir an Ambition und Siegeswille in nichts nach, ich gehe sogar soweit zu sagen, sie ist die ehrgeizigere von uns beiden. “ Er lächelte. Es lag sicherlich mehr als ein Körnchen Wahrheit in der Aussage, Cariana ließ sich nicht wie allzu sehr von Festen und dem romantischen Spiel ablenken, sie legte all ihre Kraft auf die Turniere und Wettkämpfe, sowie ihre Aufgaben als Verwalterin des familiären Stammsitzes. “Sie ist eine sehr erfahrene Reiterin und könnte sicherlich einen Teil der Ausbildung selbst übernehmen, den letzten Schliff sozusagen. Ich muss Euch also warnen, wenn ihr nun das perfekte Ross für sie auswählt, kommt sie im nächsten Jahr vielleicht zum Rennen und schlägt euch mit euren eigenen Waffen!” Er lachte herzlich.
In Algerios Augen blitzte es auf. Da war sie: die nächste Herausforderung.
Und eine schöne Gelegenheit noch dazu.
Ein zufriedenes Lächeln stahl sich auf seine Lippen. “Es klingt, als sollte ich Eurer Schwester eine Einladung zu kommen lassen… es würde mich sehr freuen, mich mit ihr zu messen. Und was die Waffen angeht… ich hätte da zwei Ideen. Zum einen könnte ich ihr Dom Rafik Valeroso den Ersten anbieten, ein noch sehr junges Pferd, noch nicht fertig ausgebildet, aber er zeigt alle Anlagen ein herausragender Läufer zu werden in zwei, drei Götterläufen. Reiten lässt er sich bereits hervorragend, zum fertig ausgebildeten Rennpferd fehlt aber noch ein bisschen. An ihm könnte sich Eure Schwester beweisen, aber ich sage auch gleich dazu, im kommenden Jahr wäre Dom Rafik wahrscheinlich noch nicht konkurrenzfähig für die absolute Spitze. Oder…” Einen Moment überlegte Algerio, ob er das Angebot wirklich wagen sollte, entschied sich dann aber dafür. “Oder Ihr könntet Maldonado erwerben. Das Pferd, auf dem ich gestern die kurze Distanz gewonnen habe, und das schon im letzten Götterlauf die gleiche Disziplin gewann. Ein nachgewiesenes Gewinnerpferd, bereits fertig ausgebildet aber noch immer sehr jung, und zudem äußerst pflegeleicht, wie Gwena Euch sicher bestätigen wird.”
Dareius war sichtlich überrascht, er hatte nicht erwartet, dass Algerio ihm tatsächlich eins seiner besten Pferde anbieten würde. “Ein wahrlich großzügiges Angebot Dom Algerio, ich fühle mich geehrt!” Er blickte zu Gwena. “Signora, was denkt ihr? Ihr habt Maldonado bereits selbst geritten. Ich vertraue Eurem Urteil, denkt ihr, es ist das richtige Pferd für meine Schwester?” Er legte seine Hand in einer vertrauten Geste auf ihren Arm und blickte ihr erwartungsvoll in die Augen.
Auch Gwena zeigte sich sehr überrascht über dieses Angebot. Mit Maldonando bot er, aus ihrer Sicht, eines seiner besten Pferde an. Sie war so überrascht, dass sie sogar die Hand auf ihrem Arm nicht so richtig wahrnahm. Oder war es schon die Wirkung des genossenen Weines? “Ihr fragt mich, ob es das richtige Pferd für Eure Schwester ist, Signor Amarinto? Da fragt ihr leider die Falsche. Ich kenne Eure Schwester nicht und ich würde mir daher auch nicht anmaßen, das Können oder Wissen einer Unbekannten einzuschätzen. Und ja, ich hatte die Ehre und das Vergnügen Maldonando reiten zu dürfen. Ein wunderbares Pferd, das Befehle und Körperzeichen genauestens umsetzen kann, antrittsstark und ausdauernd.” Kurz überlegte sie und führte dann weiter aus. “Aber das richtige Pferd zu finden ist nicht so einfach. Es muss von beiden Seiten her passen. Der Reiter muss das Pferd genauso akzeptieren wie das Pferd den Reiter. Eure Schwester sollte das Selkethal aufsuchen und etwas Zeit mit Maldonando verbringen. Sie sollten sich kennenlernen. Es wäre nicht gut für Maldonando, wenn Ihr ihn hier und jetzt erwerben solltet und dann bei Euch in Sewamund feststellt, dass beide keine Bindung zueinander finden. Was macht Ihr dann?” Gwena war gespannt auf die Antwort und schaute Dareius ebenso in die Augen.
Dareius hörte ihr aufmerksam zu. Seine Hand ruhte weiterhin auf ihrem Arm. Er dachte einen Moment nach, nachdem sie geendet hatte. “Ihr habt Recht, Signora. Ein Ritter und sein Ross müssen eine Einheit bilden, ein unzertrennliches Gespann. Es wäre natürlich am besten, wenn Cariana hier sein könnte, um das Pferd selbst zu reiten. Aber Eure Worte stimmen mich optimistisch, meine Schwester und ich sind uns in vielen, wenn auch nicht allen, Dingen sehr ähnlich. Wenn Maldonado meine Führung akzeptiert, wird er es sicherlich auch bei meiner Schwester tun.” Er wandte sich wieder an Algerio, langsam zog er dabei seine Hand zurück und strich Gwena dabei beiläufig über ihre Hand. “Dom Algerio, würdet Ihr mir erlauben Maldonado selbst zu reiten, um herauszufinden, ob er die richtige Wahl für meine Schwester wäre?”
“Aber selbstverständlich. Wenn Ihr mögt, könnt Ihr gleich morgen früh einen Ausritt wagen, ich hatte ohnehin vor, den guten Maldonado bei der Jagd nach dem Fuchs zu schonen. Und wenn er Euren Ansprüchen genügt: Ich biete gern an, Euch im kommenden Götterlauf im Horasreich zu besuchen, damit Eure Schwester Maldonado einmal unverbindlich reiten kann, ehe Ihr Euch entscheidet. Und bei der Gelegenheit könnte ich Euch und Eurer Familie und Freunden auch die weiteren Waren zeigen, mit denen wir handeln… so wäre es zu beiderseitigem Vorteil. Was meint Ihr?”
Ein ehrliches Lächeln erschien auf Dareius Lippen. “Ihr seid jederzeit herzlich in der Septimana willkommen! Auch wenn mein Haus sich selbst nur in geringem Masse am Handel beteiligt, so kann ich Euch einflussreiche Vertreter der Nordmeercompagnie und der Sewamunder Uthuriagesellschaft vorstellen, die an almadanischen Waren sicherlich großes Interesse haben.” Er reichte Algerio die Hand. “Gerne nehme ich natürlich das Angebot in Anspruch und mache einen kleinen Ausritt mit Maldonado morgen, vielleicht wollt ihr mich begleiten und mir Euer Gut etwas ausführlicher vorstellen? Dann könnten wir auch die Details eines Besuchs in Sewamund näher erläutern.”
Algerio schlug ein, mit dem festen Händedruck eines Kriegers. “Dann ist es abgemacht. Morgen bei Sonnenaufgang pflege ich ein paar Leibesertüchtigungen anzustellen, aber sobald ich mich frisch gemahct habe, lasse ich nach Euch schicken und wir drehen eine Runde. Ich freue mich darauf!”
“Ein hervorragender Plan! Lasst uns darauf anstoßen." Dareius erhob sein Glas und die beiden stießen auf die soeben geschlossene Vereinbarung an und inkludierten auch Gwena in die Feier des sich anbahnenden Geschäfts.
Mit einem Ruck stand Gwena auf. “Ich gehe davon aus, das die beiden Herren das Geschäftliche soweit besprochen haben. Bevor ich mich zurückziehe, würde ich gerne noch ein paar Minuten Eurer kostbaren Zeit in Anspruch nehmen, Signor Dareius. Ich möchte mir gerne die Beine vertreten. Begleitet Ihr mich?” “Es wäre mir ein Vergnügen, Signora.” Auch Dareius stand auf und bot Gwena seine Armbeuge an, welche diese mit einem dankbaren Lächeln annahm. “Wenn Ihr uns kurz entschuldigen würdet, Dom Algerio.”
“Selbstverständlich!”
Schweigend gingen beide den Weg hinunter und wandten sich dann in Richtung der Koppeln. Es war noch angenehm warm, der Himmel war klar und man konnte die Sterne am Himmel sehen.
Dareius blickte hinauf zum Himmel und seine Stirn legte sich ein wenig in Falten. “Kaum zu glauben, bereits vor fünf Götterläufen wurde Arivor in dieser furchtbaren Katastrophe zerstört und die Spitze des Sternbildes vom Schwert, der Sarstern, verschwand für immer. Was die Götter uns damit wohl sagen wollen?” Er wandte sich wieder an Gwena und setzte ein Lächeln auf. “Entschuldigt Signora Gwena, mein Bruder Rondradan kam beim Sternenfall ums Leben. Die Sterne machen mich daher manchmal ein wenig melancholisch.”
“Ihr habt mein Mitgefühl, Signor.”, erwiderte Gwena leise. “Meine Knappin Kyrilla hat ihre ganze Familie bei dieser Katastrophe verloren. Sie stammt aus Aquilian. Diesen Ort gibt es nicht mehr. Nur noch einen großen Krater. Ich kann nicht verstehen was die Götter jemanden durch dieses Leid sagen wollen und das liegt wohl auch nicht in unserem Ermessen.” Sie gingen weiter an den Koppeln entlang. “Wolltet Ihr etwas bestimmtes mit mir besprechen, Signora?”
Gwena blieb stehen. Sie schaute Dareius an. “Ja, das wollte ich, Signor. Mit Verlaub, Eure Mimik und Eure Gesten am heutigen Abend…..mir gegenüber…..sagt…..macht ihr mir Avancen?” Sie wirkte verlegen und ganz schwach konnte Dareius eine Rötung der Wangen erkennen. “Ich würde Euch nie so direkt darauf ansprechen, aber der Wein hat wieder einmal meine Zunge gelockert und die Vernunft vergessen lassen. Wie im letzten Götterlauf bei Ta'iro.” Kurz wirkte sie abwesend, hatte sich aber schnell wieder gefangen. “Aber ich wollte dies nicht vor Dom Algerio ansprechen.”
Dareius war überrascht über so viel Direktheit, aber er wusste es auch zu schätzen, wenn sein Gegenüber offen kommunizierte. “Signora, Ihr seid eine bewundernswerte Vertreterin rondrianischer, wie rahjanischer Tugenden. Es wäre töricht, Euch nicht besser kennenlernen zu wollen. Also vergebt mir bitte, falls ich Euch in eine unangenehme oder gar kompromittierende Situation gebracht habe! Falls Euer Herz bereits vergeben oder ihr schon jemandem versprochen seid, entschuldige ich mich aufrichtig für mein Verhalten.” Er neigte demütig den Kopf und erwartete ihre Antwort.
“Ihr müsst Euch für nichts entschuldigen, Signor Dareius. Im Gegenteil, ich danke Euch für Euer Kompliment, aber Ihr übertreibt.” Sie lächelte kurz, wurde aber wieder ernst. “Weder bin ich vergeben, noch versprochen. Und trotzdem kann ich Euch nicht erhören, denn mein Herz ist zerbrochen und es braucht noch Zeit. Gerne würde ich auch Euch besser kennenlernen, denn Ihr scheint ein interessanter Mann zu sein. Aber wahrscheinlich ist dies nicht die Art und Weise, die ihr erhofft.”
“Ich verstehe Signora Gwena und danke Euch für Eure Offenheit. Die Komplimente haben dennoch die richtige Person gefunden und es ist mir weiterhin eine Freude Eure Bekanntschaft zu machen. Ich habe bereits den Beginn eines Gedichts im Kopf, zu dem Ihr mich inspiriert habt. Wenn es fertig ist, so nehmt es an, als Zeichen meiner Wertschätzung einer tapferen Streiterin Rondras und Rahjas und ohne Hintergedanken.” Er verneigte sich und nahm ihre Hand zum Kuss. Auch die Abweisung gehörte zum Leben eines Minnesängers und Dareius hatte sie wahrlich oft genug erlebt, um würdevoll damit umgehen zu können. Er überlegte bereits wie er sein Gedicht nennen sollte. ‘Verwundete Leuin’? Nein, zu direkt. Er musste mehr über sie erfahren, dann würde die Inspiration sicherlich von selbst kommen.