Chronik.Ereignis1044 Aufstieg der Cordellesa 01
Taladur, 2. Tsa 1044 BF
Auf Castillo Spähricht, Sitz der Gräfin der Waldwacht
Autoren: Kanzler, Familia Cordellesa
Groschka war ungehalten.
Und wenn Groschka ungehalten war, dann näherte man sich ihr besser nicht auf mehr als zwölf Schritt. Menschschritt. Das galt schon, als Groschka noch ein Kind war. Selbst für eine Angroscha war sie schon immer ungemein temperamentvoll.
Andere würden sagen: Sie hatte ihr Temperament nicht unter Kontrolle. Das war ihr aber herzlich egal, denn wenn sie einmal in Fahrt war, dann wollte sie auch losdonnern. Es musste alles raus. Immer schon. Alles. Denn was hatte sie zu verbergen? Und warum?
Sie war Groschka, die Tochter der Bulgi. Als wenn das nicht schon genügend sagen würde, denn bereits Bulgi hinterließ ihr Umfeld oft in Trümmern, wenn ihr etwas nicht passte.
Bulgi allerdings war eine Kriegerin gewesen, kampferprobt auf dem Schlachtfeld. Ihr Gemüt hatte sie an ihre Tochter weitergegeben. Beiden Frauen passte zu oft etwas nicht in ihrer männerdominierten Angroschogesellschaft.
Und bei den Menschen? Nun, sie waren nur Menschen… Almadanis!
Groschka aber war nicht nur die Tochter der Bulgi, sie war auch Gräfin der Waldwacht, die ihre ganz eigenen Kämpfe zu bestreiten hatte: gegen Steuerhinterziehung, Korruption und Machtgezänk. Und wenn Groschka auf den Tisch haute, dass die Basaltplatte Sprünge bekam, dann erbebte sprichwörtlich die ganze Waldwacht.
„Was sind das für Berichte aus Unserer ureigenen Dominie?“, Groschka fegte den Bericht der Steuereintreiber mit einem gewaltigen Wisch von ihrem Schreibtisch, gefährlich nahe an die Feuerstelle.
Ein junger Schreiberling wollte das Dokument vor dem drohenden Flammentod retten. Er machte bereits Anstalten vorzuhechten, um es aufzulesen, als er die greifende Hand seines Mentors, des ersten Sekretarius, am Kragen spürte. Jener gab ihm mit einem fast unmerklichen Kopfschütteln aber einem umso eindringlicheren Blick unmissverständlich zu verstehen, dass diese Aktion sein unmittelbares Karriereende bedeuten würde.
„NEGATIVE ZAHLEN? ABGEWIRTSCHAFTETE GÜTER?! HANDELSDEFIZITE??!!“, Gräfin Groschka war in Rage, und dabei noch nicht einmal warmgelaufen. „Gibt es denn KEINE fähigen Menschen, geschweige denn ANGROSCHO, die ein gräfliches Lehen gewissenhaft zu bewirtschaften und zu verwalten wissen? NIEMANDEN? Dass dieser Dajon von Taladur Jahrzehnte lang nur in die eigene Tasche gewirtschaftet hatte, erfahre ich … JETZT? Hatte denn keiner den MUT, Uns das vorher zu sagen? VERTRAUT Uns denn GARNIEMAND? Können Wir denn GARNIEMANDEM vertrauen? Dieser Sohn des Guromax war ja wohl auch eine NULPE! Wie, ja, Gumbir. GUMBIR, SOHN DES GUROMAX. Und hier, seht ihr das hier? Hat IRGENDWER D I E S E S SCHREIBEN studiert, bevor er es Uns gereicht hat?!“, die beiden Schreiber standen nur wie erstarrt vor der Gräfin und trauten sich keiner Regung.
Sie kannten dieses Schreiben nicht, es war mit dem königlich-fürstlichen Siegel verschlossen gewesen, dass sie nicht zu brechen gewagt hatten.
„NEIN? WARUM SIND WIR NICHT ÜBERRASCHT. TROTTEL, IDIOTEN! Hier BITTET mich doch der KANZLER des KÖNIGREICHS Almada, endlich einen fähigen Administrator für Gräflich Taladur zu ernennen. MÜSSEN WIR UNS SO ETWAS ERST SAGEN LASSEN? VON EINEM V O N T A L A D U R Ä L T E R E S H A U S? Dem N E F F E N dieses D A J O N, Angrosch möge ihn holen!!“
So ging das noch eine ganze Zeit lang weiter, während die Schreiber in Trippelschritten rückwärts versuchten, einen vermeidlich sichereren Abstand zur Gräfin zu erlangen.
Dabei war heute eigentlich ein schöner, sonniger Tag. Die Sonne stand hoch über der Grafenstadt Taladur, der Eisernen, der Schmiede- und Handelsmetropole der Waldwacht. Trutzig ragten ihre Familientürme gen Himmel, einige windschief, einige mit eisernen Klammern zusammengehalten wie ein alterndes Gebiss, augenscheinlich seit Jahrhunderten standen sie für die Werte von Stadt und Land: verlässlich, streitbar, standhaft, konservativ.
So war es schon immer. Und so sollte es nach dem Willen der Gräfin auch fürderhin sein.
An diesem sonnigen Tag also konnte der Interessierte sehen, wie Guillermo Cordellesa in Begleitung seiner Söhne Erresto, Emiglio und Raulo zum Castillo ritt und um Einlass bat, der auch gewährt wurde. Man händigte dem Sekretarius einen Brief aus:
Hochgeehrte, hochwohlgeborene Herrscherin der Waldwacht, Groschka, Tochter der Bulgi.
Ich, Guillermo Jandor Cordellesa, Sohn des Asteno ersuche Euch um eine Audienz.
Die Sicherheit unserer gemeinsamen Interessen, der Interessen der Angroscho und der Menschen sehe ich in Gefahr. Ich sehe große Probleme beim Handel in der Waldwacht und darüber hinaus. Eine Lösung kam mir in den Sinn und hoffe, dass diese Euer Wohlwollen empfängt.
Die Götter, zu fürderst Angrosch, mögen Euch segnen.
gez.
Guillermo Jandor Cordellesa-Brief Guillermo Cordellesas an Gräfin Groschka, die Tochter der Bulgi, Taladur, am 01. TSA 1044 BF
Der Sekretarius nahm den Brief entgegen und sprach: „Dom Guillermo, darf ich fragen, welches das Thema eures Anliegens ist? Die Grafin ist zugegen, es ergibt sich vielleicht direkt die Möglichkeit einer Audienz“.
Dom Guillermo wollte sich gerade umwenden und runzelte die Stirn, als er sprach: „Nun, das wäre ungewöhnlich, aber auch nützlich. Es geht um die Probleme des Handels und der Verwaltung“.
Der Sekretarius nickte und fragte „Wollt ihr kurz warten? Ich kann euer Schreiben sogleich überbringen – so Sie es sogleich liest, hat Sie vielleicht noch eine Rückfrage.“
„Ich warte.“
Etwas später hatte die Gräfin sich weitgehend ausgetobt, alles war raus, ihre Kehle trocken. Sie nahm einen beherzten Schluck Malzschnaps aus einem schweren Kristallglas. ‘Ah, wenigstens auf eines ist noch Verlass‘, ihre Stimmung stieg augenblicklich wieder, es war ja auch alles gesagt.
Nun taten ihr die beiden Schreiber fast schon leid, welche die volle Wucht ihres Wutausbruchs abbekommen hatten. Unverschuldet, das wusste sie, sie waren lediglich die Boten, nicht die Verantwortlichen. Diese waren … tot oder verschwunden oder weilten im fernen Punin. Sie zupfte an ihrem dicken Brokatgewandt, stets das Zeichen, dass sie bemüht war, ihre Contenance zurückzuerhalten.
Ihr erster Sekretarius kannte sie seit langem, seitdem er selbst ein Knabe war. Er kannte diese Geste und nutzte die Gelegenheit.
„Gräfin…, Groschka. Verzeiht, es dauert mich sehr, dass Ihr in diese Situation geraten seid. Es steht nicht überall zum Besten in der Waldwacht, überall rumort es. Ihr wisst dies genau so gut wie ich. Aber es gibt auch Licht in all dem Schatten. Zumindest Hoffnung. Die stirbt ja bekanntlich zuletzt.
Darf ich Euch dieses Schreiben eines gewissen Cordellesa vorlegen? Der Patrizier Guillermo Cordellesa. Falls Ihr ihn empfangen mögt, er wartet seit einiger Zeit oben in der Halle geduldig. Er sagt, es geht um den Handel.“
Gräfin Groschka überflog das Ersuchen des Cordellesa mit einer hochgezogenen Augenbraue. Der Mann hatte Schneit und gegebenenfalls Pech – oder Glück – ausgerechnet an diesem miserablen Tag vor sie treten zu wollen. Tatsächlich hatte sie schon von diesem Cordellesa gehört.
Der Cordellesa schien ein aufrechter, vielleicht naiver aber ehrlicher und vor allem tatkräftiger Mann zu sein, nach allem was sie wusste. Und genau solche brauchte es jetzt. Wenn er etwas von ihr wollte, fein. Aber er könnte ihr ebenfalls nützlich sein, und das vielleicht sogar freiwillig – oder ohne es zu ahnen. Vielleicht ein Problemlöser, zumindest einer, der offenkundig dieselben Probleme sah wie sie. Er könnte NÜTZLICH sein. Sie wollte mit ihm sprechen, mal sehen, was sich daraus ergibt. Eine Gelegenheit zu nutzen, wenn sie erscheint, ist immerhin ihr oberstes Motto. Und sie würde testen wollen, ob dieser Mensch eventuell auch ein guter Mittler zwischen ihrem Volk und den Großgewachsenen sein könnte. Das würde ihr selbst helfen, etwa im Kontakt zu Albrax, Sohn des Angam. So einen brauchte es mehr denn je. Ja, sie was auch etwas verzweifelt, aber vielleicht ergab sich hier genau das: Eine gute Gelegenheit.
„Er möge erscheinen!“, verlautete also die Gräfin, und nahm einen weiteren Schluck des malzigen Destillats. Gutes Zeugs, das beste Produkt, dass sie seit langem aus ihrer eigenen Dominie erhalten hatte. Etwas rauchig und angenehm kratzig im Hals. Vielleicht gekühlt auf Eis noch besser. Sie würde das einmal überdenken. Denn vielleicht war die Lage doch nicht ganz so hoffnungslos – und für sie war eine Krise immer auch gleichzeitig eine Chance. Ansonsten wäre sie als Angroscha niemals auf den Grafenthron eines Menschenreichs gelangt.
Der Sekretarius kam die breiten Treppen hinauf in die Eingangshalle: „Dom, die Gräfin empfängt euch sogleich.“ Es schickten sich die Cordellesas an ihm zu folgen. „Ich befürchte, die Gräfin ist nicht in Stimmung für eure Familia, bitte versteht…Sie hatte einen anstrengenden Tag“ So folgte Guillermo allein dem Sekretarius in die Halle unter dem Berg. Dort angekommen trat er vor und verbeugte sich, wie es das Protokoll verlangte.
„Alle raus! Ich will mit dem Dom Cordellesa allein sprechen. Majordumus, du bleibst!“ Alle verließen, zum Teil tuschelnd, den Raum. Kurz darauf waren sie allein.
Es waren die Gräfin, Guillermo, der Majordomus und vier gerüstete Angroscho noch zugegen. „Guillermo, Sohn des Asteno und der Eleonora, Sohn des Rudovico und der Rabena Tinadera, ja?“
„So ist es euer Hochwohlgeboren“, antwortete Guillermo.
„Eben jene Tinadera, wegen der Ihr aus Taladur verbannt wurdet?”
Es war Guillermo sichtlich unangenehm, dass die Gräfin auf die angeblichen Verfehlungen seiner Großmutter anspielte. „Euer Wohlgeboren, es wurde nie bewiesen...“
„Ausflüchte!“ donnerte Groschka. „Wer ein Pentagramm in seinem Wohnraum anlegt, macht das nicht, weil es schön aussieht! Beweise hin, Beweise her. Für mich ist das eindeutig. Ihr habt doch auch einen Sohn, der Magier ist, oder?“
„Ja, das ist richtig, er studierte die magischen Künste bei einem Lehrmeister und legte seine Prüfung in der Halle des vollendeten Kampfes in Bethana ab – das hat alles seine Richtigkeit und er hat sich immer für die Ordnung, Almada, Taladur und die Famila eingesetzt“, antwortet Guillermo mit leichtem Stolz.
Groschka antwortete versöhnlicher: "Ah, er studierte. In Bethana. Nie da gewesen. Hoffentlich studiert er dort nicht NUR die Magie. Ihr wisst schon, was ich meine", und Groschka klang hierbei schon fast keck. "Aber wenn er dann schon die Magie studiert, dann augenscheinlich die RICHTIGE Magie. Kampf klingt ordentlich. Damit kann man was anfangen. Damit könnten Wir etwas anfangen. Ihr habt ihn aber in Zaum zu halten, damit er keinen Schaden anrichtet! Also nicht, dass er versehentlich mit seiner Magie halb Taladur abfackelt. Uns ist Magie stets etwas unheimlich, wenngleich sie auch sehr nützlich sein kann in fähigen Händen. Und fähige Hände können wir nie genügend haben. 'Das ganze Leben ist ein Kampf, und wir sind nur die Solda-a-ten', pflegte meine Mutter Bulgi immer zu singen. Das war bei uns daheim ein echter „Stollenhauer“, äh, ihr Menschen würdet wohl "Gassenhauer" sagen.
Aber Wir schweifen ab. Was wollte er also noch gleich? Zum langen Parlieren nach Menschenart ist Uns gerade eigentlich nicht. Aber er ist uns sympathisch. Es gibt da gewissen Löcher zu stopfen - und Unseren Magen!", woraufhin Gräfin Groschka den unerwarteten Gast eindringlich von unten herab mit einem kritischen-herausfordernden Blick zu durchbohren begann.
Guillermo, entschlossen die Probleme des Comercio und vor allem die seiner Familia nun direkt anzusprechen, nachdem er bei den Amazetti abgeblitzt war, atmete durch und sprach.
“Gräfin Groschka, Tochter der Bulgi, wir als Krieger schätzen die direkten Worte, will ich meinen. Wir sind hier und jetzt unter uns. Wir sind Kämpfer, für wahr und das Leben ist ein ständiger Kampf. Ihr, ich, Eure Krieger und meine Kinder wissen das. Gegen Eure und unsere Feinde, stehen wir zusammen. Seien es Wüstenräuber oder der geflügelte Tod.“
Groschka horchte auf. „Der geflügelte Tod“ – so bezeichneten nur die Belesensten und meist nur Angroschim die Drachen, den Urfeind ihres Volkes. Und die Gefahr war nicht gebannt, selbst wenn es für Jahrtausende ruhig gewesen war. Brandans Packt bröselte, das ahnte sie. Und das würde hier in Almada, wo einst der „Frieden“ zwischen Angroschim und Drachen „besiegelt“ worden war, als erstes zu spüren sein. Wenn sich jemand mit Drachen auskennt, so war er ihr stets willkommen.
„Wir stehen bereit unsere Heimat zu verteidigen, wenn es nötig ist“, fuhr der Cordellesa fort. „Ohne Wenn und Aber. Ich muss Euch aber berichten, dass wir mit Unbill kämpfen, das leicht vermeidbar wäre. Die Straßen der Waldwacht sind nicht mehr in gutem Zustand, es gibt sogar Wegelagerer. Die Brücken sind teilweise beschädigt. Das lässt sich leider nicht alles einfach mit dem Schwert in der Hand lösen. Diese Probleme schaden dem Commercio und damit Euch und uns allen. Ich darf daran erinnern, dass die Cordellesa es waren, die erfolgreich ein lukratives Händelsbündnis zwischen den Waldwachter Angroschim und dem Haus Karinor in Al'Anfa organisiert haben und immer noch für die Transporte Sorge tragen“…
Die Gräfin war erstaunt über das sehr direkte Gebaren des Cordellesa, schmunzelte in sich hinein, ließ aber nach außen keine dieser Gedanken erkennen und nickte nur zustimmend. Sollte er erst mal weiterreden, mal sehen, wohin das noch führte. Einen Streiter könnte sie gebrauchen, in ganz einer Sache…
…“Auch wenn andere in Eurem Umfeld Euch kein reines Bier einschenken wollen, sei es auch Angst vor den Amazetti oder aus Eigennutz, ich will das tun und das gesagte auch verteidigen“. Guillermo hatte sich nun in Streitlaune geredet. “Es müsste etwas passieren in der Waldwacht, vor allem in Gräflich Taladur! Ihr solltet…“
Groschka hob die Hand und Guillermo verstummte.
Der Mann denkt augenscheinlich in die gleiche Richtung wie ich, im inneren Monolog vermied Groschka den Pluralis Majestatis, sie pflegte sich eh zu duzen. ‚Oder kann dieser Mensch etwa meine Gedanken lesen?‘ Gräfin Groschka war nun nicht mehr nur erstaunt, sondern nachgerade alarmiert. Hatte sie etwa einen Scharlatan vor sich stehen, der ihr noch mehr entlocken wollte, als eh schon aus ihren Gütern unrechtmäßig abgeflossen war. Warum sollte er sonst so seine Taten preisen. Irgendetwas wollte er doch, ihr war nur noch nicht klar, was. Daher sagte sie nur knapp, fast ungewohnt vorsichtig: „Bei Angrosch!“
„Wir sollten … was genau meint er, dass er uns nach diesen durchaus bemerkenswerten Ausführungen zu tun anzuraten gedenken dürfe? Ein Mann der offenen Worte - und derer nicht gerade wenige - ist er fürwahr. Das gefällt Uns wohl. Und Wir glauben, dass er das weiß und darauf spekuliert. Aber nicht WIR sollten etwas tun, sondern IHR! Denn ein wahrer Streiter lässt nicht hadern, sondern hadert selbst. Für seine Krone selbstredend. Also für UNS!“
Da kam ihr ein Gedanke… vielleicht eine fixe Idee, aber das waren ohnehin ihre besten - auch wenn das ihr Sekretarius stets zu bestreiten wusste. „Gräflich Taladur läge im Argen, meint er? Hier müsse etwas getan werden? Nur hat das bislang keiner erkannt - außer Uns und ihm, wie es scheint. Was also würdet IHR tun? Wenn IHR WIR wäret?“
Guillermo war etwas verwirrt, das ging viel zu schnell in die Richtung, die er wollte. Er hatte damit gerechnet das die Gräfin ihn anhörte, herauswarf und später wieder kommen ließ - und das mehrmals.
„Nun, ich wollte nicht vermessen klingen…. Meine Klienten liegen mir schon länger in den Ohren, ständig die Beschwerden über die Wege und die Sicherheit. Es gab wohl auch Verluste an Tier und Material. Das ist natürlich erst dann Euer Problem, wenn es Steuern zu zahlen gibt. Mir macht das aber jetzt schon schlechte Laune und hält mich von meiner Arbeit ab. Ich, an Eurer Stelle würde zügig einen neuen Administrador benennen. Jemand, der Euer Vertrauen genießt? Jemand der fähig und gut vernetzt ist? Vielleicht jemand der Euch etwas schuldet oder dem Ihr die Tür eintreten könnt, wenn er Euch hintergeht. Es sollte kein Amazetti sein, vielleicht auch kein de Vivar, die können meiner Meinung nach alle nicht mit Geld umgehen. Die von Taladur sind vielleicht auch nicht die beste Wahl. Das Problem ist meiner Meinung nach aber dringend zu lösen, sonst würde ich Euch nicht damit behelligen.“
Guillermo hatte das ungute Gefühl, das seine Beschwerde bei der Gräfin zu falschen Schlussfolgerungen führte.
Groschka schmunzelte, nun ganz öffentlich, sie lachte fast, unterdrückte das aber, da ihr Lachen doch noch die meisten Menschen eher zurückgeschreckt hat. Warum nur? Diese Großwüchsigen hatten in der Tat viel weniger Humor also sie selbst über sich dachten. Vielleicht ist das nur natürlich, wenn die Lebenszeit so begrenzt ist und man Reichtum, Familie, Macht, noch mehr Reichtum und dazu noch eine Karriere in nur wenigen Jahrzehnten erfolgreich stemmen musste, nur um dann alles wieder zerfließen zu sehen. Sie sagte daher, ziemlich spitz, und sie war nun durchaus zu einem Experiment bereit:
„Und WER, denket ER, wäre wohl für so einen Posten dann noch geeignet? Anwesende ausdrücklich nicht ausgeschlossen? Mh, mein lieber Dom Cordellesa? Da kommen WIR nun ins Grübeln - und das ist eine Tätigkeit, die man schleunigst wieder beenden sollte, das beschert nur Kopfschmerzen und verdirbt einem womöglich noch den Appetit. Als WER, Dom?“
„Gräfin, ich bin hier, um Euch zu bitten für Abhilfe zu sorgen. Dieses Amt ist undankbar, teuer und kostet eine Menge Zeit. Politisch wäre meine Person auch eher schwierig… die anderen Familias...“, Guillermo verstummte abermals ob des amüsierten Blickes der Gräfin.
„Ha, da fängt er an zu jammern noch bevor er einen Schlachtplan vorgelegt hat, einen ersten Streich geführt oder gar einen einzigen Topfen Blut vergossen hat. Ein tapferer Streiter seit ihr, Dom, ha ha!“, die Gräfin war tatsächlich köstlich amüsiert, und aus spontaner Dankbarkeit, dass durch diesen putzigen Menschen mit seiner vorsorglichen, ja durchaus verständlichen Ziererei, ihr Groll des Vormittags verflogen war, äußerte Sie den folgenden Satz:
„Hiermit ernennen Wir Euch, Dom Cordellesa, vollumfänglich zum Administrator von Gräflich Taladur! Wir wollen es mal mit Euch versuchen. Ein Mann der klaren Worte sei er? Ha! Das gefällt Uns. Aber habt Obacht, das sind Wir auch. Ha, ha!! Dass er sich einige Gedanken gemacht hat, spricht für ihn. Und ein paar Zugeständnisse mag er erhalten. Doch lege er Uns zunächst innert 14 Tagen einen Sanierungsplan für Gräflich Taladur vor. Der Herr Majordomus wird ihn mit den Zahlen versorgen. Ha! Da wartet einiges an Arbeit auf ihn. Aber Wir wollen Erfolg durchaus belohnen. Misserfolg hingegen … sehen Wir nicht so gern. Kennen Wir schon. Langweilig. Sonst noch was?“
Kurze Zeit später…
Guillermo hatte keine weiteren Fragen. Nach dem Ende der Audienz war er wie betäubt. Er wollte die Gräfin fordern, vielleicht auch herausfordern. Gehofft hatte er eine Veränderung und eine Neuausrichtung der gräflichen Politik. Dass die Gräfin ihn nun direkt zum Administrador ernannt hatte, war nicht sein Plan, aber ein Risiko gewesen. Er hatte sich dahingehend verrechnet. Sie hatte es einfach unumwunden getan, ohne Rücksicht auf alle anderen Mächtigen!
Das wird eine Herausforderung. Die Treppen hinaufgehend hätte er weinen oder lachen können, er folgte aber den Treppen mit einem verzückten und nachdenklichen Blick. Er war ungewollt auf die politische Bühne getreten. Er freute sich und fürchtete sich zugleich. Diese Schlangengrube hätte auch gerne ein anderer ergründen können, aber es ergaben sich andererseits auch mannigfaltige Möglichkeiten. Und die Risiken erst, aber das wird sich fügen – er würde schauen, welche seiner Kontakte und Verbündeten sich einreihen würden – viele würden die Chancen erkennen. Eine Neuorganisation der Finanzen in 14 Tagen… das war.. er würde kreativ sein müssen. Es galt nun vieles neu auszurichten. Es wird eine Feier und eine Zeremonie geben müssen. Wen sollte er einladen? Das wird Sache von Fabia und Erresto sein. Die beiden würden dafür ein Händchen haben.
Auf der obersten Treppenstufe angekommen wandt er sich an den Sekretarius: „Am 2 Phex 1044 soll die Feier zum Anlass stattfinden, ist das möglich?“ Der Sekretarius erwiderte: „Das wird möglich sein Dom, aber ich empfehle euch mehr Abstand zum Tage der Erneuerung zu nehmen, da zu dem Zeitpunkt mögliche Gäste noch auf Pilgerfahrt sein könnten“. „Ihr habt recht, daran dachte ich nicht“ erwiderte Guillermo. „Nehmen wir den 10. Phex 1044.“ „So wird es sein.“ „Gehabt euch wohl!“ Er winkte sprachlos seiner Familia ihm vor den Castillo Spähricht zu folgen und sagte zu seiner Frau: „Sie hat mich zum Administrator bestimmt, es gibt Dinge zu tun“
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